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[Buch] Lügen die Medien? Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung
„Ein neues Buch aus dem Rubikon-Umfeld geht der Frage nach: Lügen die Medien? Zu Wort kommen die Journalisten Walter van Rossum, David Goeßmann, Ulrich Teusch, Volker Bräutigam, Ulrich Tilgner, Stephan Hebel, Werner Rügemer und Eckart Spoo. Die Wissenschaftler Noam Chomsky, Daniele Ganser, Rainer Mausfeld, Uwe Krüger, Jörg Becker, Michael Walter, Erich Schmidt-Eenboom, Klaus-Jürgen Bruder und Kurt Gritsch. Sowie mit Maren Müller, Hektor Haarkötter, Sabine Schiffer, Gert Hautsch, Rainer Butenschön, Markus Fiedler und Daniela Dahn wichtige Stimmen aus der Zivilgesellschaft. (…) Eine umfassende und vielstimmige Medienkritik tut daher not. Eine Kritik, die den Bürgern die „intellektuellen Waffen“ (Pierre Bourdieu) an die Hand gibt, derlei Ausflüchte und Entmündigungsversuche als das zu erkennen, was sie sind: Versuche psychischer Manipulation. Eine Medienkritik also, die für die Bürger Partei ergreift und sich bewusst ist, dass „die Propaganda für die Demokratie (dasselbe ist) wie der Knüppel für einen totalitären Staat“ (Noam Chomsky). Jens Wernicke hat mit zahlreichen Medienexperten über die verschiedenen Facetten der Krise gesprochen und sucht nach Lösungen und Auswegen. Das Resultat ist ein unverzichtbares Kompendium der Medienkritik…“ Buchankündigung von Jens Wernicke vom 21. Juli 2017 bei Rubikon mit vielen lesenswerten Statements der Autoren aus dem Buch, zu dem wir hier weitere Informationen liefern:
- Einige Interviews aus dem Buch „Lügen die Medien?“ nun bei Rubikon
- Warum den Medien nicht zu trauen ist
„Herr Krüger, nachdem Sie mit »Meinungsmacht« im Jahr 2013 ganz schön für Furore gesorgt haben, haben Sie mit dem Buch »Mainstream: Warum wir den Medien nicht mehr trauen nachgelegt. Warum dieses Buch? Was war Ihre Motivation? Uwe Krüger: Im Jahr 2014, mit der Annexion der Krim durch Russland, brach eine wohl schon länger schwelende Vertrauenskrise zwischen großen Medien und Mediennutzern offen aus. Sehr viele Nutzer stellten die Deutungsmuster der Berichterstattung in Frage, und die Aufregung wurde damals befeuert von Daten aus meiner Dissertation zu Journalisten in US-nahen Elitennetzwerken, welche durch Alternativmedien wie Telepolis und die NachDenkSeiten sowie durch die ZDF-Satiresendung »Die Anstalt« weite Verbreitung fanden. In meinem Buch versuche ich zu erklären, warum sowohl Leser der NachDenkSeiten als auch Pegida-Anhänger den großen Medien das Vertrauen entzogen haben – und zugleich empathisch mit den Journalistinnen und Journalisten zu sein, die in der Vertrauenskrise oft etwas ratlos aussehen und überzeugt sind, einen guten Job zu machen. Diesmal geht es ja weniger um Elitennetzwerke, sondern um das, was wohl jedermann wahrzunehmen vermag: dass der Korridor der veröffentlichten Meinung inzwischen so schmal ist wie kaum je zuvor. Von medialer Pluralität kann bei vielen Themen inzwischen keine Rede mehr sein, und gerade in Bezug auf Krieg und Frieden sowie Arm und Reich gibt es kaum mehr Abweichungen zur Eliten-Propaganda…“ Interview mit Uwe Krüger von Jens Wernicke seit 17.08.2018 bei Rubikon - Viele Wahrheiten sind zu unangenehm
„Herr Tilgner, Sie waren einer der prominentesten deutschen Auslandskorrespondenten, haben vor einigen Jahren aber mit dem Journalismus im Land gebrochen und sind, was die Arbeit angeht, in die Schweiz ausgewandert. Die Eingriffe in Ihre Arbeit waren für Sie nicht länger hinnehmbar, wie man hört. Wie kam es dazu? Was war das Problem? Ulrich Tilgner: Es gab ein Grundproblem und einen Auslöser. Letzterer war eine eigentlich banale Geschichte: Am 18. August 2007 wurde mittags die Deutsche Christina M., die für die Organisation Ora International in Afghanistan arbeitete, aus einem Restaurant in Kabul entführt. Wie gewünscht habe ich am selben Abend für das »heute journal« des ZDF einen kurzen Beitrag gefertigt. Doch anders als vor allem die Kollegen der konkurrierenden Privatsender habe ich nicht über eine Verfolgungsjagd der Polizei berichtet, bei der ein unbeteiligter Taxifahrer erschossen wurde. Mir war bedenklich, dass die angebliche Verfolgungsjagd erst zwanzig Minuten nach der Tat begann. (…) Doch die Kritik an meiner Berichterstattung über die Entführung war nur der Auslöser. Das eigentliche Problem war grundsätzlicher: In den deutschen Medien wurde das Scheitern des Westens im Mittleren Osten – also in Irak und Afghanistan – schöngeredet. Anstatt die jährlichen Bundestagsdebatten über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan mit kritischen Berichten von vor Ort zu begleiten, wurden jene Debatten wiedergegeben, in denen das Auftreten der deutschen Soldaten fast ausschließlich positiv dargestellt wurde. Berichterstatter, die Bundeswehrsoldaten zu Helfern stilisierten, wurden sogar vom Einsatzführungskommando in Potsdam gesponsert. Dadurch blieben die Darstellungen über den Militäreinsatz der Streitkräfte westlicher Staaten, der Afghanistan tief zerrüttet hat, weitgehend unkritisch. Der Einsatz der Bundeswehr sollte nicht als Schritt auf dem Weg zum Umbau in eine Offensivarmee verstanden werden können. In einem derartigen Berichtsumfeld wollte ich nicht mehr arbeiten, zumal ich spürte, wie ich von bestimmten Redaktionen gemieden und übergangen wurde…“ Interview mit Ulrich Tilgner von Jens Wernicke seit 16.08.2018 bei Rubikon - Wenn Regierungen lügen und Medien mitmachen
“… Aber ist Medienkritik nicht per se »rechts«? Also etwa die Rede von der »Lügenpresse«; ein Wort, das ja zum »Unwort des Jahres« 2014 erklärt worden ist… David Goeßmann: Es hat immer auch eine Kritik an den Medien gegeben, dass sie zu »links«, zu »liberal« seien. Im politischen Mainstream wird dieser Mythos permanent evoziert, um Grenzen zu markieren und Meinungs-»Exzesse« schon im Keim zu ersticken. Aber es gibt die Vorwürfe auch von außerhalb – mit einer ähnlich kruden Vorstellung von »Liberalität«. Das Pegida-Wort »Lügenpresse« ist natürlich ein Geschenk für jene, die fundierte Kritik auf Distanz halten wollen. Denn wer das Grundvertrauen in Süddeutsche, Spiegel & Co. infrage stellt, darf keine Liebkosungen erwarten. Mächtige gesellschaftliche Institutionen haben kein Interesse daran, infrage gestellt zu werden. Das gilt auch für moderne Massenmedien. Wer in den 1960er Jahren den Vietnamkrieg und die Rolle westlicher Medien kritisierte, wurde als »antiamerikanisch« diskreditiert. Wer den offiziellen Diskurs über die »Angriffe auf den Wohlfahrtsstaat« attackiert, ob nun als Agenda 2010 oder »Griechenlandrettung« maskiert, dem werden ideologische Kreuzzüge unterstellt. Bei der Ukraine-Krise landet man schnell neben Putin und Menschenrechtsverletzungen, früher waren es Stalin und der Gulag. Bei der Kritik an den Massakern der israelischen Regierung im Gazastreifen und deren medialer Präsentation wird rituell eine neue »Welle von Antisemitismus« ausgemacht. Und wer nach 9/11 in Vorbereitung auf den US-geführten Luftkrieg gegen Afghanistan nur leicht vom offiziellen Meinungskurs abwich, fand sich als Terroristen-Versteher einsortiert. Wir erinnern uns noch an die Demutsgeste, die der damalige »Tagesthemen«-Moderator Ulrich Wickert machen musste, weil er es gewagt hatte, in einem Interview auf die Bush-Kritik der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy hinzuweisen. Die damalige CDU-Vorsitzende Angela Merkel stellte in der Bild-Zeitung daraufhin fest, dass Wickert damit »absolut nicht mehr tragbar als Nachrichtenmoderator im öffentlich-rechtlichen Fernsehen« sei. Wickert hatte schlicht missverstanden, dass eine im Feuilleton der Frankfurter Allgemeine Zeitung publizierte »Außenansicht« noch lange nicht bedeutet, dass sie auch zitierfähig ist. Und heute eben der Verweis auf »Lügenpresse«, Pegida, Deutschnationale oder rechte Verschwörungstheoretiker. Alles nicht überraschend und schon gar nicht neu. Die wirksamste Waffe ist aber, unangenehme Medienkritik einfach zu ignorieren.“…“ Interview mit David Goeßmann von Jens Wernicke seit 15.08.2018 bei Rubikon - Öffentlich-rechtlicher Gesinnungsjournalismus
“…Was sind die krassesten Blüten, die diese Entwicklung inzwischen treibt? Was hat Sie besonders geärgert und bewegt? Volker Bräutigam: Als voriges Jahr die Empörung über das tödliche US-Bombardement auf ein Krankenhaus der »Ärzte ohne Grenzen« im afghanischen Kundus überlaut wurde, lieferten »Tagesschau« und »Tagesthemen« flugs Filmberichte über einen angeblichen russischen Bombenabwurf in Syrien. Eine glatte Fälschung, wie sich wenig später herausstellte. Verteidigungsministerium und Außenministerium in Moskau legten überprüfbare Bildbeweise und Dokumente vor, die das angeblich zerstörte Krankenhaus Tage danach in völlig unbeschädigtem Zustand zeigten. Sie forderten die westlichen Regierungen auf, den Gegenbeweis anzutreten. Der erfolgte natürlich nicht, er konnte nicht erfolgen. Was aber hätte erfolgen müssen, wäre eine entsprechende Richtigstellung in »Tagesschau« und »Tagesthemen« gewesen, die jedoch unterblieb. »ARD-aktuell« saß, wie es schien, einer antirussischen Falschmeldung »westlicher« Nachrichtenagenturen auf und unterdrückte später die notwendige Korrektur. »Östliche« Quellen, wie beispielsweise »Sputnik News« oder »Russia Today«, nimmt »ARD-aktuell« ausdrücklich nicht zur Kenntnis. Chefredakteur Dr. Gniffke und NDR-Intendant Marmor haben mir das schriftlich gegeben. Die Einseitigkeit ist also beabsichtigt, nicht versehentlich oder zufällig…“ Interview mit Volker Bräutigam von Jens Wernicke seit 14.08.2018 bei Rubikon
- Warum den Medien nicht zu trauen ist
- Jens Wernicke: Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung
„Viele haben mittlerweile erkannt: Eine von Konzerninteressen, Hochglanzwerbung und politischer Agitation wie „Deutschland geht es so gut wie nie zuvor“ (Angela Merkel) geprägte „Berichterstattung“ hat mit ihrer sozialen Realität nichts mehr gemein. Eine „Kernschmelze des Vertrauens“ (Edelman Trust Barometer 2017) findet statt, Kritiker werfen den Medien Propaganda vor und verweisen auf eine Berichterstattung, die kein Problem damit hat, entgegen journalistischer Standards mit Lügen den Weg in eine Politik zu ebnen, für die Kriege und das Anstacheln von Feindseligkeiten selbstverständlich geworden sind. Die Einseitigkeit und Parteilichkeit vieler Medien ist kaum mehr zu ertragen. Doch was sind die Ursachen dieser Krise? Und ist ein ehrlicher und ausgewogener Journalismus überhaupt noch vorstellbar? Dazu hat Jens Wernicke mit zahlreichen Experten, Wissenschaftlern und Journalisten gesprochen und legt nun mit seinem Buch „Lügen die Medien?“ ein unverzichtbares Kompendium der Medienkritik vor…“ Ein Auszug aus dem Buch beim Verlag
- Jens Wernicke: Lügen die Medien? Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung.
Buch mit Beiträgen von: Die Journalisten Walter van Rossum, David Goeßmann, Ulrich Teusch, Volker Bräutigam, Ulrich Tilgner, Stephan Hebel, Werner Rügemer und Eckart Spoo. Die Wissenschaftler Noam Chomsky, Uwe Krüger, Rainer Mausfeld, Jörg Becker, Michael Walter, Erich Schmidt-Eenboom, Klaus-Jürgen Bruder, Kurt Gritsch und Daniele Ganser. Sowie mit Maren Müller, Hektor Haarkötter, Sabine Schiffer, Gert Hautsch, Rainer Butenschön, Markus Fiedler und Daniela Dahn wichtige Stimmen aus der Zivilgesellschaft.
Westend-Verlag 2017, 360 S., 18 Euro, siehe Infos, Leseprobe und Bestellung beim Verlag
- Siehe auch die Besprechung in der jungen Welt