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„Das passiert halt“. Nach Soma: Probleme. Für die Regierung, die Unternehmer – und auch Gewerkschaften…
„Das passiert halt“
Unglücke passieren halt, Demonstranten und Passanten sterben halt – der Herr Erdogan scheint auf den ersten Blick Fatalismus zu predigen. Oder eine Variante der traditionellen deutschen Politik des Aussitzens… In Wirklichkeit fordert er, vergeblich, Unterwerfung. Unsere aktuelle kleine Materialsammlung „Nach Soma“ vom 27. Mai 2014 versucht deutlich zu machen, wie diese Art Politik mit dem Polizeiknüppel durchgesetzt werden soll. Materialsammlung zusammengestellt von Helmut Weiss am 27. Mai 2014
- Der Beitrag On Erdogan’s ‘Ordinary Things’: The Soma Massacre, the Spine Tower, and the Corporate-State’s Fitrat in Turkey von Emrah Yildiz am 18. Mai 2014 bei Jadaliyya nimmt die Aussagen des Ministerpräsidenten bei seiner ersten Pressekonferenz in Soma zum Ausgangspunkt einer Analyse der Politik der AKP-Regierung zur Entwicklung des Kapitalismus in der Türkei – wobei das Schwergewicht darauf liegt, nachzuweisen, dass für die ArbeiterInnen der Türkei diese Entwicklung vor allem bedeutet: Subunternehmen, prekäre Beschäftigung und eben eine Art permanentes Massaker, schliesslich waren auch viele der Toten von Soma bei Subunternehmen beschäftigt.
- Die religösen Rechtfertigungsmotive in Erdogans Reaktion werden ausführlich analysiert in dem Beitrag The Soma tragedy: Kadere karşı / Against Fate von William Coker am 16. Mai 2014 bei Sismec, wo Begriffe wie Schicksal und ähnliche und deren Bedeutung in der heutigen politischen Auseinandersetzung bearbeitet werden.
- Die gemeinsame Demonstration mehrerer Gewerkschaftsverbände (ausser DISK, KESK und Berufsverbänden auch Gewerkschafter von Türk-Is) am 25. Mai richtete sich dementsprechend auch gegen das Prinzip Subunternehmen, wie der redaktionelle Bericht ‘No to subcontracting’ protest held in Istanbul vom 26. Mai 2014 bei den Hürriyet Daily News schon in der Überschrift deutlich macht (der sich aber im folgenden wesentlich den Verlautbarungen der Sozialministerin widmet).
- Diesen Hintergrund des Subunternehmertums muss man mitlesen, wenn es um den Artikel Mining: The sector with low added value, high loss of life von MUSTAFA SÖNMEZ am 26. Mai 2014 ebenfalls bei Hürriyet DN geht – der anhand der offiziellen Statistiken berichtet, dass mehr als jeder 10. Bergmann in der Türkei bereits einen sogenannten Arbeitsunfall erlitten hat. Was wiederum nahe legt, dass es der Druck der Betroffenen war, der dazu geführt hat, dass nach anfänglicher Schönrednerei denn doch zumindest einige der Betreiber der Soma-Mine von der Staatsanwaltschaft angeklagt werden sollen.
- Einen Überblick dazu gibt auch der Beitrag Immenses Gefahrenpotential: Gut 400 kritische Minen in der Türkei am 22. Mai 2014 in den Deutsch – Türkischen Nachrichten, worin vor allem Sicherheitsfachleute aus der Branche zu Wort kommen.
- Gewerkschaftsfunktionäre werden zurückgetreten, Wiederaufnahme der Arbeit verweigert
An demselben 26. Mai 2014 wird in dem Bericht Soma miners force union officials to resign after mine disaster von Fevzi Kızılkoyun und Banu Şen ebenfalls in Hürriyet DN von der Demonstration (bei der sie ihre Mitgliedsbücher zurückgaben) von rund 500 Bergarbeitern aus Soma vor dem Gewerkschaftshaus von Maden – Is (die zu Türk – Is und IndustriAll gehört) hervorgehoben, dass der gesamte Bezirksvorstand der Aufforderung zum Rücktritt nachkam. Die Demonstranten zogen anschliessend zu den Behörden der Arbeitssicherheit und erklärten dort der Öffentlichkeit, warum sie sich nach wie vor weigern, die Arbeit wieder aufzunehmen, wie von den Betreibern der Bergwerke gefordert – nicht bevor Sicherheitsinspektionen stattgefunden haben, die auch zugesagt wurden.
- Wie breit die Empörung quer durchs Land ist, wird auch beispielsweise in dem Artikel Soma Mine Disaster: Massacre at Work! am 17. Mai 2014 bei UID-DER deutlich, worin berichtet wird, dass an dem von den Gewerkschaften ausgerufenen Solidaritäts(streik)tag etwa die Bergarbeiter von Zonguldak sich ganz massiv beteiligten.
- Ansonsten: Die Reaktion besteht aus Polizeirepression
Bereits in den ersten Tagen war deutlich geworden, dass Protesten mit Gewalt begegnet wird – nachdem es erneut Tote bei Konfrontationen gegeben hat (auch LabourNet Germany berichtete) ist es nur scheinbar ruhiger geworden. Der Bericht 10,000 mourn as anti-government clashes grip Istanbul der afp, hier am 23. Mai 2014 bei der Global Post macht nicht nur die Breite des Protests deutlich, sondern hebt auch hervor, dass sich die Proteste nicht zuletzt im Okmeydani district von Istanbul konzentrierten. (Unter dem Titel Catastrophe minière : affrontements à Istanbul après la mort de deux manifestants hat Alain Bertho auf seinem Blog eine umfangreiche Dokumentation – zumeist in englisch oder französisch – der Berichterstattung über die Auseinandersetzungen, inklusive diverser Videoberichte am 23. Mai 2014 zusammengestellt). Okmeydani district ist unter anderem deswegen hervorzuheben, weil hier die massivste aktuelle Repression stattfindet, wie in dem Bericht 38 Arrested During Early Morning Raids on Okmeydani Protesters am 26. Mai 2014 bei den Revolution News deutlich wird: Ein Großaufgebot sperrte den Stadtbezirk regelrecht ab (erst recht für Journalisten) und nahm 38 Mitglieder linker Organisationen fest, darunter 5 Minderjährige. Ach ja, und welch ein Zufall: Natürlich fanden die uniformierten Häscher auch alles mögliche Zubehör zum Bau von Molotow Cocktails, vermutlich vor allem leere Flaschen…
- Siehe zum Hintergrund unser Dossier „Das Grubenunglück in Soma“