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Carajás – ein Entwicklungsmonster auf dem Vormarsch

Dossier

Grande Carajás, Foto von Marcelo Cruz

Foto von Marcelo Cruz

Unter der zivil-militärischen Diktatur wurde in den 80er Jahren das Programa Grande Carajás als ein Entwicklungsprojekt für die Region Carajás (Teile der Bundesstaaten Maranhão, Pará und Tocantins) in der östlichen Amazonasregion geschaffen. Unter „Entwicklung“ wurde die Ausbeutung der lokalen Eisenerzvorkommen durch das damals noch staatlich kontrollierte Unternehmen Vale do Rio Doce, die Schaffung einer breiten und auf den Export der Rohstoffe angelegten Infrastruktur, welche unter anderem die 892 km Schiene umfassende „Estrada de Ferro“ (Eisenstraße), einen Hafenkomplex in São Luis, ein Autobahnnetz sowie die Installation von Eisen- und Stahlöfen entlang der Strecke beinhalten. Diese „Entwicklung“ des Bergbaus, den für die Energiegewinnung notwendigen Staudammprojekten, der Eisen- und Stahlindustrie, der darum herum entstehenden Holzkohleproduktion und Eukalyptusmonokultur, sowie der schnell voran getriebenen Entwaldung und dem Vormarsch der Viehindustrie und agroindustriellen Landwirtschaft haben die Region auf irrevesible Art und Weise geprägt. Derzeit treibt die inzwischen privatisierte und zu einem der größten transnationalen Bergbauunternehmen avancierte Vale S.A. aber derzeit die Eröffnung einer weiteren Mine, sowie den Ausbau der Eisenstraße und des Hafens im Rahmen des Projektes „Ferro Carajás S11D“ voran. Seit dem Beginn dieser „Entwicklungsprojekte“ ist die Region von Konflikten, Widerständen und Protest, aber auch von Repression und Gewalt geprägt. Indigene und „Quilomba“ – Bewegungen sowie die Landlosenbewegung kämpfen gegen die Konzentration des Landbesitzes und Umweltzerstörung und für den Erhalt traditioneller und ökologischer Landwirtschaft; Gewerkschaften und Menschenrechtsbewegungen klagen entwürdigende Arbeitsbedingungen an; urbane Bewegungen kämpfen für ein würdiges Leben in den Stadtteilen der schnell und chaotisch gewachsenen urbanen Zentren, sowie gegen Korruption und für soziale Rechte. Im Rahmen der aktuellen Entwicklungen verschärfen sich bestehende Konflikte und es kommen neue hinzu. Siehe eine Textsammlung, zusammengestellt, redigiert, mit Anmerkungen versehen und zum Teil übersetzt von Lisa Carstensen:

  • Interview mit einem Aktivisten der Oppositionsbewegung gegen das Entwicklungsmonster CarajásNew
    Oppositionsbewegung gegen das Entwicklungsmonster Carajás, Foto von Marcelo CruzUnter der zivil-militärischen Diktatur wurde in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Programa Grande Carajás als ein Entwicklungsprojekt für Teile der Bundesstaaten Maranhão und Pará in der östlichen Amazonasregion geschaffen. Unter „Entwicklung“ verstand man die Ausbeutung der örtlichen Eisenerzvorkommen durch das damals noch staatlich kontrollierte Unternehmen Vale do Rio Doce. Heute treibt die privatisierte und zu einem der größten transnationalen Bergbauunternehmen avancierte Vale S.A. die Eröffnung einer weiteren Mine sowie den Ausbau der Eisenstraße und des Hafens mit dem Ziel der Verdopplung der Fördermenge voran. Dieses Projekt wird von Konflikten, Widerständen und Protesten, aber auch von Repression und Gewalt begleitet. Indigene und Quilombo-Gruppen sowie die Landlosenbewegung kämpfen gegen die Konzentration des Landbesitzes und gegen die Umweltzerstörung und treten ein für den Erhalt traditioneller und ökologischer Landwirtschaft. Gewerkschaften und Menschenrechtsbewegungen klagen entwürdigende Arbeitsbedingungen an, während städtische Bewegungen für ein würdiges Leben sowie soziale Rechte kämpfen und gegen die Korruption eintreten“ – die Einleitung von Lisa Carstensen zu ihrem Interview „Carajás: Unstillbarer Hunger nach Eisenerz“ mit Dario Bossi (Justiça nos Trilhos – wäre: Gerechtigkeit auf den Schienen) in den Brasilien Nachrichten Nr. 151 von Juli 2015 – wir danken Autorin und Redaktion für den Abdruck (und verweisen alle an Brasilien interessierten Menschen auf die Webseite der Brasilien Nachrichten externer Link, wo es je Infos zur neuesten Ausgabe und vieles mehr gibt). Siehe dazu auch den
  • Brief eines Aktivisten an seinen EnkelNew
    „Brief von Edvard an seinen Enkel“  ist der Bericht und Begründung seiner Haltung eines vom Projekt Betroffenen (in deutscher Übersetzung vom Juli 2015 sowie im portugiesischen Original), der so beginnt: „Edvar lebt in einem kleinen Stadtteil am Rande von Açailândia, tief im Landesinneren von Maranhão. Leider kann er sein Schicksal bis heute nicht selbst bestimmen. Er wohnt an einem Ort, an dem niemand gerne leben möchte. Dabei gefiel ihm Piquiá anfangs sehr. Der Name ist angelehnt an einen der höchsten Bäume der Region, Pequi, welcher wohlschmeckende Früchte trägt. Ein paar Jahre später zog jedoch ein neuer Nachbar in die Region. Die sogenannte “Entwicklung” erhielt Einzug in Piquiá und änderte sogar den Namen des Stadtteils in “Pequiá”, das Akronym für Petrochemie Açailândia
  • Grande Carajás, Entwicklungsprojekte und Konflikte in Maranhão
    Der Aufsatz  von Horácio Antunes de Sant’Ana Júnior und Bartolomeu Rodrigues Mendonça  dient der Vorbereitung eines Debatten- und Aktionsseminars, dessen letzter Teil vom 5.-9. Mai 2014 in São Luis stattfinden wird.
    Lisa Carstensen: CarajasAus dem Text:„… Unter dem Deckmantel der “Moderne” und im Rahmen eines Diskurses, der eine Milderung der Folgen, Arbeitsplätze, Entwicklung, Bildung und Verbesserung der Lebensbedingungen verspricht, ist weiterhin eine Bedrohung von Lebensweisen durch neue und alte Akteure, welche in erster Linie die verletzlichsten sozialen Gruppen trifft, zu beobachten. Die Expansion der Eukalyptusplantagen und die Überfischung der Gewässer bedrohen Bauer_innen und quilombolas, die illegale Extraktion von einheimischem Holz invadiert indigene Gebiete und zerstört die natürlichen Ressourcen, welche noch geblieben sind. Die irreguläre Produktion von Holzkohle für die Eisenproduktion treibt die Überausbeutung der Wälder und der Menschen voran, hier gibt es unzählige Fälle moderner Sklavenarbeit. Inzwischen versuchen viele der bedrohten sozialen Gruppen, aus der Unsichtbarkeit herauszutreten und ihre Rechte geltend zu machen…“
    Siehe dazu auch das portugiesische Original: Grande Carajás, projetos de desenvolvimento e conflitos no Maranhão
  • Seminário Internacional Carajás 30 anos
    Carajás - ein Entwicklungsmonster auf dem VormarschDas Internationale Seminar „Carajás 30 anos“ ist ein breiter Mobilisierungsprozess, an welchem Akademiker_innen und sozialen Bewegungen aus verschiedenen Ländern beteiligt sind. Eine Reihe von Vorbereitungsveranstaltungen in Imperatriz, Maranhão, Marabá, Pará, Santa Inés, Maranhão, Belém, Pará (09.04.-11.04.2014) gingen der Abschlussveranstaltung in São Luis, welche vom 05.-09.05.2014 stattfinden wird voraus. Diese Veranstaltungen knüpfen an das „Seminario Consulta Carajás“ an, welches in den neunziger Jahren von sozialen Bewegungen und Akademiker_innen unter internationaler Beteiligung organisiert worden war, und einen breiten Diskussions- und Mobilisierungsprozess auslöste. Siehe dazu die Webseite des Seminars Seminario Carajas externer Link mit der (portugiesischen) ausführlichen Präsentation und weiteren Texten
  • Vale: Bergbau um jeden Preis
    Vale S.A. ist das weltweit zweitgrößte Bergbauunternehmen, welches in 38 Ländern aktiv ist. Die rohstoffreiche Region Carajás stellt einer der wichtigsten Förderorte für Vale S.A. dar, hier werden 119 Millionen Tonnen Eisenerz jährlich gefördert, der Ausbau im Rahmen des Projektes Ferro Carajás S11D sieht eine Verdopplung der Förderung vor.

  • Der Kampf der Bewohner_innen von Piquiá de Baixo
    Piquia de BaixoEin Beispiel für einen besonders markanten Konflikt ist der Widerstand des Stadtteils Piquiá de Baixo in Açailândia. In den achtziger Jahren erlebten die Anwohner die plötzliche Installation von insgesamt 5 Eisenöfen in ihrer direkten Nachbarschaft sowie die Verlegung der Schienen des Zuges der Eisenstraße entlang ihrer Häuser. Seitdem sind die ca. 1 1000 Einwohner_innen der permanenten Luftverschmutzung und den daraus resultierenden Lungenschäden und Todesfällen ausgesetzt, der Zug verursacht regelmäßig Unfälle und tödliche Personenschäden. Seit 2008 kämpfen die Bewohner_innen darum, auf ein Ausweichsgelände umgesiedelt zu werden. Siehe Piquiá de Baixo externer Link – die Webseite eines Stadtteils im Widerstand, in mehreren Sprachen, eine ganze Fülle von Texten, die deutlich machen, warum der Widerstand überlebensnotwendig ist
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=57669
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