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Die Wiener Rechtsregierung im Frontalangriff auf die Sozialversicherung
Dossier
„Von einer „neuen sozialen Gerechtigkeit“ sprechen die Koalitionäre, von „Zuwanderung in das Sozialsystem“ und von „explodierenden Kosten“. Knapp eine Milliarde Euro gab der Staat zuletzt im Jahr für die Mindestsicherung aus (Daten von 2016), rechnet Kanzler Sebastian Kurz vor. Er verschweigt dabei nicht, wo die Sozialleistung besonders teuer kam: Mehr als die Hälfte der Bezieher wohnt in Wien – und davon hat wiederum die Hälfte keinen österreichischen Pass. (…) All diese Gründe machten eine Reform – sprich: Kürzung – der Mindestsicherung notwendig, argumentieren ÖVP und FPÖ seit Jahr und Tag. Bei ihrer Regierungsklausur am Sonntag und Montag in Mauerbach nahe Wien ließen die Koalitionäre ihrer Ankündigung Taten folgen: Nun liegt ein Konzept vor, das die bedarfsorientierte Mindestsicherung österreichweit auf ein einheitliches Niveau bringen soll. (…) Um Flüchtlingen doch weniger zahlen zu können, hat die Regierung den „Arbeitsqualifizierungsbonus“ erfunden. Voraussetzung, um diese 300 Euro zu erhalten und damit auf eine Basisleistung von 863 Euro zu kommen, ist prinzipiell der Abschluss der Pflichtschule in Österreich. Fehlt dieser, sind hingegen Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 – das nächsthöhere Level nach A1 und A2 – oder Englischkenntnisse auf dem Level C1 nachzuweisen. Diese Regelung soll auch für Menschen gelten, die bereits Mindestsicherung in Österreich beziehen, allerdings ist eine noch zu konkretisierende Übergangsfrist geplant „ – aus dem Beitrag „Was die neue, härtere Mindestsicherung bringt“ am 28. Mai 2018 im Standard mit einem ausführlichen, konkreten Überblick über die offizielle Darstellungsweise der beschlossenen Kürzungen. Siehe zur antisozialen Reform in Österreich und den Reaktionen weitere aktuelle Beiträge und Hintergründe:
- „Krieg den Hütten, Frieden den Palästen“ – die Sozialpolitik der Wiener Rechtsregierung
„Im Jahr 2018 waren österreichweit rund 1,2 Millionen Menschen einkommensarm. Sie hatten weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen gewichteten Medianeinkommens (das mittlere Einkommen) zur Verfügung. Diese sogenannte Armutsgefährdungsschwelle lag im Jahr 2018 in der Höhe von monatlich 1.259,– Euro bzw. 15.105,– Euro pro Jahr bei einem Einpersonenhaushalt. Der maximale Betrag der neuen Sozialhilfe für einen Alleinstehenden bzw. eine Alleinerziehende liegt bei 885,– Euro netto pro Monat, also weit unter diesem statistischen Schwellenwert, und ist somit nicht armutsfest. Im österreichischen Durchschnitt waren rund 14 Prozent der Bevölkerung von Armutsgefährdung betroffen. Es gibt jedoch bestimmte gesellschaftliche Gruppen, die eine überdurchschnittlich hohe Betroffenheit aufweisen. Dazu zählen beispielsweise Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, Migrant/-innen, Familien mit mindestens drei Kindern, Menschen mit geringer Bildung, aber auch allein lebende Frauen. Verfügt eine Familie über ein zu geringes Haushaltseinkommen (unterhalb der Armutsschwelle), etwa aufgrund von Arbeitslosigkeit, einem zu geringen Lohn, Betreuungsverpflichtungen, diskontinuierlicher Beschäftigung oder einer mangelnden sozialen Sicherung, so ist eine erhöhte Armutsbetroffenheit gegeben. Ohne den österreichischen Sozialstaat (ohne Pensionen und Sozialleistungen) wären sogar 43 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet…“ – aus dem Beitrag „Sozialhilfe neu verschärft Armutslagen stark“ von Iris Woltran am 16. Mai 2019 im A&W-Blog zum im April verabschiedeten „Grund(satz)gesetz“ der Rechten zur Sozialhilfe. Siehe auch weitere Beiträge, die die Breite der Kritik deutlich machen – und den Realitätscheck der rechten Propaganda machen:- „Österreich kürzt bei den Ärmsten“ von Michael Bonvalot am 24. April 2019 in neues deutschland online zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes: „Die Agitation der beiden Rechts-Parteien war erfolgreich: Fast alle Bundesländer haben nach 2016 die Mindestsicherung gekürzt. Darunter etwa das Burgenland, wo die SPÖ mit der FPÖ eine Koalition bildet, sowie Tirol, wo die ÖVP mit den Grünen koaliert. Auch in Wien, wo Rot-Grün regiert, gab es kleinere Kürzungen. Die damalige grüne Tiroler Landesrätin Christine Baur erklärte 2017, dass die schwarz-grüne Landesregierung »bei den Ärmsten« kürze. Bereits seit dem Antritt der ÖVP-FPÖ-Koalition in Österreich im Dezember 2017 ist klar, dass bundesweite Kürzungen folgen sollen. Das steht im Regierungsprogramm, das sogar eine »Arbeits- und Teilhabepflicht« für Bezieher vorsieht. Auch der neue alte Name »Sozialhilfe« findet sich dort anstatt der »Mindestsicherung«, was den Almosencharakter in den Vordergrund stellt. Das Sozialhilfe-Gesetz, das nun verabschiedet werden soll, bedeutet teils existenzbedrohende Kürzungen. So soll es für Paare nur noch höchstens 1208 Euro geben, wobei die Länder diesen Beitrag nochmals kürzen dürfen. Familien mit Kindern werden besonders betroffen sein: Während es derzeit für jedes Kind einen fixen Betrag gibt, darf es künftig für das erste Kind höchstens 215 Euro geben, für das zweite Kind 129 Euro und ab dem dritten Kind nur noch 43 Euro. Ebenfalls betroffen sind Menschen, die in Wohngemeinschaften wohnen. Hier ist eine sogenannte Deckelung auf 1549 Euro je WG vorgesehen – unabhängig davon, wie viele Personen in der WG wohnen. Diese Regelung zielt nicht zuletzt auf geflüchtete Menschen ab. Drittstaatsangehörige sollen erst nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Österreich Anspruch auf Sozialhilfe haben. Falls die betroffenen Personen Deutsch nicht mindestens auf Niveau B1 beherrschen, wird die Sozialhilfe nochmals um 300 Euro gekürzt. Gleichzeitig werden Deutschkurse von der Regierung gestrichen. Ebenfalls 300 Euro weniger kann es für Menschen geben, die keinen Pflichtschulabschluss haben…“
- „73.000 Haushalte nutzen Anspruch auf Mindestsicherung nicht“ von András Szigetvari am 09. Mai 2019 im Standard online zur Realität im Gegensatz zur rechten Hetze der Regierung: „… Trotzdem wurde die Neuregelung der Mindestsicherung, die jetzt wieder Sozialhilfe heißt, unter anderem damit begründet, dass es sich zu viele Menschen in der sozialen Hängematte gemütlich gemacht hätten. Die türkis-blaue Koalition hat die Mindestsicherung für Familien mit drei oder mehr Kindern gekürzt. Auch Migranten, die nicht gut Deutsch sprechen, bekommen weniger. Dabei haben in Österreich zehntausende Menschen die Mindestsicherung gar nicht in Anspruch genommen, obwohl sie alle Voraussetzungen erfüllten. Das zeigt eine neue Studie von Forschern unter Leitung des Soziologen Michael Fuchs vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung in Wien. Fuchs und seine Kollegen stützen ihre Berechnungen auf Daten aus einer Erhebung der Statistik Austria. Dabei werden jährlich Befragungen in 6.000 Haushalten über die Lebensbedingungen der Menschen durchgeführt. Auf Basis dieser Ergebnisse haben Fuchs und seine Kollegen hochgerechnet, wie viele Haushalte in Österreich Anspruch auf Mindestsicherung gehabt haben. Um die Sozialleistung zu beziehen, darf das Haushaltseinkommen zum Beispiel gewisse Grenzwerte nicht überschreiten. Das eigene Vermögen muss zudem aufgebraucht sein. Davon gibt es nur wenige Ausnahmen, etwa für das selbst bewohnte Eigenheim mit „angemessener“ Größe. Die Forscher rund um Fuchs haben verglichen: Wie viele Menschen könnten Mindestsicherung beziehen – und wie viele tun es tatsächlich? Ergebnis: Rund 73.000 Haushalte hätten Anspruch, nutzen ihn aber nicht. Nur 70 Prozent der bezugsberechtigten Haushalte nutzen die Mindestsicherung…“
- „Sozialhilfegesetz „verschärft Armut, statt sie zu bekämpfen““ am 14. März 2019 bei der Erzdiozöse Wien war die Stellungnahme der katholischen Kirche, keineswegs der Linken im Lande angehörend, die unter anderem betonte: „… „Hier wird Kinder- und Familienarmut verschärft, statt sie zu bekämpfen“: Dieses Resümee hat Caritas-Präsident Michael Landau zur von der Regierung am Mittwoch beschlossenen „Mindestsicherung neu“ gezogen. Die Caritas-Aussendung am Donnerstag reiht sich in eine neuerliche Welle an Kritik auch durch kirchliche Gruppierungen und die Armutskonferenz ein; bereits die Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf im Rahmen des Begutachtungsverfahrens hatten im Jänner u.a. die Bischofskonferenz und die Caritas zu Nachbesserungsforderungen veranlasst. Die nunmehr vorgelegten „punktuellen Korrekturen“ seien jedoch nicht ausreichend, befand Landau. Denn: „Ziel der Mindestsicherungsreform sollte eine Verbesserung für armutsbetroffene Menschen sein.“ Im Ministerrat am Mittwoch beschloss die türkisblaue Regierung eine Reform der Mindestsicherung, die künftig Sozialhilfe heißen wird. Nach dem Beschluss des Grundsatzgesetzes, dem die Länder mit ihren Ausführungsgesetzen folgen müssen, gilt bis 1. Juni 2021 eine Übergangsfrist. Die ÖVP-regierten Länder äußerten Zufriedenheit mit dem deklarierten Ziel von Kanzler Sebastian Kurz, Anreize für den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu geben und Zuwanderung in „unser Sozialsystem“ zu verhindern; die SPÖ-geführten Bundesländer und die Opposition kritisierten mangelnde Einbindung in den Entscheidungsprozess und dessen Ergebnis…“
- Nicht wegschauen: Über 100 kenntnisreiche Begutachtungen zu Problemen und Folgen des Sozialhilfegesetzes
„Genau hinschauen: Vorliegendes Sozialhilfegesetz macht uns zu Bittstellern, wenn wir in soziale Not kommen – statt Existenz und Chancen zu sichern. „Wegschauen hilft nicht“, weist die Armutskonferenz auf die über hundert kenntnisreichen und genauen Begutachtungen der vorgelegten Sozialhilfe hin. (…) Besonders problematisch ist der Wegfall der Vorgabe, dass Entscheidungen am Amt maximal drei Monate dauern dürfen. So wird Soforthilfe unmöglich und Ämterwillkür Tür und Tor geöffnet. Auch die Verpflichtung, schriftliche Bescheide auszustellen, ist gestrichen. Die alte Sozialhilfe ist zurück, aber schlimmer und in Zukunft nach Bundesland zerstückelter als sie es je war. So ist keine Vereinheitlichung möglich. Es gibt keine Mindeststandards mehr, sondern nach unten ungesicherte Kann-Leistungen. Die Leistungshöhen, das Wohnen, Hilfen für alleinerziehende Eltern und Menschen mit Beeinträchtigungen – all das sind „Kann“-Bestimmungen. In der Zusammenschau mit der Beschneidung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe) bedeutet das, dass stärker sozialstaatliche, statussichernde Leistungen in mehr „almosenhafte“, paternalistische Fürsorge überführt werden. Eine Fürsorgeleistung mit weniger Rechten und großen Vollzugs-Spielräumen ist auch immer stärker mit Stigmatisierung und Abwertung verbunden. Soziale Rechte haben viel mit Würde zu tun…“ Beitrag vom 17.01.2019 von und bei der österreichischen Armutskonferenz mit weiterführenden Informationen
- [Österreich] Sozialversicherungsreform: Droht jetzt die Privatisierung des Gesundheitssystems?
„Die Gesundheit ist ein Milliardengeschäft. Und mit der Reform der Sozialversicherung wittern private Anbieter neue Möglichkeiten: Im Gesundheitsministerium und in der Sozialversicherung drängen sie darauf, profitable Einrichtungen zu übernehmen. Die Hinweise auf konkrete Privatisierungs-Pläne werden mehr. In der Sozialversicherung werden jetzt die Wünsche der Wirtschaft erfüllt. Die Regierung hat die neun Gebietskrankenkassen zu einer „Österreichischen Gesundheitskasse“ fusioniert – und dort haben die Arbeitnehmer die Mehrheit verloren. Bisher saßen in den Entscheidungsgremien vier Arbeitnehmer- und ein Arbeitgebervertreter, künftig werden es fünf Arbeitnehmer und fünf Arbeitgeber sein. Bei Stimmengleichheit entscheidet Gesundheitsministerin Hartinger-Klein. Das heißt: Obwohl kein einziger Arbeitgeber in der Gesundheitskasse versichert ist, bestimmen sie über die Gesundheitsleistungen der Beschäftigten. Das, obwohl die Unternehmer gerade mal ein Drittel der Beiträge zahlen. (…) Und die Wirtschaftskammer scheint ihre neu erworbene Macht gleich einzusetzen, um Gesundheitseinrichtungen zu privatisieren. Konkret tauchen immer mehr Hinweise auf, dass profitable Gesundheitszentren und Spitäler an private Firmen ausgelagert werden sollen. Die Wirtschaftskammer-Funktionäre drängen nicht nur innerhalb der Sozialversicherung darauf, sie lobbyieren auch im Gesundheitsministerium für Privatisierungen…“ Beitrag von Patricia Huber vom 28. Januar 2019 bei Kontrast.at
- Sozialversicherungsreform: die nationale Zerstörung eines international als vorbildlich gelobten Systems
„… IVSS-Generalsekretär Hans-Horst Konkolewsky bezeichnete die Organisation der Österreichischen Sozialversicherung als weltweit vorbildlich und kann den bevorstehenden Umbau nicht nachvollziehen. (…) First-Class-Versorgung für alle. Leistungsunterschiede zwischen den GKKs und den Sonderversicherungsträgern sind definitiv zu vereinheitlichen, um eine First-Class-Versorgung für alle zu schaffen – egal ob für BeamtInnen oder BauarbeiterInnen. Das Sachleistungsangebot muss weiter ausgebaut werden, um noch schneller helfen zu können. Ziel eines solidarischen Systems muss sein, dass alle die gleichen Leistungen bekommen. Jeder soll sich auf dieses Sicherheitsnetz verlassen können. Aber was passiert stattdessen? Die Regierung wird nicht müde, das System krank zu reden und zu behaupten, dass die Veränderungen nur Vorteile bringen. VerfassungsrechtlerInnen, RechnungshofexpertInnen, Sozialpartner, GesundheitsökonomInnen, SozialversicherungsexpertInnen und viele andere widerlegen täglich reihenweise jedes Argument und jede Zahl dieser hochgelobten Reform. Kein einziger dieser unglaublichen Beträge, die genannt wurden, lässt sich plausibel erklären oder berechnen. Das gibt die Regierung sogar unverhohlen zu. (…) Dennoch wird Mitte Dezember das neue Gesetz mit großer Wahrscheinlichkeit beschlossen. Sobald die ersten Auswirkungen spürbar werden, kommt der Zeitpunkt, an dem sich die Österreicherinnen und Österreicher eine soziale Krankenversicherung zurückwünschen, so wie wir sie heute haben. Nur dann ist es zu spät. Dieses Vorzeigesystem, um das man uns heute international beneidet, ist morgen zerstört.“ Andreas Huss vom 29. November 2018 im Arbeit&Wirtschaft-Blog des ÖGB
- „Drastische Sozialkürzung in Österreich“ von Michael Bonvalot am 02. Juni 2018 in neues deutschland fasst die Auswirkungen dieser Kürzungen so zusammen: „Nun möchte die Regierung eine neue bundesweite Regelung durchziehen. Öffentlich behaupten ÖVP und FPÖ, dass sie vor allem Menschen mit Migrationshintergrund treffen wollen. Doch tatsächlich würden auch Familien mit Kindern eindeutig zu den Verlierern zählen. Für das erste Kind soll es nur noch 25 Prozent der Leistung geben, für das zweite 15 Prozent und ab dem dritten Kind gerade noch fünf Prozent. Laut dem Netzwerk Armutskonferenz würden Familien bereits ab dem ersten Kind weniger Geld erhalten als bisher. Auch Alleinerziehende würden in mehreren Bundesländern weniger Geld bekommen. Martin Schenk von der Armutskonferenz hält etwa den angekündigten Wegfall der Mietzuschüsse für eine »Katastrophe«. »Was passiert dann mit den Leuten? Die können ja massenweise delogiert werden«, sagt Schenk gegenüber der Presseagentur APA. Ebenfalls betroffen von der Neuregelung wären Menschen ohne Pflichtschulabschluss. Teil der neuen Mindestsicherung soll ein sogenannter »Arbeitsqualifizierungsbonus« sein. Der beträgt 300 Euro, ohne Schulabschluss würde diese Summe nicht ausbezahlt. Noch unklar ist laut Tageszeitung »Heute«, ob Menschen nach der Entlassung aus der Haft Anspruch auf Mindestsicherung haben. Damit wäre die Gefahr verbunden, dass diese Menschen sofort wieder in die Kriminalität abrutschen“.
- „Armut wird bestraft“ von Simon Loidl am 30. Mai 2018 in der jungen welt über erste Reaktionen: „Unmittelbar nachdem ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache die Neuregelung der Mindestsicherung präsentiert hatten, gab es heftige Kritik an den Regierungsplänen. Die Menschenrechtsorganisation »SOS Mitmensch« sprach in einer Pressemitteilung vom »schlimmsten Armutsverschärfungspaket der Zweiten Republik«. Das Modell der Regierung lese sich »wie eine gezielte Bestrafungsaktion für Menschen, die von Armut betroffen sind. Kinder werden gleich doppelt bestraft«, so der Sprecher des Vereins, Alexander Pollak. Zum einen seien sie betroffen, wenn sie mehrere Geschwister haben, und zum anderen, wenn ihre Eltern nicht Deutsch auf Maturaniveau (Abiturniveau, jW) für Fremdsprachen können. Ähnlich äußerte sich der Geschäftsführer der Kinderhilfsorganisation »SOS Kinderdorf«, Christian Moser. Er erklärte, das neue Mindestsicherungskonzept komme einem »Programm zur Förderung von Familienarmut gleich«. Die Armutskonferenz, ein Netzwerk aus sozialen Organisationen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, machte darauf aufmerksam, dass nur »jede siebente von den Kürzungen betroffene Person asylberechtigt« ist. Die Regierung zeige auf Flüchtlinge, verschärfe aber die Bedingungen für alle: »Die ›Ausländer‹ werden ins Spiel gebracht, weil sonst die Kürzungen nicht durchsetzbar wären.« Rechtsexperten zeigten sich gegenüber österreichischen Medien skeptisch, dass das Regierungskonzept mit der Verfassung und EU-Richtlinien konform ist. Insbesondere die Schlechterstellung von Asylsuchenden und EU-Ausländern dürfte entsprechenden Regelungen widersprechen“.
- „Sozialversicherung: Gewerkschaften starten Kampagne „Mein Herz für ein soziales Österreich““ am 23. Mai 2018 beim Presseportal ots ist eine Erklärung des ÖGB zum Thema, worin es heißt: „Nachdem die Bundesregierung eine Punktation zur Reform der österreichischen Sozialversicherung vorgelegt hat, ohne jedoch genauere Pläne und Konzepte für die künftige Umsetzung zu haben, ist zu befürchten, dass eines der besten Sozialsysteme mit dem Herzstück Sozialversicherung, in akute Gefahr gerät. Deshalb werben die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) und die Gewerkschaft vida ab heute in einer breit angelegten Kampagne für den Erhalt und die Weiterentwicklung dieses Erfolgsmodells. „Vor allem die Ankündigung, durch die so genannte Reform, 1 Milliarde Euro einzusparen, ohne Leistungen für die Versicherten zu kürzen, muss die Alarmglocken schrillen lassen. Alle Personen und ExpertInnen, die mit dem System vertraut sind, sehen darin ein Ding der Unmöglichkeit“, so Barbara Teiber (GPA-djp Bundesgeschäftsführung). „Auch die Sparvorgaben für die AUVA sind völlig irreal. Werden sie umgesetzt, kommt es zu Leistungseinschränkungen in der Unfallbehandlung. Es ist verantwortungslos, diese Vorgaben ohne Konzepte für die künftige Finanzierung der Unfallbehandlung zu machen“, so der stv. vida-Vorsitzende Willibald Steinkellner“. (Hinweis: „Herzstück der Kampagnen ist die website www.herzfuersoziales.at “)
- „Sozialpartnerschaft versus Klassenkampf“ von Josef Stingl am 24. Mai 2018 beim GLB (Gewerkschaftlicher Linksblock) kommentiert dazu: „Wie erwartet, jetzt, knapp nach den Landtagswahlen in NÖ, Kärnten, Tirol und Salzburg nimmt das „schwarz-blaue Grauen“ die Fahrt auf. Und das im Eilzugstempo, die Krankenkassen sollen zu Tode fusioniert werden, dem einzigartigen Kammersystem und damit auch der gesetzlichen Interessensvertretung der Beschäftigten, der Arbeiterkammer, die Zähne gezogen und die Selbstverwaltung zerschlagen werden. Nicht zu ergessen, der 12-Stunden-Arbeitstag, die Abschaffung der Jugendvertrauensräte_innen, und, und, und… Der ÖGB hat deshalb (richtigerweiser) reagiert und eine Bundesvorständekonferenz einberufen. Wer allerdings annimmt, die gewählten Gewerkschaftsfunktionär_innen wären erwacht und hätten sich über Widerstandstrategien oder gar Kampfmaßnahmen verständigt, der irrt gewaltig. Es war bloß Show, nicht einmal Diskussion war vorgesehen und eine Resolution – sieht man vom Sozialpartnerschaftspassus ab – mit selbstverständlich richtigen Schlussfolgerungen, sowie „betrieblichen Infoveranstaltungen“ waren der Output des gewerkschaftlichen Großevents. Werden da dem KURZen und seinem STRACHErl die Knie schlottern? Die sozialdemokratischen Gewerkschafts- und Arbeiterkammer-Führungsgenoss_innen haben’s offensichtlich noch immer nicht gecheckt. Ihre hoch gepriesene Sozialpartnerschaft ist spätestens seit Schwarz-Blau 2.0 einfach nur mehr tot. Hat man „Rechts der Mitte“ bereits vor Jahren den Weg des „Kuchenteilens mit ein paar Krümeln für die arbeitende Bevölkerung“ verlassen, wollen sie jetzt auch nicht mehr auf ihre Verschlechterungspolitik mittels „Sozialer-Frieden-Deals“ setzen. Arbeiterkammer und selbstverwaltete Versicherungsträger sind hier hinderlich, sie müssen daher weg. Beides ist uns, der Arbeiter_innenbewegung, allerdings nicht tatenlos in den Schoss gefallen, sie sind nicht Ergebnis eines grünen, roten oder schwarzen Verhandlungstisches. Sie sind Ergebnis des Klassenkampfes einer geknechteten Arbeiterbewegung in der frühkapitalistischen Epoche. Erst viel später, in den Nachkriegsjahren, wurde von der Mehrheit der Gewerkschaftsführung auf Partnerschaft mit dem Kapital gesetzt. Aber selbst in den Anfängen war sie nicht konfliktfrei. Siehe als Beispiel den Oktoberstreik 1950 nach Bekanntgabe des 4. Lohn-Preisabkommens… Aber Zurück zur Gegenwart: Haben wir – einschließlich der Gewerkschaftsführung – durch die jahrzehntelang instrumentalisierte Grüne-Tisch-Politik das Kämpfen verlernt? Sind nur mehr Gewerkschaftliche-Großevent-Politik, Resolutionen und bestenfalls Online-Petitionen unsere einzigen Waffen? Ich meine NEIN! Nutzen wir daher unsere „nächste Großveranstaltung“ als Überraschungveranstaltung für die Regierung…“
Siehe dazu