Selbstverwaltete Jugendzentren: Im Visier der Polizei. Das Ziel heißt Einförmigkeit

Stoppt PolizeigewaltIn der Nacht zum Sonntag drang die Polizei in die Jugendzentren Potse und Drugstore in Schöneberg ein. Wegen eines mehrtägigen Festivals anlässlich des 45. Geburtstags der Zentren kam es zu Lärmbeschwerden durch ein angrenzendes Hostel, teilte die Polizei mit. Beamt*innen seien mehrmals vor Ort erschienen und hätten mit Ansprechpartner*innen der Jugendzentren telefoniert, berichtet eine Mitarbeiterin des Kollektivs Potse und Drugstore dem »nd«. Man habe vereinbart, die Lautstärke zu reduzieren. Es habe die Zusage eines Beamten gegeben, dass das Anliegen damit geklärt sei. Dennoch fuhr gegen drei Uhr morgens eine Einsatzhundertschaft der Polizei mit mehreren Mannschafts- und Streifenwagen vor. Es habe stürmen, sagt die Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Doch schon Gespräche zwischen Verantwortlichen und Einsatzleiter gegeben, die Zentren nicht zu währenddessen hätten Einsatzkräfte begonnen, gewaltsam in den Eingangsbereich der Jugendzentren einzudringen…“ – aus dem Beitrag „Polizei stürmt Jugendclub Potse“ von Maria Jordan am 16. September 2018 in neues deutschland externer Link, worin berichtet wird, dass diese Aktion, wie auch gegen das Zentrum Drugstore, wegen der Beschwerden wegen Lärmbelästigung organisiert worden seien, die vom selben Unternehmen stammten. Zum Hintergrund der „Lärmbelästigung“ drei Beiträge, sowie ein Beitrag über eine erste politische Reaktion

  • „Jugendzentren Potse&Drugstore von der Polizei gestürmt“ am 16. September 2018 bei publish.indymedia externer Link ist ein Bericht der Betroffenen, in dem es unter anderem heißt: „Ehrenamtliche, die sich noch auf der Straße befanden, haben daraufhin das Gespräch mit dem Einsatzleiter gesucht. Sie überzeugten ihn davon die Räumlichkeiten nicht gewaltsam zu öffnen, sondern mit den ehrenamtlichen Jugendlichen eine gemeinsame, friedliche Lösung zu finden.  Die Polizei drohte an, die Räumlichkeiten gewaltsam zu öffnen und diese versiegeln zu lassen. Daraufhin sahen sich die Jugendlichen gezwungen, sich der Forderung der Polizei zu beugen und mit diesen die Räumlichkeiten gemeinsam zu begehen, damit diese sich vergewissern können, dass die Besucher*innen gegangen sind und die Veranstaltung wie abgesprochen beendet wurde.  Während sich die Polizei in den Räumlichkeiten von Potse & Drugstore befand, wurde ein ehrenamtlicher Mitarbeiter aus unbekannten Gründen festgenommen. Außerdem wurden während des gesamten Einsatzes Videoaufzeichnungen, sowohl von den Besucher*innen, als auch den Räumlichkeiten angefertigt. Zudem wurden Infomaterialien durch Beamt*innen entwendet. Dies geschah gegen unseren Willen, nachdem uns zugesichert wurde, dass dies nicht passiert.  Einigen Besucher*innen wurden trotz Zusage, ihre Sachen rausholen zu können, der Zutritt verwehrt und ihnen und sowohl weiteren Jugendlichen willkürlich Platzverweise ausgesprochen.  Um kurz nach 5 Uhr morgens hat die Polizei ihre Einsatzkräfte vor der Tür der Jugendzentren abgezogen. Die Ehrenamtlichen, Besucher*innen und Jugendlichen sind entsetzt, über die Brutalität des vermeidbaren Einsatzes und stehen weiterhin unter Schock.  Politiker*innen des Abgeordnetenhauses und der BVV Tempelhof-Schöneberg waren anwesend und konnten den Einsatz beobachten.  Eine Besucherin berichtet: „Der Einsatz kam aus heiterem Himmel! Das Konzert war schon lange vorbei und auf einmal müssen wir überstürzt raus!“.  Ein anderer Besucher sagt: „Auf einmal kam die Polizei rein und hat meinem Kumpel ohne Grund in den Unterleib geschlagen!“.  Die Kollektive beider Jugendzentren fordern die Untersuchung des Einsatzes! Außerdem eine Stellungnahme von den politisch Verantwortlichen!“
  • „Helfer der Verdrängung“ von Maria Jordan am 16. September 2018 in neues deutschland externer Link ist ein Kommentar zu dem obigen Bericht, in dem unter anderem unterstrichen wird: „»Wir sind nicht erst seit gestern laut.« Dieser Satz einer Mitarbeiterin des Kollektivs von Potse und Drugstore ist bezeichnend. Seit 1972 gibt es den Drugstore, das älteste selbstverwaltete Jugendzentrum Berlins. Seit den 80er Jahren ist auch der benachbarte Treffpunkt Potse Anlaufstelle für linke und alternative Jugendliche. Und seit dem ist es laut – es gibt Konzerte, Bandproben, Partys. Was es jedoch gefühlt erst seit gestern gibt, sind besondere neue Nachbarn in den Kiezen. Was an vielen Orten in der Stadt heute gern »Durchmischung« genannt wird, ist eine Vorstufe der Verdrängung. Weil der neue Eigentümer des Hauses eine drastische Mieterhöhung fordert, ist die Zukunft der traditionsreichen Jugendzentren ohnehin ungewiss. Inzwischen haben sich in dem Gebäude aber auch jene eingemietet, die sich die horrenden Preise leisten können. Völlig gegensätzliche Mietparteien müssen inzwischen in Berlin direkt nebeneinander koexistieren. In diesem Fall der Potsdamer Straße 180-182 ist es ein Unternehmen, das mit »Co-Working-Spaces« Kohle machen will. Auf der Hochglanz-Website wirbt die Firma um die »neue Generation von Innovationstreibern«. Dieses Image wird von Jugendlichen mit bunten Haaren und Punkkonzerten gestört…
  • „Der Kampf um neue Communities und alte Gemeinschaften“ von Torben Becker am 13. September 2018 im taz.blog externer Link – also vor dem Polizeieinsatz – zu den Kündigungsplänen des Gebäude-Eigentümers unter anderem: „„Was man hier in der Potse machen kann, passt auf keinen Lebenslauf“, fasst Domi, eine Aktivist*in im Kollektiv des selbstverwalteten Jugendzentrum Drugstore, die vielseitigen Engagementmöglichkeiten zusammen. Potse und insbesondere das Drugstore gelten seit 46 Jahren als Hort unverzichtbarer Jugend- und Subkulturen Berlins. Das schätzen nicht nur internationale Künstler*innen und Bands, sondern auch die Bezirksverwaltung Schöneberg. Diese hat Ende 2017 trotz starker Mieterhöhung weitere Mittel für die Finanzierung des Jugendzentrums bewilligt. Jedoch scheitert eine unbeschwerte Zukunft am aktuellen Hauseigentümer der INTOWN GmbH, die die Räume ab 2019 anders vermietet wissen will. Konkrete Kündigungsgründe teilte INTOWN auf Anfrage der taz nicht mit. „Dem Hauseigentümer geht es nicht mal ums Geld, der möchte hier schnell sein eigenes Ding machen“, vermutet Domi. Das zeige auch die Ansiedelungen von Firmen, die wie Rent24 über der Potse im 4. und 5. Stock eingemietet sind…“
  • „Bezirk fordert Aufklärung nach Polizeieinsatz“ von Maria Jordan am 18. September 2018 in neues deutschland externer Link berichtet über eine erste politische Reaktion unter anderem: „Betroffene berichteten, die Polizei sei aggressiv gegen die Jugendlichen vorgegangen. Bezirkspolitiker Martin Rutsch (LINKE) war ebenfalls vor Ort und bestätigt die Aussagen. »Es war beinahe traumatisch zu sehen, wie die Polizei die Jugendlichen aus dem Haus getrieben hat«, sagt Rutsch gegenüber »nd«. »Es war eine schlimme Situation für die Jugendlichen.« Viele seien nach dem Abzug der Beamt*innen in Tränen ausgebrochen. Die LINKE fordert psychosoziale, aber auch juristische Betreuung für die Betroffenen. Die Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes sei laut Rutsch eindeutig, zumal die Konzerte zu dem Zeitpunkt längst beendet waren. Dass die Innenverwaltung sich bei den Jugendlichen für den Vorfall entschuldige, sei das Mindeste.(…) Schon Anfang September berichteten Potse und Drugstore von Problemen mit dem Unternehmen rent24, das im selben Haus neuerdings sogenannte Co-Working- und Co-Living-Spaces vermietet. Rent24 soll schon häufiger wegen Ruhestörung die Polizei verständigt haben – so auch Sonntagnacht. »Wir sehen es nicht ein, diesen hausgemachten Konflikt ausbaden zu müssen«, schreibt das Kollektiv über den sich zuspitzenden Nutzungskonflikt. »Die Provokation von Polizeieinsätzen scheint für rent24 ein probates Mittel geworden zu sein, um die Jugendlichen aus ihrem Jugendzentrum zu vertreiben«, schreibt die LINKE in ihrem BVV-Antrag. Es handle sich um ein »Paradebeispiel« von Gentrifizierung und Klassenkampf. Die Partei fordert, dass rent24 und Eigentümer die Jugendzentren in Ruhe lassen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=137593
nach oben