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Seit 25 Tagen Streik bei Radio France: Gegen geplante Massenentlassungen
Artikel von Bernard Schmid vom 12. April 2015
Diesen Streik, den bekommt man mit. Obwohl der damalige Staatspräsident Nicola Sarkozy im Jahr 2008 das vermeintliche Bonmot prägte: „Heutzutage bekommt man es gar nicht mehr mit, wenn in Frankreich ein Streik stattfindet“, unter Anspielung auf das damals soeben von ihm durchgebrachte Gesetz zur Einschränkung von Arbeitskämpfen bei der Bahn und in anderen öffentlichen Verkehrsmitteln. Wer Rundfunk hört, dem oder der ist nicht entgangen, dass einige der wichtigsten überregionalen Radios seit Wochen nur noch Notprogramm senden – es sei denn, er oder sie hört nur Dudelsender oder verfolgt Sensationsmedien mit niedriger Qualität wie RTL. Und wer keinen der betroffenen Radiosender hört, dürfte es dennoch in anderen Medien mitbekommen haben, wo intensiv über den Ausstand bei der öffentlich-rechtlichen Anstalt Radio France gesprochen und geschrieben wird.
25 Tage dauerte er am Sonntag bereits, der Arbeitskampf bei Radio France. Das ist eine Rekorddauer, die noch die des Ausstands vom Mai 1968 bei der Anstalt übertrifft. Ob der Rund-um-die-Uhr-Nachrichtensender France Info, der stärker auf Hintergrundinformationen ausgelegte Kanal France Inter oder das eher Intellektuelle ansprechende Kulturprogramm bei France Culture – bei ihnen allen wichen die sonst üblichen Sendeformate der meisten Zeit des Tages über Musik, die als Pausenfüller dient. Lediglich die Auswahl des Musikprogramms sorgt dabei für intensive Diskussionen. Denn manche zeigen sich genervt von den oft wiederkehrenden Titel. Auf der medienpolitischen Webseite Big Browser wurden deswegen am 07. April die LeserInnen dazu aufgerufen, Anregungen zu sammeln, um eine neue Playliste für die bestreikte Radioanstalt zusammenzustellen.
Aber worum geht es ? Mitte März dieses Jahres kamen zwei Dinge zusammen, deren Kombination keine sonderlich gute Wirkung beim Publikum und bei den Beschäftigten der Anstalt Radio France erzielte. Die Wochenzeitung Le Canard enchaîné enthüllte erste Informationen über horrende Kosten, die der junge Generalintendant – sein französischer Titel lautet Président-Directeur Général – Matthieu Gallet in nur einem Jahr Amtszeit bereits hinterlassen hat. Weiter Enthüllungen folgten. Um sein Büro renovieren und sein Dienstfahrzeug erst erneuern und dann austauschen zu lassen, verpulverte der erst 38jährige und als Karrierist verschriene Gallet allein 230.000 Euro. Zugleich lancierte er ein pharaonisches Bauprojekt mit dem geplanten Umbau des Pariser „Radiohauses“ – mehrere Hundert Arbeitsplätze sollen einer gigantomanischen EIgangshalle weichen, weshalb Hunderte von Büros extern angemietet werden müssten. Im selben Atemzug kündigte er aber auch den Abbau von, wie es damals noch hieß, „200 bis 300“ MitarbeiterInnenstellen an. Inzwischen wuchs die Zahl sogar noch.
Der offiziell am 08. April vorgelegte und durch die Regierung genehmigte Sparplan sieht vor, dass „330 bis 380“ MitarbeiterInnen gehen sollen – „freiwillig“, gegen Abfindungen oder Frührenten. Angeblich kostet die öffentlich-rechtliche Anstalt, die insgesamt gut 4.000 Menschen (viele davon prekär) beschäftigt, den französischen Staat zu viel Geld. Im Jahr beläuft sich ihr Unterhalt auf 650 Millionen Euro. Also zehn Euro pro Kopf der Bevölkerung oder achzig Cents pro Nase im Monat, wie die Internetzeitung Mediapart vorrechnete. Zu viel in Zeiten der Austeritätspolitik, heißt es nun auf vielen Kanälen. Im laufenden Jahr ist zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Minusbilanz der Anstalt vorgesehen, mit 21 Millionen Euro Defizit. Kein Wunder, denn die staatlichen finanziellen Zuwendungen sanken rasant: minus 8,6 Millionen im Jahr 2012, minus 47,8 Millionen Euro in 2014. Das ist vorwiegend eine Folge der Umschichtung von Mitteln. Präsident Sarkozy kündigte 2008 an, die Werbung aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu verbannen. Eine demagogische Maßnahme, die irgendwie kommerzkritisch wirken sollte, aber im Geheimen das Ziel verfolgte, die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten zugunsten von Privatsendern finanziell auszutrocknen. Die jetzige Regierung sprang nun aber finanziell ein und stopfte die aufgegangenen finanziellen Löcher bei den Fernsehsendern – nur jedoch zu Lasten der öffentlich-rechtlichen Radios.
Der Rechnungshof, der die Staatsfinanzen kontrolliert, 735 Richter beschäftigt und jährlich 214 Millionen Euro kostet, trat nach und wollte die Sparpläne noch verschärfen. So schlug er vor, die drei Radioredaktionen unter dem Dach von Radio France, die sehr unterschiedliche Sender betreiben, einfach zu verschmelzen und auch die beiden Orchester im Haus zusammenzulegen. Dieses Vorhaben ist nun wieder vom Tisch, aber zugunsten eines Arbeitsplätzeabbaus in den bestehenden Strukturen.
Der Medienrat CSA wählt den Generalintendanten für fünf Jahre. Laut Informationen des Canard enchaîné lagen die Bedingungen, unter denen der Jungkarrierist Gallet Anfang 2014 gewählt wurde, teilweise nahe an aktiver Bestechung einiger seiner Mitglieder mit teuren Einladungen und Reisen, die durch Gallets damaliges Amt beim Filminstitut INA finanziert wurden – wo er im Übrigen eine Million Euro für Beraterverträge ihm persönlich zuarbeitender extrerner Mitarbeiter, ohne öffentliche Ausschreibung, verpulvert haben soll.
Der Rat könnte ihn auch wieder absetzen. Er lässt jedoch Gallet, der im „eigenen“ Haus derzeit reichlich diskreditiert ist und dessen Absetzung durch das Votum einer Personalversammlung gefordert wurde, zappeln. Hintergrund scheint zu sein, dass der CSA seine Wahl vom vorigen Jahr nicht infrage stellen möchte, um keinen Autoritätsverlust hinnehmen zu müssen, da er sich auf eine neue, strategisch bedeutende Wahl vorbereitet: Im Mai dieses Jahres muss unter 33 BewerberInnen der künftige Generalintendant der Fernsehanstalt France Télévisions ausgewählt werden.
Der CSA ist mehrheitlich konservativ besetzt, seine Mitglieder wurden noch unter Altpräsident Sarkozy ernannt. Deswegen weisen die amtierende sozialdemokratische Regierung, deren Kulturministerin Fleurin Pellerin ihrerseits eine Aufsichtsfunktion über öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen innehat, und der konservative Bürgerblock sich derzeit gegenseitig Schuldvorwürfe zu. Pellerin würde ihrerseits das Desaster gerne allein dem CSA ankreiden und ihn damit hängen lassen, um seine Einflussnahme auf die bevorstehende Wahl des TV-Chefs zu schwächen und der Regierung die Initiative zu überlassen. Doch die stärkste Oppositionspartei UMP und ihr Chef Nicolas Sarkozy haben sein Anfang April die Probleme als Kampagnenthema entdeckt und schwärzen die Regierung wegen des von ihnen so genannten „Staatsskandals bei Radio France“ an. Sarkozy legte gerade an diesem Wochenende noch einmal eine Schippe drauf und agitierte heftig gegen die Unfähigkeit der Regierung, aber auch gegen die „zu mächtigen, und in ihrer Rckwärtsgewandtheit eingeschlossenen Gewerkschaften“ bei Radio France.
Mehrere der beim Personal vertretenen Richtungsgewerkschaften unterstützen den Streik, darunter etwa die linke Basisgewerkschaft SUD und die CGT, aber auch und sogar die sozialdemokratische – und ansonsten eher streikfeindliche – CFDT. Lediglich die „unpolitische“ JournalistInnengewerkschaft SNJ, die die stärkste Einzelorganisation dort bildet, hält sich von Anfang an aus dem Streik und den Vollversammlungen des ausständischen Personals weitgehend heraus. Aber auch ihre Chefin Valeria Emanuele (vom SNJ Radio France) formulierte in einem Gastbeitrag für Le Monde heftige Kritik an Anstaltsintendant Gallet und daran, dass man die Lohnabhängigen als schuldig an der finanziellen Misere hinstellen wolle. Doch der SNJ grenzt sich auch von der „Konfrotationshaltung“ der übrigen Gewerkschaften ab. Etwa, nachdem diese eine Betriebsratssitzung am 08. April platzen ließe: Nachdem die Leitung ihre Pläne zum Arbeitsplatzabbau gegenüber ursprünglichen Ankündigungen noch verschärft statt abgemildert hatte, standen sie auf und boykottierten die restliche Sitzung.
Kulturministerin Fleure Pellerin verkündete nun am vergangenen Donnerstag lautstark, der Streik habe „schon zu lange gedauert“. Die Regierung setzte daraufhin einen Vermittler ein, in Gestalt des vormaligen Kabinettsberaters unter dem konservativ-wirtschaftsiberalen Premierminister Jean-Pierre Raffarin in den Jahren 2002/03, Dominique Jean-Chertier. Üblicherweise schreibt man Vermittlern ein mehr oder minder neutrales Profil zu. Jenes von Chertier ist jedoch aus gewerkschaftlicher Sicht alles andere als neutral. Der „Sozialexperte“ ist kein unbeschriebenes Blatt, sondern leitete als Direktor der Arbeitslosenkasse UNEDIC in den 1990er Jahren zwei regressive „Reformen“ persönlich, darunter die starke Absenkung der Erwerbslosenunterstützung zu Anfang jenes Jahrzehnts. Zuvor war er als Manager an der „Umstrukturierung“ von Unternehmen wie Renault, Sacilor und Air Internet mit teilweise beträchtlichem Personalabbau beteiligt. Eine seltsame Wahl für eine sozialdemokratisch geführte Regierung.
Ob und unter welchen Bedingungen die „Vermittlung“ aufgeht, wird sich in den kommenden Tagen herausschälen müssen…