Ein fauler Kompromiss. Am 26. Mai 1993 beschloss der Bundestag die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl
Dossier
26. Mai 1993: Änderung des Grundrechts auf Asyl. „Die Verfassungsänderung und die restriktiven Begleitgesetze waren die Initialzündung für einen Wettlauf der Schäbigkeiten gegenüber Schutzsuchenden, der die EU-Flüchtlingspolitik bis heute prägt. Angesichts der dem Beschluss vorangegangenen Pogrome und der auf ihn folgenden Anschläge hatte PRO ASYL der verfassungsändernden Mehrheit vorgeworfen, man habe sehenden Auges in Kauf genommen, dass die Grundgesetzänderung in der rechten Szene als Signal für eine „ethnische Säuberung“ Deutschlands verstanden worden sei. „Dies ist ein Sieg der Straße und eine Niederlage des Rechtsstaates“, so PRO ASYL…“ Stellungnahme von PRO ASYL zum Jahrestag der Grundgesetzänderung vom 23.05.2013 und Hintergründe. Siehe dazu auch:
- Rassistische Kontinuitäten – 30 Jahre nach der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl
„Am 26. Mai jährt sich die Abschaffung des Rechts auf Asyl zum 30. Mal: Im Jahr 1993 wurde dieses Grundrecht mit überragender parlamentarischer Mehrheit beerdigt. Ein ergänzter Artikel 16a schließt seitdem alle Menschen vom Recht auf Asyl aus, die über einen „sicheren Drittstaat“ einreisen oder aus einem „sicheren Herkunftsland“ kommen. Der Grundgesetzänderung vorausgegangen war eine rassistische Mobilmachung durch Politik und Medien mit ihrer „das Boot ist voll“-Rhetorik. Die traumatischen und oftmals tödlichen Folgen waren unter anderem die rassistischen Anschläge in Mölln, Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und anderswo. Die Grundgesetzänderung befeuerte rechte Morde und Anschläge weiter...“ umfangreicher Beitrag von Britta Rabe vom 08. Mai 2023 beim Grundrechtekomitee , siehe auch:- Als Deutschland dichtmachte. Vor 25 Jahren wurde durch eine Grundgesetzänderung das Asylrecht eingeschränkt
„… Der Migrationsforscher Jochen Oltmer spricht zum Jahrestag des »Asylkompromisses« davon, dass »mit der Änderung die Geschichte einer bis heute wirkenden Externalisierung« begonnen habe. Darüber hinaus war diese Änderung des Grundgesetzes vor allem ein erschütterndes Beispiel dafür, wie geschürte Debatten weitreichende politische Entscheidungen ermöglichen – auf Kosten ganzer Gruppen von Menschen. Nur wenige Tage nach der Bundestagsentscheidung verbrannten am 29. Mai 1993 im nordrhein-westfälischen Solingen fünf Türkeistämmige. Die geistigen Brandstifter – sie saßen auch in Bonn.“ Artikel von Nelli Tügel vom 25.05.2018 in ND online - 30 Jahre »Asylkompromiss«: Ein Grundrecht wird ausgehöhlt
„CDU/CSU, FDP und SPD schlossen vor rund 30 Jahren den sogenannten »Asylkompromiss« – trotz aller Proteste aus der Zivilgesellschaft…“ Eine Rückschau auf die Debatten in den Jahren 1992 und 1993 am 25.05.2023 bei Pro Asyl - 30 Jahre Asylkompromiss: »Hunderttausende waren auf der Straße«
„Vor 30 Jahren haben in Deutschland Zehntausende gegen den sog. »Asylkompromiss« demonstriert, um die Änderung des Grundgesetzes zu verhindern. Am 26. Mai 1993 beschloss der Bundestag trotz der großen Proteste, das Asylrecht im Grundgesetz massiv einzuschränken. Günter Burkhardt, Gründungsmitglied von PRO ASYL, berichtet im Interview von der Zeit…“ Interview von Max Klöckner am 25.05.2023 bei Pro Asyl - Siehe auch zur aktuellen Entwicklung:
- Dossier: Migrationspakt etc.: Neuer Anlauf in der EU-Flüchtlingspolitik (???)
- Dossier: Erhöhung der Asylbewerberleistungen: Die Regierung steht in der Pflicht [denkste!]
- Dossier: “Menschenfeindlicher Unsinn”: Seehofer will „Erstprüfung“ von Asylanträgen an EU-Außengrenzen – die Ampel auch…
- Dossier: Auch 20, 30 Jahre nach dem Brandanschlag von Solingen: Das Problem heisst Rassismus!
- Als Deutschland dichtmachte. Vor 25 Jahren wurde durch eine Grundgesetzänderung das Asylrecht eingeschränkt
- 25 Jahre nach Grundgesetzänderung: Wettlauf der Schäbigkeiten
„1993 wurde durch den sogenannten »Asylkompromiss« der Artikel 16 des Grundgesetzes geändert. Damals ging es um ein deutsches Grundrecht, heute um die Fundamente eines Europas der Menschenrechte. Am 26. Mai 1993 veränderte der Deutsche Bundestag das aus historischer Erfahrung entstandene Asylrecht des Artikels 16 GG bis zur Unkenntlichkeit. Das deutsche Grundgesetz schützte bis dahin jeden politisch Verfolgten, der deutschen Boden erreichte. Im Mai 1993 erfolgte der grundrechtliche Kahlschlag: Wer über einen sogenannten sicheren Drittstaat einreist, soll sich nicht mehr auf das Asylrecht berufen können. Die Verfassungsänderung und die darauffolgenden Gesetzesverschärfungen waren die Initialzündung für einen Wettlauf der Schäbigkeiten gegenüber Schutzsuchenden, der die EU-Flüchtlingspolitik bis heute prägt. Damals ging es um das deutsche Grundgesetz, heute stehen die Grund- und Menschenrechte Europas auf dem Spiel…“ Beitrag vom 24.05.2018 von und bei Pro Asyl , siehe dazu einen weiteren Artikel zum „Jubiläum“:- Umkämpfte Reformen: 25 Jahre „Asylkompromiss“ und Grundgesetzänderung
„Anfang der 90er Jahre flohen immer mehr Menschen vor dem Krieg auf dem Balkan nach Deutschland. Es kam zu rassistischen Übergriffen. Die Politik geriet unter Druck, verschärfte das Asylrecht. Die schwer umkämpften Reformen gelten noch heute…“ Artikel von Dirk Baas vom 25. Mai 2018 beim Migazin
- Umkämpfte Reformen: 25 Jahre „Asylkompromiss“ und Grundgesetzänderung
- Ganz große Koalition gegen Asylrecht feiert Jubiläum: Auf diesen Abbau konnte aufgebaut werden
„Mit einer Lichterkette durch die Münchner Innenstadt setzten 400.000 Menschen am Nikolaustag 1992 ein eindrucksvolles Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Neofaschismus. Am Abend des gleichen 6. Dezember verkündeten in Bonn Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble und sein sozialdemokratischer Kollege Hans-Ulrich Klose vor der Presse einen »Kompromiss« im Streit um eine Demontage des Grundrechts auf Asyl: »Die Fraktionen stimmen überein, dass die Zuwanderung nach Deutschland begrenzt und gesteuert werden muss sowie der Missbrauch des Asylrechts verhindert und der Schutz tatsächlich politisch Verfolgter gewährleistet werden müssen«, hieß es. Andernfalls würden »Ängste und Unsicherheiten verstärkt, die für den inneren Frieden schädlich sind«. Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl nannte den »Asylkompromiss« einen »Sieg der Straße und eine Niederlage des Rechtsstaates«. Denn vorausgegangen war eine jahrelange »Das-Boot-ist-voll«-Kampagne, in der sich Unionspolitiker und einzelne prominente Sozialdemokraten, die Springer-Presse und brandschatzende Neonazis gegenseitig die Bälle zugespielt hatten“ – so beginnt der Beitrag „Hitzegrade“ von Nick Brauns am 02. Dezember 2017 in der jungen welt , worin noch mehr Gleichzeitigkeiten Thema sind: Das Pogrom in Lichtenhagen und die Erklärung der SPD zum Abbau des Asylrechts nunmehr bereit zu sein, wozu in dem Beitrag fest gehalten wird: „Noch während das Pogrom in Rostock tobte, verkündete SPD-Chef Björn Engholm auf dem Bonner Petersberg vor den Spitzen der Sozialdemokratie erstmals die Bereitschaft zu einer Grundgesetzänderung beim Asylrecht sowie zur Zustimmung zu UN-mandatierten Bundeswehrauslandseinsätzen. Maßgeblichen Anteil an der »Petersberger Wende« hatte der damalige saarländische Ministerpräsident und stellvertretende SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine, der bereits 1989 die Debatte über »Asylmissbrauch« losgetreten hatte“. - Mit Asylkompromiss und Brandflaschen gegen “die Kanaken im Land”
„Vor 20 Jahren hat eine große Koalition aus Union, FDP und SPD das Grundrecht auf Asyl faktisch abgeschafft. Eine direkte Lehre aus der NS-Zeit wurde somit entsorgt. Dass damit eine neue Phase der nationalen Selbstermächtigung eingeläutet wurde, zeigte sich auch in vielen Medien und auf den Straßen, wo der rassistische Mob tobte und zahlreiche Menschen ermordete. Im Mai 1993 erreichte der rassistische Terror in Solingen seinen bisherigen Höhepunkt…“ Artikel von Andreas Strippel und Felix M. Steiner vom 26.5.2013 bei Publikative
- Änderung des Asylrechts vor 20 Jahren: Verdammte dieser Erde
„Aus einer Asylgarantie wurde eine Abschiebungsgarantie: Vor 20 Jahren hat der Bundestag das Asylrecht faktisch abgeschafft. Heute zahlen Deutschland und EU viel, damit Asyl dort hinkommt, wo die Vertriebenen herkommen. Damit schützen sie ihre Grenzen, aber nicht die Flüchtlinge…“ Kommentar von Heribert Prantl in Süddeutsche online vom 26. Mai 2013
- Asylkompromiss: Die Brutstätte des Rechtsextremismus
„Der Asylkompromiss vor 20 Jahren war nicht das Ende der Gewalt. Eine Subkultur mit „national befreiten Zonen“, rechtsextremen Kameradschaften und einer rechtsextremistischen Musikszene entstand. In dieser Zeit radikalisierten sich die Mitglieder des „NSU“…“ Artikel von Jasper von Altenbockum in der FAz online vom 26.05.2013
- Brandstifter im Bundestag
Vor 20 Jahren besiegelte eine Mehrheit des Bundestages den »Asylkompromiß«. Stichwortgeber waren militante Neonazis. Artikel von Ulla Jelpke in junge Welt vom 25.05.2013
- Deutscher Konsens
„Die Welle des Rassismus Anfang der neunziger Jahre in der Folge der deutschen Wiedervereinigung, die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und der rassistische Terrorismus der Nazigruppe NSU gehören untrennbar zusammen…“ Artikel von Detlef Zum Winkel in der Jungle World vom 23. Mai 2013
- Ein fauler Kompromiss. Vor 20 Jahren beschloss der Bundestag die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl
„Eine ganz große Koalition hat 1993 eine Verabredung getroffen, die als »Asylkompromiss« in die jüngste deutsche Geschichte einging. Die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl hat bis heute gravierende Folgen für politisch Verfolgte. Auch die Sozialdemokratie hat das zu verantworten…“ Artikel von Christian Klemm in Neues Deutschland vom 24.05.2013