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Gestamp – eine Belegschaft kämpft (nicht nur gegen die Entlassungspläne des Unternehmens)

Dossier

Gestamp – eine Belegschaft kämpft (nicht nur gegen die Entlassungspläne des Unternehmens)69 Kollegen sollten es diesmal sein, die vom (spanischen) Autozulieferer Gestamp (in Escobar, Provinz Buenos Aires – eine der Teilfirmen ist etwa auch in Bielefeld) entlassen werden sollten.  Nur – die hatten den Kanal voll und besetzten die Fabrik und riefen, erfolgreich, demokratische Gruppen, linke Parteien und vor allem die Belegschaften benachbarter Werke zur Solidarität auf – weswegen, trotz Polizeiaufmarsch und wilder Drohungen, auch von Seiten der Metallgewerkschaft Smata, die Aktion insofern erfolgreich war, als sie das normale Schlichtungsverfahren erzwang (was bedeutet, dass die Entlassenen an dem Verfahren teilnehmen, also eben nicht als entlassen gelten). Das Unternehmen, der Provinzgouverneur und die Smata versuchen nun, diesen „legalen Gang der Dinge“ zu unterlaufen, was die Solidaritätsaktivitäten erst recht befördert hat. Der (Foto)Bericht Trabajadores despedidos ingresaron a la fábrica Gestamp externer Link von ANred am 27. Mai 2014 bei argentina indymedia gibt davon Eindrücke. Siehe dazu auch:

  • Der Kampf geht weiter – die Hetze auch
    Gestamp – eine Belegschaft kämpft (nicht nur gegen die Entlassungspläne des Unternehmens)Die ganze Woche über gab es zahlreiche öffentliche Aktionen der Gestamp – Belegschaft und der wachsenden Zahl sie unterstützender Gruppierungen – seien es Straßenblockaden oder Demonstrationen. Hier der Bericht Por la reincorporación de despedidos de Gestamp externer Link bei der Agencia Walsh am 10. Juni 2014 der sich um eine Straßenblockade dreht
  • Ford y Gestamp 38 años después: “no sé si son activistas” externer Link – ein Bericht von La Olla TV (hier am 08. Juni 2014 beim argentinischen indymedia) worin, aus Anlaß des beginnenden Prozesses gegen Manager von Ford (weil sie der Militärdiktatur ein Zentrum auf dem Werksgelände und Daten über Beschäftigte zur Verfügung stellten) die Ähnlichkeit in der politischen Argumentation der Gewerkschaft Smata damals und heute hervorgehoben wird („ein paar wenige Aktivisten dürfen nicht Tausende daran hindern, in Freiheit zu arbeiten“) – und ihre Rolle in der gesamten Autobranche kritisiert
  • “Los infiltrados son los burócratas sindicales” externer Link – ein Interview bei der PTS mit zwei ihrer gewerkschaftlichen Aktivisten am 12. Juni 2014, die auf den Vorwurf des SMATA Bosses Pignanelli, bei Gestamp seien nur eingeschleuste Radikale am Werk antworten, die einzigen in die Gewerkschaftsbewegung eingeschleusten seien die Bürokraten
  • Gobierno en alerta por avance gremial de la izquierda externer Link von Mariano Confalonieri am 08. Juni 2014 bei Perfil, worin berichtet wird, die Regierung sei besorgt über den wachsenden Einfluss der Linken vor allem in den betrieblichen GremienGestamp – eine Belegschaft kämpft (nicht nur gegen die Entlassungspläne des Unternehmens)
  • SMATA CONTRA TRABAJADORES DE GESTAMP – unter diesem Titel hat die Menschenrechtsgruppierung CEPRODH seit dem 30. Mai 2014 eine Unterschriftensammlung gegen das Verhalten der Gewerkschaftsbürokratie der SMATA externer Link begonnen, die nicht nur bereits von sehr vielen Menschen unterzeichnet wurde, sondern vor allem auch von betrieblichen Gewerkschaftskomitees unterstützt wird
  • „Die Handschrift der Repression der siebziger Jahre“. Kommentar von Eduardo Fachal vom 4.6.2014, Vorspann und Übersetzung von Gaby Weber
    Derzeit finden in der argentinischen Automobilindustrie zahlreiche Streiks statt, der Absatz stockt, die Firmenleiten reagieren mit Kündigungen und Früh-Pensionierungen. Eines der Zentren ist der Zulieferer Gestamp, mit spanischem Kapital. Der Chef der Automobil-Gewerkschaft SMATA, Ricardo Pignanelli, hat sich von Anfang an auf die Seite der Arbeitgeber gestellt, ebenso die Regierung, die jetzt einen bereits verabredeten Gütetermin aufgehoben habe, da es sich beim Streik – und der folgenden Besetzung des Betriebes – nicht um eine Gewerkschaftsaktion gehandelt habe sondern um „private Probleme“. Smata, Verbündete der peronistischen Regierung von Cristina Fernández de Kirchner, die sich im Ausland gerne einen linken Anstrich gibt, hat die Kündigung mehrerer Arbeiter, die das von der Firmenleitung vorgelegte Konzept abgelehnt haben, gefordert.
    Dies ist die Handschrift der Repression der siebziger Jahre, meint Eduardo Fachal, damals Betriebsrat bei Mercedes-Benz. Nach dem Militärputsch verschwanden dort 14 Arbeiter, Fachal vertritt heute die Hinterbliebenen, wir haben mehrfach über den Konflikt berichtet. Damals arbeitete Smata ebenfalls Hand in Hand mit der Repression. Wiederholt sich die Geschichte? Sein Bericht erreichte uns aus Buenos Aires.

Im Oktober 1975, nach dem 23-Tage dauernden Streik bei Mercedes-Benz, wurde ein neuer Betriebsrat und die Vertrauensleute von 4.000 Beschäftigten gewählt. Der damalige Generalsekretär von SMATA, der „Fettkloss“ José Rodriguez, veröffentlichte daraufhin in der Zeitung Clarín eine grosse Anzeige mit seiner Unterschrift und beschuldigte die Vertrauensleute als „zersetzt von der Subversion.“ Das kam damals, in Zeiten der Todesschwadron, einem Todesurteil gleich.

Monate nach dem Militärputsch, wurden 14 dieser Delegierten und Betriebsräte verschleppt, ihre Namen waren von der Gewerkschaft übergeben worden, wie aus verschiedenen Archiven weltweit hervorgeht.

Später mußte Rodriguez vor dem Wahrheitstribunal in La Plata als Zeuge aussagen und ihm wurde ein Brief mit seiner Unterschrift an den Minister von Isabel Perón, Corvalan Nanclares, gezeigt, in dem er mehr Entlassungen bei Mercedes Benz während des Streiks forderte; er bestätigte, dass er diesen Brief unterschrieben habe, wollte sich aber nicht an die verschwundenen Arbeiter von Mercedes-Benz erinnern, „weil ich für so viele Fabriken zuständig war und nicht jedes Detail von jedem kennen kann.“

Gestamp – eine Belegschaft kämpft (nicht nur gegen die Entlassungspläne des Unternehmens)Heute, 2014, spricht sein Nachfolger bei SMATA, Ricardo Pignanelli. Er kommt von Mercedes-Benz, hat aber nicht an den Kämpfen von 1975 teilgenommen, sondern während der anschließenden Repression in der Fabrik dort Karriere gemacht. Für Kollegen hat er sich niemals eingesetzt.

Wie Rodriguez wirft er der PO (Partido Obrero) und der PTS (zwei trotzkistische Parteien) vor, hinter dem Streik zu stehen. Er macht also diese linken Parteien für den Konflikt verantwortlich, – früher hiess es „zersetzt von der Subversion“ –  und nicht den Arbeitgeber. Die Fabrik wurde zwangsgeräumt und Smata setzte sich nicht für die Entlassenen ein. Die Arbeiter wurden bedroht, auch von der Gewerkschaft. Wenn sie könnten, würden sie sicherlich die Militärs rufen.

Der „Fettkloss“ Rodriguez ist inzwischen tot, nicht einmal ein Verfahren wegen Geldwäsche brachte ihn ins Gefängnis. Ihm wurden einige Konten in der Schweiz mit vielen Dollars nachgewiesen – was er uns Arbeitern gestohlen hat. Es ist an der Zeit, diesen neuen Fettkloss Ricardo Pignanelli aus der Gewerkschaft zu werfen. Pignanelli sagt, wenn die entlassenen Arbeiter ihre Forderungen durchsetzen, wird das Unternehmen die in Argentinien getätigten Investitionen abziehen und das Land verlassen (siehe P12 vom 03.06.14).

Es ist immer das gleiche: Im Januar dieses Jahres wurde vor dem US Supreme Court über das Begehren der Angehörigen der Verschwundenen von MBA verhandelt und mehrere Finanz- und Industrieverbände (darunter der BDI, DIHK und die Vereinigung der schweizerischen Bankiers) hatten mit einem amicus curiae Brief mit dem gleichen Argument gedroht: ausländische Geschäftsleute würden nicht mehr investieren, wenn das Verfahren gegen Daimler eröffnet wird. Pignanelli, der ideologische Sohn von Jose Rodriguez, macht die Schmutzarbeit.

Ich erzähle dies als ein ehemaliger Mitarbeiter von Mercedes -Benz, Vertrauensmann im Jahr 1975, Betriebsrat 1976, als meine Kollegen Esteban Reimer und Victor Ventura verschleppt und ermordet wurden. Ich beschuldige als Rechtsanwalt im Fall 4201 die Manager von Mercedes-Benz, vor allem Juan Ronaldo Tasselkraut, Komplizen der Diktatur gewesen und an den Morden und an den Aneignungen von Kindern von Regimegegnern mitgeholfen zu haben. In Abendkursen habe ich Jura studiert, um Gerechtigkeit zu fordern.

Ich weiß, wer der Fettkloss Rodriguez war, ich weiß, wer Ricardo Pignanelli ist.

(Kommentar von Eduardo Fachal vom 4.6.2014, Vorspann und Übersetzung von Gaby Weber)

Siehe zum Hintergrund im LabourNet-Archiv:die Verschwundenen von Mercedes-Benz Argentinien

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=59669
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