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Ein deutsches Call Center auf Mallorca: extreme Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung
Dossier
„CCES24 in Palma de Mallorca Erfahrungsberichte“ ist der Titel eines Diskussionsstrangs bei chefduzen , in dem zahlreiche der mehreren hundert Beschäftigten dieses Call Centers über ihre Arbeitsbedingungen, Bezahlung und andere betriebliche Lebensbelange diskutieren. Auch wenn man annimmt, dass größere deutschsprachige Call Center zumeist für billiges Geld in Irland funktionieren, hat CCES24 einen wichtigen Kunden: 1&1 – bietet neben dem angeblich schnellsten Internet offensichtlich auch schnelle Abnutzung menschlicher Arbeitskraft. Der Diskussionsstrang wurde am 11. September 2013 aufgenommen, der (bisher) letzte Beitrag ist vom 06. Februar 2016. Der „Persönliche Erfahrungsbericht meiner Zeit bei CCES24“ von Christian Vollmer vom 05. Februar 2016 ist eben das – ein persönlicher Erfahrungsbericht, der, wie man bei chefduzen leicht nachlesen kann, keineswegs ein Einzelfall ist (und in dem auf Wunsch von LabourNet Germany die Personennamen geändert wurden, die uns im Original vorliegen). Siehe dazu den Erfahrungsbericht samt einiger zusätzlicher grundsätzlicher Informationen von chefduzen zur Situation auf Mallorca und im Betrieb sowie einen weiteren Erlebnisbericht und nun eine Aktualisierung zum Stand bei CCES24 vom 17.2.2016 sowie am 2.3.16: Löschaufforderung der CCES24 bei chefduzen und Arbeit oder Ausbeutung, wo andere Urlaub machen? Beitrag von Ralf Streck bei telepolis vom 18.03.2016. Neu und das Allerletzte: Erst Löschaufforderung der CCES24, nun Abmahnungen mit Aufforderungen zu Gegendarstellung und Unterlassungserklärung
Eine Grundinformation von chefduzen
„Auf Mallorca sind rund 8000 Deutsche arbeitend gemeldet, die Hälfte davon in einem scheinselbstständigen Arbeitsverhältnis. 5000 sind offiziell arbeitslos gemeldet. Es gibt dort obdachlose Deutsche und einige besuchen spanische Suppenküchen.
Die Lokalpresse und die Behörden zeigten Begeisterung, als ein Deutsches Unternehmen „mindestens 500 Arbeitsplätze schaffen“ wollte. Es entstanden prekäre Jobs, bei einer 39Std-Woche geht man mit kaum 1000€ nachhause. Das Personal ist völlig gemischt, einige kamen aus Abenteuerlust, andere flüchteten vor persönlichen Problemen in Deutschland, Schulden, Suchtproblemen, etc. Wenige sprechen ausreichend Spanisch, kaum jemand kennt die spanischen Gesetze oder das Arbeitsrecht. Sie stehen unter der Drohkulisse hoher Arbeitslosigkeit und schlechter Löhne und Sozialleistungen in Spanien. Prekäre Beschäftigte ohne Klassenbewusstsein und unsolidarisch. Der Betriebsrat zu 100% auf Seiten des Managements. Mobbing untereinander.
chefduzen wurde zur Plattform innerbetrieblicher Diskussion, Leute aus der Führungsebene gaben sich als einfache Mitarbeiter aus, um Einfluss auf die Diskussion zu nehmen. Inzwischen ist das Forum zu einer Art permanenter virtuelle Betriebsversammlung geworden, nahezu die gesamte Belegschaft schaut täglich nach, was es denn neues aus diesem Callcenter zu lesen gibt.
Spätestens seit der stark verspäteten Auszahlung der Löhne und Schließungsgerüchten, gärt es unter der Belegschaft. Die Mitarbeiter wurden aufgefordert, nicht mehr chefduzen zu besuchen. Eine Frau aus dem Betriebsrat ergaunerte Unterschriften, die sie als Beleg gegen die Diskussion bei chefduzen und für die Zufriedenheit der Mitarbeiter einsetzte. Einige wollen nun juristisch dagegen vorgehen…“
„Persönlicher Erfahrungsbericht meiner Zeit bei CCES24“
von Christian Vollmer vom 05. Februar 2016
Als ich mich im September 2012 bei CCES24 bewarb, befand ich mich bereits seit einigen Monaten auf Mallorca. Diese Firma suchte händeringend deutschsprachige Kundenberater für die technische DSL-Hotline von 1und1. Ich freute mich sehr über dieses Jobangebot auf der Insel, zumal ich bereits in Deutschland über sechs Jahre lang als Kundenbetreuer im Mobilfunkbereich gearbeitet hatte.
Nach einem nicht allzu gut organisierten Gruppentermin (die Moderatorin sprach nur gebrochen deutsch) erhielt ich eine Zusage. Die Einarbeitung erfolgte in einer Gruppe von zwölf Auszubildenden und dauerte vier Wochen. Das Gehalt betrug im ersten Monat lediglich 750€ brutto, weil diese Einarbeitungsphase zum einen ein großes, finanzielles Opfer für das Unternehmen darstelle und zum anderen die Ausbildung so professionell sei, dass viele Leute direkt nach der Ausbildung wieder nach Deutschland zurückkehren, um diese dann anderweitig gewinnbringend einzusetzen. Nach vier Monaten Betriebszugehörigkeit würden dann weitere 250€ für die erfolgreiche Einarbeitung ausgezahlt werden.
Die Ausbildung war sehr komprimiert: Laut Angaben der Firma CCES24 werden diese Inhalte in 1und1 ‚Inhouse‘ Callcentern (direkt durch 1und1 betriebene Callcenter) innerhalb von sechs Wochen geschult. Die Vermittlung des nötigen Fachwissens für uns angehende Kundensupport-Agents erfolgte größtenteils theoretisch. In der letzten Unterrichtswoche durften wir schließlich auf freiwilliger Basis nach dem Unterricht (also in unserer Freizeit) bei Gesprächen der Kundenbetreuer zuhören. Dazu setzten wir uns neben einen vom Trainer ausgesuchten Agent und erhielten ein eigenes Headset. Da die Produktivität dieser Mitarbeiter absolute Priorität hatte, durften diese ihre Arbeit für Erklärungen und zum Beantworten unserer interessierten Fragen nicht unterbrechen. Business as usual!
Auch während des Unterrichts waren weiterführende Fragen nur bedingt möglich. Sobald ich eine Frage stellte, wurde ich vom Trainer dazu angehalten dies zu unterlassen, denn „wir sind im Zeitdruck“. Einen Tag vor der obligatorischen Abschlussprüfung wurden wir dazu aufgefordert, alle Schreibutensilien von unseren Tischen zu entfernen. Damit auch alle aus unserem Kurs die erforderlichen 80% im Multiple-Choice-Test erreichen, las uns der Trainer die Original-Prüfungsfragen (inklusive der korrekten Antworten!) vor. Bis auf einen Mitarbeiter haben dann auch alle die Prüfung bestanden. Aber auch dieser Kollege durfte seine Tätigkeit als Kundeberater in Angriff nehmen und wurde gemeinsam mit uns „ins kalte Wasser geworfen“.
Nun saßen wir in der sogenannten „Krabbelgruppe“ – ein eigens für uns reservierter Bereich im Großraumbüro. Dort mussten wir, wie alle anderen Mitarbeiter auch, acht Stunden täglich telefonieren. Ein bis zwei Mitarbeiter wachten über uns, um fachliche Rückfragen zu beantworten. Wenn jemand nicht wusste, wie er das technische Problem des Kunden lösen sollte, bat dieser den Kunden zu warten, stellte das Gespräch in die Warteschleife und hob so lange die Hand bis ein Mitarbeiter sich seiner erbarmte und mit ihm gemeinsam das Kundenanliegen bearbeitete.
In den nächsten Wochen und Monaten lernte ich immer mehr dazu. Nicht nur in fachlicher Hinsicht. Ich durchschaute immer mehr den Führungsstiel, die Hierarchien und die Informationspolitik dieses Unternehmens. Und was dort immer transparenter wurde, gefiel mir keinesfalls.
Das Firmenmotto von CCES24 lautet: ‚Como una Familia‘ zu Deutsch: ‚Wie eine Familie‘. Mit dieser realitätsfremden Selbstdarstellung versuchte man in erster Linie deutschsprachigen Nachwuchs aus Deutschland zu rekrutieren. Eine familiäre Arbeitsatmosphäre sieht jedoch anders aus:
- Der Betriebsrat stellt lediglich den „verlängerten Arm der Geschäftsleitung“ dar. Beschwert sich ein Mitarbeiter bei Mitgliedern des BR, wird dieser sofort bei der Geschäftsleitung und dem Projektmanagement denunziert.
- Die Mitarbeiter des technischen DSL-Supports wurden an sieben Tagen pro Woche flexibel zwischen 6 Uhr morgens und 2 Uhr nachts eingeteilt. Man hatte jeden Tag andere Arbeitszeiten. Überstunden wurden ohne Zustimmung der Arbeitnehmer eingefordert und es wurde keine Rücksicht auf Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel, Mitarbeiter mit Kindern und chronisch Kranke, welche mehrmals pro Woche einen Arzt aufsuchen mussten, genommen. Darüber hinaus war arbeiten über 10 Tage non-stop keine Seltenheit.
- Zuschläge für Schicht- und Feiertagsarbeit wurden in den ersten Monaten gar nicht ausbezahlt und später in einem zu kleinen Umfang. Die Mittagspause war entgegen der spanischen Gesetzgebung unbezahlt. Nach circa dreijährigem Bestehen des Betriebes mussten die Pausen (auf Drängen einer spanischen Behörde) vergütet werden. Die Firma zahlt an alle zu diesem Zeitpunkt noch aktiven Mitarbeiter die unbezahlten Pausen rückwirkend aus, dies erfolgt in Form einer Ratenzahlung von 80€ monatlich. Die bereits zu diesem Zeitpunkt ausgeschiedenen Mitarbeiter erhalten keine Zahlung!
- Der Lärmpegel auf der Arbeitsfläche ist schier unerträglich. Kunden, mit welchen wir tagtäglich telefonieren, bemitleiden uns und fragen teilweise besorgt, ob wir spürbare, gesundheitliche Schäden davon tragen.
- Unsere Vorgesetzten waren zum Teil sehr unfreundlich und schlecht ausgebildet. Wir erhielten oft eMails mit Arbeitsanweisungen voller Rechtschreib- und Grammatikfehler. Viele von ihnen waren öfter im Parterre des Gebäudes befindlichem Café Espiral als an ihren Arbeitsplätzen anzutreffen. Die Führungsriege der „ersten Stunde“ stammt vorwiegend aus ostdeutschen Callcentern der D+S-Gruppe und „Skyline“, einem ehemaligen Callcenter aus Mallorca. Wenn es um Beförderungen ging, zählten Seilschaften weitaus mehr, als fachliche Qualifikation, Schulbildung und ein guter Lebenslauf.
Mein dramatischer Wendepunkt bezüglich der Loyalität zum Unternehmen CCES24 ereignete sich im Sommer 2013: Erik, mein damaliger Teammanager, schlug mich beim Projektmanagement bereits im Frühjahr für eine Position als Fachberater vor. Diese Mitarbeiter beantworten Rückfragen der Kundenberater. Im Juli nahm ich an einem entsprechenden Assessmentcenter teil.
Diese Prüfung bestand aus zwei theoretischen und einem praktischen Teil.
Nur kurze Zeit später wandte ich mich (in meiner Funktion als Kundenbetreuer) hilfesuchend an einen Fachberater. Dieser Fachberater sollte sich in meinem Auftrag an eine Fachabteilung von 1und1 wenden um ein dringendes Kundenanliegen zu erfüllen. Ich hatte eine verzweifelte Kundin mit einer DSL Störung in der Leitung und war als ordinärer Kundenberater nicht dazu befugt, direkt dort anzurufen. Sie war auf ihr Internet beruflich angewiesen. Dieser Mitarbeiter verweigerte jedoch seine Mithilfe und sagte, dass die Kundin entweder später erneut anrufen sollte, oder in drei Tagen einen Rückruf erhält. Daraufhin wandte ich mich an eine andere, übergeordnete Fachabteilung von 1und1 und bat dort um Hilfe. Nachdem man mich dort an unser Fachberaterteam verwies, entgegnete ich, dass man mir dort nicht weiterhelfen konnte. Daraufhin wurde dieser Mitarbeiter ziemlich ungehalten und sah in der Kundendatenbank nach, mit welchem Fachberater ich vorher gesprochen hatte. Er erfüllte dann schließlich das Kundenanliegen und bedankte sich bei mir für mein Engagement und meine Hartnäckigkeit.
Unmittelbar nach diesem Telefonat sandte ich Torben, einem übergeordneten Fachberater, eine eMail zu in welcher ich den Fall schilderte und mich dafür entschuldigte, dass eventuell jemand eine Beschwerde weiterleiten könnte. Zu diesem Zeitpunkt wurde das CCES24-Fachberaterteam von direkten 1und1 Mitarbeitern wochenlang kontrolliert. Ignatz, der Teammanager des Fachberaterteams, der den Prüfungsausschuss des Assessment Centers anführte, grüßte mich plötzlich nicht mehr und schaute mich immer, wenn er sich unbeobachtet fühlte, mit einem ziemlich feindselig gestimmten Gesichtsausdruck an. Auch Torben, welcher meine eMail nicht beantwortet hatte, grüßte mich nicht mehr und ballte beide Hände zu einer Faust, sobald er mich sah. Weil ich von ihm bislang stets die allerbeste Meinung hatte, sprach ich ihn noch einmal direkt auf diesen Vorfall an. Das Gespräch verlief freundlich und er bestritt, dass er Kenntnis von einer Beschwerde gegen das Fachberaterteam hätte. Erst circa sechs Wochen später offenbarte mir ein anderer Mitarbeiter, der aufgrund seiner Tätigkeit als Coach zum „inner circle“ gehörte, dass es aufgrund dieses Vorfalls jede Menge Ärger gab.
Ein paar Tage später erzählten mir zwei Mitarbeiter aus dem Outbound (diese Agenten rufen Kunden an, um ihnen Mobilfunktarife zu verkaufen), dass ihnen bereits kurz nach ihrer Einstellung aufgrund ihrer guten Leistungen ein Teammanager Posten suggeriert wurde. Nachdem sie Monate lang ehrgeizig und verbissen ihrer Tätigkeit nachgingen und keine einzige, angebotene Überstunde abgelehnt hatten, lachte ihnen ihr Projektmanager feist ins Gesicht und sagte zu den beiden:“Ihr bekommt jetzt eine neue Team-Managerin aus der DSL-Technik. Ihr werdet erst einmal auf Halde gestellt!“
Anschließend erstellte ich ein anonymes Facebook-Profil und sandte eine ebenfalls anonyme Beschwerde an Justus, einen neuen Projektmanager. Ich fragte ihn, warum die Mitarbeiter nicht mit Würde und Respekt behandelt werden, obwohl ein hohes Maß an Flexibilität und Einsatzbereitschaft eingefordert wird. Weil ich in dieser umfangreichen Nachricht auch konkrete Situationen, die mich und auch Personen aus meinem näheren Umfeld betrafen, erwähnte, war es mir bewusst, dass man mich als Verfasser verdächtigen könnte.
Nun wurde die Missgunst gegen mich auf einen wesentlich größeren Personenkreis erweitert. Sämtliche Vorgesetzte erwiderten meinen Gruß nicht, wenn ich ihnen auf den Fluren der Firma begegnete. Einige drehten mir auch ganz provokativ den Rücken zu, sobald ich mich ihnen näherte. Circa drei Wochen nach meiner Teilnahme an dem Assessment Center erfolgte die Auswertung. Ich wurde jedoch nicht eingeladen. Dies wunderte mich nicht. Befördert wurden drei Mitarbeiter „der ersten Stunde“, welche am höchsten in Ignatzs Gunst standen. Etwa acht Wochen später beschwerte sich ein weiterer Teilnehmer des Assessment Centers, weil er ebenfalls nicht zur Auswertung eingeladen wurde. Zu diesem Anlass wurde auch schließlich ich zur verspäteten Auswertung eingeladen. Ich legte keinen großen Wert auf dieses Gespräch, weil ich wissentlich in Ungnade gefallen war. Zu meiner Überraschung wurden selbst meine schlimmsten Befürchtungen bei weitem übertroffen:
Mein Prüfungsergebnis wurde in einem Besprechungsraum von Ignatz, dem damaligen Teammanager des Fachberater Teams (vorher arbeitete er auf der Insel als Friseurmeister) und Nick (gelernter Buchbinder), dem damaligen Projektmanager der DSL-Technik, bekannt gegeben. Die beiden theoretischen Tests hatte ich laut ihren Ausführungen bestanden. Die praktische Aufgabe, ein simuliertes Eskalationsgespräch, war aber angeblich dermaßen schlecht, dass ich insgesamt mit einem Ergebnis von 20% (!!!) durchgefallen bin! Ich sei nicht fähig, mich zu artikulieren und hätte die Testperson provoziert und angeschrien. Komischerweise hatte ich selbst das Gespräch in ganz anderer Erinnerung.
Am nächsten Tage fragte ich Nikolaus, einen mir bis zu diesem Zeitpunkt noch recht sympathischen Kollegen aus dem Betriebsrat, zu welchen Zeiten der BR denn Sprechstunde hätte. In meiner nächsten Pause suchte ich Anton, ein weiteres BR-Mitglied im Betriebsratsbüro auf. Ich erzählte ihm von der ungerechtfertigten Bewertung des Assessment Centers und gab ihm unmissverständlich zu verstehen, dass ich mich an übergeordneter Stelle, am besten beim Geschäftsführer beschweren möchte. Anton wollte den Zettel mit der Assessment-Bewertung an sich nehmen und sagte mir, dass er sich in meinem Auftrag beschweren wird. Dem Betriebsrat wäre bereits vor geraumer Zeit aufgefallen, dass die zu befördernden Mitarbeiter meist bereits im Vorfeld feststehen.
Als ich wieder an meinem PC saß und das Headset aufsetzte, sah ich eine eMail von Nikolaus: Er wollte wissen, warum ich den Betriebsrat sprechen wollte. Ich schilderte ihm in meiner Antwort-eMail ausführlich den Sachverhalt. Von meinem Arbeitsplatz aus konnte ich sehen, wie sich Nikolaus meine eMail gemeinsam mit Wilma, einer Team-Managerin aus dem Outbound, durchlas. In meiner nächsten Pause ging ich schnurstracks auf Nikolaus zu, um mit ihm über mein Anliegen zu sprechen, er wich mir mit einem verlegenen und verkrampften Gesichtsausdruck aus und grüßte mich fortan nie mehr wieder. Auch die übrigen Betriebsratsmitglieder (inklusive Anton) wichen mir aus und sahen zwanghaft in eine andere Richtung, wenn unsere Wege sich kreuzten.
Weil ich nun mehr denn je dazu entschlossen war, den Arbeitgeber zu wechseln, versuchte ich ein spanisches Arbeitszeugnis anzufordern. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit einer Beurteilung des Arbeitgebers ist in diesem Land nicht üblich. Es wird lediglich die Art und Dauer der Beschäftigung, sowie die Position des betreffenden Arbeitnehmers innerhalb des Unternehmens dargestellt. Insgesamt fünf Personen habe ich mein Anliegen vorgetragen und Monate lang immer wieder erinnert. Alles vergebens! Anstelle des Zeugnisses folgte ein unerwartetes Coaching. Der Coach saß zwei Stunden lang neben mir und lauschte meinen Kundengesprächen. Anschließend lobte er mich für meine guten Leistungen und stellte mir eine besser bezahlte Position in einem neuen Projekt in Aussicht. Doch auch von ihm kam wochenlang kein Feedback. Als ich ihn schließlich via eMail an das Gespräch erinnerte, entgegnete er, dass ich mich doch an meinen Team-Manager wenden sollte, wenn ich die Absicht habe, mich innerhalb der Firma beruflich verändern zu wollen. Später erzählte mir die Ex-Freundin des betreffenden Coaches, dass solche Praktiken häufig angewandt werden, um kündigungsgefährdete Mitarbeiter wieder an den Betrieb zu binden.
Ende 2013 sprach mich Marius, der neue Team-Manager des Fachberater-Teams an: Er fragte mich, ob ich in seinem Team arbeiten möchte. Ich nahm das Angebot dankend an. Kurze Zeit später erkrankte Marius und blieb für mindestens zwei Wochen der Arbeit fern. Während dieser Zeit gratulierte mir Erik, der inzwischen zum Junior-Projektmanager befördert wurde, zur neuen Position als Fachberater und kündigte meine Einarbeitung zum Anfang der kommenden Woche an. Leider wurde auch Erik krank und niemand wusste von der bevorstehenden Aufnahme in das Fachberaterteam. Später wurde mir immer wieder durch meinen Team-Manager ausgerichtet, dass sich die Einarbeitung verzögert, weil ich aufgrund des gegenwärtigen Auftragsvolumens in meiner Tätigkeit als Berater dringender benötigt werde. Einige Wochen später wurde mir, ebenfalls über meinen Team-Manager, ausgerichtet, dass meine Beförderung zum Fachberater endgültig verworfen wurde. Inzwischen war Marius wieder in der Firma anwesend und lud mich zu einem kurzen Gespräch ein.
Er teilte mir mit, dass Nick, der zuständige Projektmanager, meine Versetzung in das Fachberater-Team bewilligt hat. Marius hatte ihn auf das Ergebnis des circa acht Monate zurückliegenden Assessment Centers angesprochen. Nick gab vor ihm zu, dass er Ignatzs Willen nachgab, um mir eine derart schlechte Bewertung zu vergeben, dass ich dauerhaft von einer Beförderung ausgeschlossen werde. Er wollte mich damals definitiv nicht in sein Team aufnehmen. Weil Nick nur zwei Tage nach diesem Beschluss fristlos entlassen wurde und der neue Projekt-Manager das Fachberater-Team Zug um Zug auflösen wollte, weil diese Mitarbeiter weniger produktiv als Kundenbetreuer seien (die Hilfestellung der Fachberater wird seitens des Auftraggebers 1und1 geringer vergütet, als ein Kundengespräch), hatte der neue Projektmanager meine Beförderung revidiert.
Nun wandte ich mich an den gegenwärtigen Geschäftsführer von CCES24. Dieser bestätigte mir, dass die Rückfrageeinheit (das Fachberaterteam) zu unproduktiv sei und deshalb in absehbarer Zeit aufgelöst werde. Aufgrund meiner Beschwerde über die Gangart des Produktionsmanagements – „Erst per Handschlag befördern und anschließend die Hiobsbotschaft über einen Untergebenen übermitteln lassen“ -, orderte er offiziell einen Gesprächstermin mit Erik. In diesem Moment tat mir Erik ziemlich leid. Ich wusste, dass er sich als mein ehemaliger Team-Manager für mich eingesetzt hatte und vom übergeordneten Senior Projektmanager, Michel , diesbezüglich in die Schranken gewiesen wurde.
Das Gespräch fand jedoch nie statt. Ich merkte nur ziemlich deutlich, dass mich Michel stets mit einem bösartigen, herabwürdigenden Gesichtsausdruck ansah. Einige Wochen später wurde auch Erik fristlos entlassen. Das CCES24 ist bekanntlich ein ziemlich „heißes Pflaster“.
Nur kurze Zeit später fand ich einen Job bei einer neu gegründeten deutschen Firma in Palma. Ich konnte meine Arbeit dort gleich am nächsten Tag aufnehmen und suchte sogleich die Personalabteilung von CCES24 auf. Dort fragte ich, ob ich mein Arbeitsverhältnis auch sofort auflösen dürfe. Adjunta, die damalige Personalchefin, machte mir daraufhin ein sehr lukratives Angebot, welches ich dankend ablehnte: Laut spanischem Arbeitsrecht beträgt die Kündigungsfrist 15 Tage. Wenn ein Arbeitnehmer diese Frist nicht einhält, darf der Betrieb den Lohn für diese Zeitspanne einbehalten. Auch mein komplettes Gleitzeitkonto mit einem Guthaben von 75 Stunden sollte ich unter dieser Option abtreten.
Also biss ich in den „sauren Apfel“ und arbeitete noch zwei Wochen lang in diesem hochgeschätzten Unternehmen. Als ich nach meiner letzten Schicht das Headset und meinen Mitarbeiterausweis bei dem Kollegen von der Line-Steuerung abgab und ihm die Hand zum Abschied reichte, schlug er nur zögernd mit einem angewiderten Gesichtsausdruck ein und rasselte mit einem von Missgunst geprägten Unterton eine „Alles-Gute-Floskel“ herunter.
Wie bei CCES24 üblich, erhielt ich als ausgeschiedener Mitarbeiter keine Überweisung des letzten Gehalts. Circa acht Wochen später betrat ich ein letztes Mal, in Begleitung eines Anwalts, die Firma.
Ich wurde von der Dame an der Rezeption telefonisch in der Personalabteilung als Besucher angekündigt. Wenige Augenblicke später wurde ich in das erste Obergeschoss zitiert, um mit Paulo, einem Angestellten der Personalabteilung, zu reden. Meinem Anwalt wurde explizit kein Einlass gewährt. Dieser bestand jedoch auf sein Recht, mich zur HR (Human Resources) Abteilung begleiten zu dürfen. Nach einem zweiten Anruf in der HR- Abteilung mussten wir ca. 20 Minuten warten. Dann wurden wir vom Paulo und Adjunta empfangen. Bis auf eine zu gering ausgefallene „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“-Prämie (100€ statt 200€) war alles soweit korrekt.
Später, auf der Heimfahrt, sagte mein spanischer Anwalt zu mir:“Die wollten zahlen nix!“
In Begleitung meines Rechtsbeistandes zu erscheinen, war definitiv der richtige Entschluss. Genau wie dieser Firma „den Rücken zu kehren“!
Für mein langwieriges Martyrium in diesem Unternehmen gebührt mir im Grunde kein besonderes Mitleid, weil ich nur „einer von vielen“ war. Anderen Mitarbeitern wurde noch wesentlich übler mitgespielt…
Die Debatte um CCES24 geht bei chefduzen weiter!
Neben der Information über den Beitrag bei LabourNet Germany und der Debatte um die richtige Gegenwehr (Streik? Krankschreibung?) gibt es auch einen neuen Erlebnisbericht:
„Hallo alle zusammen
Ich verfolge die Einträge hier schon eine sehr lange Zeit um mir einfach mal ein Blick über die gesamte Situation in der Firma machen zu können. Ich arbeite seit knapp einem dreiviertel Jahr bei CCES24. Ich habe schon im Vorfeld viel über die Firma gehört und die negative Stimmung in dem Laden mitbekommen. Dennoch bin ich sehr zuversichtlich in die Firma gegangen und wollte mich von allem einmal selbst überzeugen.
Am Anfang sind alle nett zu dir sodass es die ersten 2-3 Monate sehr angenehm war und es mir auch Spass gemacht hat dort zuarbeiten. Doch dann fing es so langsam an mit dem Druck wo man dir gesagt hat das du mehr HNV machen musst weil du sonst unter deiner Quote bist. Ich habe immer mein bestes gegeben und das ja auch aus eigener Interesse da du ja gut Geld machen konntest. Dennoch wurde die Gesamtsituation sehr schnell immer schlechter. Es gingen eine Menge an Gerüchten rum was für mächtig Ärger sorgte zwischen Projektleitung und den Agents.
Mobbing stand auf dem Tagesplan. Wenn man sich über irgendetwas beschwert hatte und was anmerken wollte wurde man aufeinmal nicht mehr gegrüßt bzw keines Blickes mehr gewürdigt.Und so nahm alles seinen Lauf…“ Posting vom 9.2.2016 bei chefduzen zum Beitrag „CCES24 in Palma de Mallorca Erfahrungsberichte“
Aktualisierung zum Stand bei CCES24
„Die Situation gerät gerade völlig aus den Fugen, die Beschäftigten werden wie Dreck behandelt und eingeschüchtert, im Hintergrund gibt es möglicherweise eine Insolvenzverschleppung.
Die Löhne wurden teilweise nicht ausgezahlt, eine Auszahlung wird an die Bedingung geknüpft, die Veröffentlichungen auf www.chefduzen.de zu löschen. Mindestens zwei Beschäftigten ist wegen ihrer Berichte gekündigt worden. Nun hört man von persönlichen Diffamierungen und Einschüchterungen gegen diejeingen, die sich ihren Mund nicht verbieten lassen.
Eine Arbeitsniederlegung war nicht durchzusetzen. Immerhin wird der Aufruf zur Krankmeldung recht gut befolgt und es gibt einen Krankenstand von 60%. (bei ca 500 Beschäftigten). Diejenigen, die weiter am Arbeitsplatz sind, sobottieren teilweise ihre Arbeitsaufgaben.
Wir erhielten mehrere Hilferufe. Man wünscht sich Unterstützung durch ein Medienecho in Deutschland.
Der Betriebsrat versteht sich als verlängerter Arm der Geschäftsführung und macht sich zum wichtigsten Fürsprecher der Firma – die Belegschaft ist nicht nur unerfahren im Kampf, sie ist quasi unorganisierbar.“ Zusammenfassung der Situation von chefduzen vom 17.2.2016
- Siehe dazu einen weiteren Beitrag eines herzkranken Kollegen „bayer04“
- Und eine Zusammenfassung der Forumsdebatte von Kuddel vom 18.2.2016 : „Nachdem es hier sehr emotional und unsachlich geworden ist, versuche ich mal aus der Distanz ein wenig Ordnung in die Argumentation zu bekommen. Bei vielen scheint ein gründliches Mißverständnis vorzuliegen. Es wird behauptet, es gäbe hier eine Anti-CCES24 Fraktion und eine Pro-CCES24. Unter den nahezu 700 Beiträgen sehe ich keinen echten Anti-CCES Beitrag, denn niemand der in diesem Thread Schreibenden, hätte etwas gegen ein Callcenter, das sich als Arbeitgeber korrekt verhält und eine Möglichkeit bietet, ein Einkommen zu vernünftigen Konditionen zu beziehen. (…) Niemand hat ernsthaft versucht, die Kritiker der herrschenden Arbeitsbedingungen zu widerlegen. Im Gegenteil, viele der Pro-CCES24-Schreiber sagen selbst, daß es da „nicht rund“ läuft und haben die Vorwürfe zumindest in Teilen bestätigt. Absolut unpassend ist jedoch das Argument, wem die Arbeitsbedingungen nicht passen, der solle doch einfach gehen. (…) Dieses Forum, die hier geführte Diskussion und die Art der Diskussion, sind der Geschäftführung bekannt. Die Reaktion darauf bestand darin, die Mitarbeiter aufzufordern dieses Forum nicht mehr zu besuchen und Kritiker der Zustände im Callcenter unter Druck zu setzen. Die Möglichkeit einer Gegendarstellung, hat die Führungsetage dieses Unternehmens nicht genutzt...“
Löschaufforderung der CCES24
„Seit mehreren Jahren werden die Arbeitsbedingungen im CCES24, dem deutschen Callcenter auf Mallorca, in diesem Forum von den Mitarbeitern kritisiert. Das CCES24 unternahm keine erkennbaren Anstrengungen die Arbeitsbedingungen zu verbessern, es gab nichteinmal den Versuch sich inhaltlich mit der Kritik auseinanderzusetzen. Wir konnten Verleumdungskampagnen gegen Kritiker des Unternehmens beobachten und nun soll eine Diskussion durch juristischen Druck auf (Ex-)Mitarbeiter und auf dieses Forum behindert werden. Ein Anwaltsbüro des Unternehmens zwang uns Beiträge zu löschen. Wir vertreten das Recht auf freie Meinungsäußerung und geben die Möglichkeit zu einer Gegendarstellung. Es gab jedoch keine Versuche des Unternehmens zu einer Kommunikation, sondern juristische Drohungen…“ Beitrag des Admins von chefduzen vom 2.3.2016
Arbeit oder Ausbeutung, wo andere Urlaub machen?
„Eine deutschstämmige Firma auf der Urlaubsinsel Mallorca steht wegen angeblich mieser Arbeitsbedingungen in der Kritik…“ Beitrag von Ralf Streck bei telepolis vom 18.03.2016 . Aus dem Text: „… Dialog ist offenbar nicht die Stärke der Firma. CCES24 versuche nicht einmal, „sich inhaltlich mit der Kritik auseinanderzusetzen“, erklären die Betreiber von Chefduzen. Stattdessen seien „Verleumdungskampagnen gegen Kritiker des Unternehmens“ beobachtet worden „und nun soll eine Diskussion durch juristischen Druck auf(Ex-)Mitarbeiter und auf dieses Forum behindert werden“, schreiben die Betreiber. „Ein Anwaltsbüro des Unternehmens zwang uns, Beiträge zu löschen.“ Da das Forum das Recht auf freie Meinungsäußerung vertritt, habe es der Firma die Möglichkeit zu einer Gegendarstellung gegeben. „Es gab jedoch keine Versuche des Unternehmens zu einer Kommunikation, sondern juristische Drohungen.“…“
Erst Löschaufforderung der CCES24, nun Abmahnungen mit Aufforderungen
zu Gegendarstellung und Unterlassungserklärung
Kurz vor Ostern und mit einer äußerst knappen Frist hat die Firma CCES24 über einen Anwalt mehrere Veröffentlichungen zum Konflikt in dem Call Center mit Aufforderungen zu Gegendarstellung und Unterlassungserklärung kontaktiert. Der Inhalt der geforderten mit Gegendarstellung und einer Richtigstellung kann nun entnommen werden aus:
- Arbeit oder Ausbeutung, wo andere Urlaub machen? Beitrag von Ralf Streck bei telepolis vom 18.03.2016 in entsprechender Aktualisierung vom 30.03.2016
- Eine noch umfangreichere Gegendarstellung gibt es zum (nicht mehr verfügbaren) Artikel auf www.direkteaktion.org mit der Überschrift „Gestrandet im Paradies“: Gegendarstellung von Communication Center España 24 S.A. (CCES24)
Insbesondere zu Feststellungen seitens CCES24 hinsichtlich der Arbeitszeit („Es werden ohne die Zustimmung des jeweiligen Mitarbeiters bei uns keine Überstunden angeordnet. Niemand muss ohne seine Zustimmung an einem Tag 10 Stunden arbeiten.“ und „Ein Gleitzeitkonto wird bei uns nicht geführt.“) hat sich „B666“ – ein CCES24-Agent – am 1. April 2016 bei chefduzen geäußert :
„Eigentlich wollte ich mich nicht mehr äußern, muss es aber tun weil die Gegendarstellungen von Cces nicht der Wahrheit entsprechen.
Zu den angebl.freiwilligen Überstunden
Diese wurden angeordnet……kann ich erweisen
Arbeitszeitkonto wurde geführt……kann ich beweisen (…) Fragen an die GF: Warum wieder diese Lügen; Warum durch unwahre Gegendarstellung wieder Posts provozieren, die diese Lügen aufdecken…“
Die umfangreiche Gleitzeitkontoübersicht von Christian Vollmer (dem Autor des ersten Berichtes beim LabourNet Germany) liegt der LabourNet-Redaktion vor und kann bei uns als Unterstützung im Falle einer juristischen Auseinandersetzung mit CCES24 angefordert werden!