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Der Streik bei Deliveroo: Britische „Selbstständige“ Radkuriere setzen ein Signal – gegen einen Boss, der keine App ist
„Was tun, wenn Dein Boss eine App ist?“ ist der Titel eines zumindest in den USA relativ breit diskutierten Artikels über Möglichkeiten gewerkschaftlicher Organisation im Zeitalter digitaler Serviceplattformen. Die Bosse der weltweiten tätigen Deliveroo-Auslieferungen (auch in der BRD) sind keine Apps, wohl aber knallharte Kapitalisten: Während sie sich selbst „frisches Geld“ besorgen und der Wert des Unternehmens steigt, haben sie sich einen Weg überlegt, dies sogar noch zu beschleunigen. Ausgaben senken, wie schon vor 200 Jahren. Natürlich: Auf Kosten der Beschäftigten. Die es selbstverfreilich gar nicht gibt, da müsste man ja vielleicht Sozialabgaben bezahlen. Also: Auf Kosten der Vertragspartner – die dann selber schauen sollen, wo sie bleiben… Statt Stundenlohn und Einsatzgeld nur noch letzteres – ungefähr halb so viel, wie bisher. Worauf in London Hunderte in den Streik traten – eine selbstverständliche Aktion, die so ungewohnt ist, dass selbst die großen Kommerzmedien darüber berichteten. Siehe dazu unsere kleine Materialsammlung „Streik 4.0 bei Deliveroo“ vom 15. August 2016
Streik 4.0 bei Deliveroo London
„Neuverpackte Scheinselbstständigkeit“ von Nina Scholz am 15. August 2016 bei der taz , worin die Ausgangslage wie folgt zusammengefasst wird: „Die FahrerInnen verdienen oft unter dem Mindestlohn – bei geringen oder gar keinen Sozialabgaben. Einerseits arbeiten sie also wie Selbstständige, andererseits fungieren sie als Angestellte, weil sie nur für einen Arbeitgeber arbeiten. Das ist klassische Scheinselbstständigkeit, neu verpackt. Start-Ups wie Deliveroo, Uber und Airbnb bieten viele Vorteile, vor allem für Menschen, die sich Verfügbarkeit und Flexibilität wünschen und auch dafür zahlen können. Doch wie man sieht, gibt es auch Verlierer in diesem Geschäftsmodell – und die rücken mit dem Streik jetzt in den Mittelpunkt der Berichterstattung. Bisher hieß es, solche prekäre Arbeit sei kaum in Arbeitskämpfen zu organisieren, die ArbeiterInnen seien zu vereinzelt oder würden in Konkurrenz zueinander stehen“
„Wilder Streik von Deliveroo Fahrer_innen“ am 11. August 2016 bei labournet.tv ist ein Kurzvideo in dessen Ankündigung es heißt: „Deliveroo Fahrer_innen protestieren vor der Firmenzentrale in London. Ihr Lohn soll von 7 Pfund pro Stunde plus 1 Pfund pro Lieferung auf einen reinen Stücklohn von 3,74 Pfund pro Lieferung abgesenkt werden. Der Manager schlägt den Fahrer_innen individuelle Gespräche vor, was die Arbeiter_innen empört ablehnen: „Wir wollen alle das gleiche: 8 Pfund pro Stunde!““
„Deliveroo Drivers Strike: Picket Outside Deliveroo Pentonville“ am 15. August 2016 auf der Facebookseite der Deliveroo-Aktiven ist ein Aktionsbericht über eine Protestkundgebung am selben Tag in Pentonville (war ursprünglich ein Live-Kanal über diese Aktion)
„Delivery firm ‘asks couriers to sign contract agreeing not to bring tribunals’“ von Marianne Calnan am 25. Juli 2016 bei CIPD ist ein Beitrag, der sehr deutlich macht, dass die Deliveroo-Bosse alles andere sind, als Unschuldslämmer: Sie wollten ihren „Partnern“ Verträge diktieren, die eine gerichtliche Klärung des Status der FahrerInnen prinzipiell untersagt
„The truth about working for Deliveroo, Uber and the on-demand economy“ bereits am 29. Juni 2016 bei der IWGB ist ein Report der Independent Workers Union of Great Britain über die Arbeitsbedingungen der (angeblich: Nicht) Beschäftigten der diversen Plattformen, in dem die Betroffenen ausführlich über ihre (miesen) Arbeitsbedingungen berichten
„‘Love the job, hate the way we’re treated’: life on the frontline of UK’s delivery army“ von Zoe Wood am 31. Juli 2016 in The Guardian ist ein Bericht über ein Gerichtsverfahren, bei dem es eben um solcherart Arbeit geht. Darin werden aber auch zahlreiche Informationen über Bedeutung und Umfang dieser Servicebranche berichtet. Das Gerichtsverfahren betrifft die Unternehmen Excel, City Sprint, Addison Lee und eCourier. Darin wird aber auch berichtet, dass die Zahl der „Selbstständigen“ (im englischen weitaus genauer self-employed) in Großbritannien jährlich um etwa 300.000 Menschen anwächst – nach offizieller Statistik 2015 nicht weniger als 4,79 Millionen Menschen…
„Deliveroo Drivers on STRIKE!“ am 12. August 2016 bei der IWGB ist die Pressemitteilung der Basisgewerkschaft über den Streikbeginn bei Deliveroo. Darin wird auch über die ersten Verhandlungen der Gewerkschaft mit dem Management berichtet, bei denen die Bosse es rundweg ablehnten, den Londoner Mindestlohn zu bezahlen
„Deliveroo STRIKE Update“ am 14. August 2016 bei der IWGB ist das bisher letzte der täglichen Streik-Updates, in dem berichtet wird, dass alle Meldungen über eine Ende des Streiks unzutreffend seien, und die Gründe dafür angeführt, weshalb die Belegschaft ein – immerhin Zustande gekommenes – Angebot des Managements abgelehnt hat. Entgegen den Berichten bei BBC und ITV, in denen die Geschäftsleitung zitiert wurde, sie werde das neue Bezahlungsmodell lediglich als freiwilligen 90 Tage Versuch betreiben, unterstreichen die GewerkschafterInnen, dass dies verbunden ist mit einer Zwangsabordnung in unbekannte Gegenden, für Fahrradkuriere ein existentielles Problem
„Deliveroo applies brakes after its riders strike for four straight days“ von Tom Mendelsohn am 15. August 2016 bei ars technica gibt die jüngsten Statements der Geschäftsleitung wieder, die sich – unter anderem – für Missverständnisse entschuldigt…