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Debatte um Schleuser und Schlepper – richtet sich gegen Fluchthelfer
Dossier
„Die nach weit verbreiteter Auffassung notwendige strikte Abschottung der Festung Europa, die geringe Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse und politische Brandstiftung nicht nur aus dem konservativen Lager stehen dem im Weg; das hat die mit sachfremden Erwägungen gespickte mündliche Urteilsbegründung des Landgerichts Essen gegen so genannte Schleuser erst kürzlich gezeigt. Es ist schon von daher längst überfällig, für die vielen erkannten – und die noch größere Zahl der unerkannten – Fluchthelfer, die verfolgten und Not leidenden Menschen bei der Einreise nach Deutschland und in die Europäische Union (EU) Hilfe leisten, eine Lanze zu brechen…“ Aus dem Artikel von Axel Nagler, Mitglied im Vorstand der Strafverteidigervereinigung NRW e.V. (s.u.), für uns ein Anlaß für dieses Dossier. Siehe z.B. unser Dossier Absurde EU-Politik im Mittelmeer: Rettungsmissionen sollen zukünftig von libyschen Schleusern koordiniert werden und hier zur Debatte:
- Schleuser als Sündenböcke der EU: Solidarität statt Kriminalisierung
„Die Kriminalisierung von Geflüchteten als Schleuser ist ein Abschottungsinstrument der EU. Dabei haben Menschen keine andere Wahl. Doch es gibt Widerstand gegen diese Politik.
Die Enthüllungen von Correctiv über die Deportationspläne von Rechtskonservativen und AfD-Funktionären führten zu vielen politischen Appellen, die Demokratie und „europäische Werte“ zu verteidigen. (…) Stattdessen verabschiedet der Bundestag Anti-Migrationsgesetze, die Bundesregierung verschärft Grenzkontrollen und das Asylrecht wird immer weiter ausgehöhlt. Es wird uns kein alternatives Programm zu den menschenverachtenden Ideen der AfD präsentiert. Im Gegenteil: viele Parteien übernehmen den Diskurs der Rechtsextremen, den sie offiziell ablehnen. So wurde die Stimmung gegen Geflüchtete und Migrant:innen weiter angeheizt, für jedes Problem werden sie zu Sündenböcken erklärt. Das hat dramatische Folgen: Die Exklusion, Entmenschlichung und Entrechtung von Migrant:innen und Geflüchteten sind europaweit verfestigt. Möglichkeiten für legale Einreisen in die EU sind praktisch nicht vorhanden. Gleichzeitig dient die Kriminalisierung von Migrant:innen als weiteres Instrument dieser Abschottungspolitik. Während Europa seine Grenzen immer mehr aufrüstet, wird nicht nur die Migration selbst, sondern jede Form der Unterstützung kriminalisiert. Es geschieht unter dem Deckmantel, „Schleuserkriminalität“ zu bekämpfen, zementiert allerdings die tödlichen Grenzen Europas und hält die ungerechten Wohlstandsunterschiede zwischen dem Globalen Norden und Süden aufrecht. Die Kriminalisierung von Fluchthilfe ist ein weiteres, folgenschweres, Instrument, um Solidarität zu unterbinden und von den katastrophalen und häufig tödlichen Bedingungen auf den Fluchtrouten abzulenken. Die EU und ihre Mitgliedstaaten schieben damit ihre Schuld auf „skrupellose Schleuserbanden“, während diese oft die einzige verbleibende Transportmöglichkeit für Migrant:innen darstellen. (…) Legale Alternativen werden wissentlich und absichtlich verhindert. (…) Die dafür zu erwartenden Strafen sind absolut unverhältnismäßig, in einigen Fällen härter als Mord. (…) Doch es regt sich Widerstand. Organisationen wie borderline-europe e.V. setzen sich schon lange für Bewegungsfreiheit und gegen die Kriminalisierung von Migrant:innen ein. Sie wollen eine Welt ohne Grenzen, in der Flucht und Migration als Menschenrecht anerkannt werden. (…) Neben zivilgesellschaftlicher Unterstützung ist erfahrene anwaltliche Hilfe für solche Erfolge unerlässlich. Trotz des Menschenrechts auf Verteidigung können sich viele der Angeklagten ihre Verteidigung nicht leisten. Hier setzt der „Bewegungsfreiheits-Fonds“ an, der von medico international e.V. und de:criminalize ins Leben gerufen wurde. Medico international engagiert sich seit langem für die Bewegungsfreiheit und führt öffentlich wirkungsvolle Kampagnen durch. De:criminalize, gegründet von Aktivist:innen, die auch bei borderline-europe e.V. aktiv sind, übernimmt die Fallunterstützung und hilft, die Verfahren zu begleiten. Die Wirkmacht des Fonds ist von Spenden abhängig. (…) Das Recht auf Freizügigkeit muss nicht nur grenzenlos, sondern absolut bedingungslos sein.“ Beitrag von Elaheh Kouhestani, Insa Heinke und Imke Behrends vom 5. November 2024 im MiGAZIN - Lebenslange Haft für Migrant:innen, die sich selbst schleusen – Schleuser-Prozesse in Griechenland als Beispiel europäischer Kriminalisierungspraxis
„Die europäische Migrationspolitik ist von einem unerschütterlichen Dogma geprägt: dem „Kampf gegen Schleuser“. Dieser wird vor allem als Kampf gegen skrupellose Verbrecher:innen dargestellt, die Migrant:innen einer Gefahr für Leib und Leben aussetzen, und die diese aus Profitgier erst zur Migration verleiten würden. Unter einem humanitären Deckmantel werden Maßnahmen dabei als Schutzmaßnahme für Flüchtende moralisch legitimiert. Dieses mächtige Narrativ verschleiert nicht nur die strukturellen Bedingungen für Migration, die maßgeblich von europäischer Abschottungspolitik bestimmt sind, und Migrant:innen überhaupt erst in die Hände von Schleuserdiensten schiebt. Der „Kampf gegen Schleuser“ richtet sich in Wirklichkeit vor allem gegen Migrant:innen selbst. Insbesondere in Griechenland zeigt sich seit Jahren eine alarmierende Praxis: Schutzsuchende, die versuchen, nach Europa zu gelangen, werden systematisch dafür verhaftet, dass sie das Boot oder Auto gesteuert haben, mit dem sie ankamen. Sie werden als Schleuser:innen angeklagt, unabhängig davon, welche tatsächliche Rolle sie bei der Überfahrt spielten oder ob sie selbst Teil der geschleusten Gruppe sind. Pro Boot verhaften Polizei oder Küstenwache mindestens eine Person; bei größeren Schiffen wie der Adriana, die im Juni 2023 vor der Insel Pylos sank, auch bis zu neun Personen. (…) Um sich strafbar zu machen, ist es in Griechenland, wie auch in den meisten anderen EU-Staaten, jedoch nicht erforderlich, als Organisator:in mit Gewinnabsicht, die Sicherheit von Menschen mittels einer Fahrt über das Mittelmeer zu gefährden. Diese Faktoren werden lediglich als erschwerende Umstände betrachtet. Es reicht, das Boot oder Auto gesteuert oder eine andere „assistierende Rolle“ an Bord übernommen zu haben, wie z.B. im Maschinenraum die Motoren im Auge zu behalten, zu navigieren oder Wasser zu verteilen. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass es vor allem Migrant:innen selbst sind, die ins Fadenkreuz der Justiz geraten. Die Menschen werden in der Regel unmittelbar nach der Bootslandung vom Rest der Gruppe getrennt und verhaftet. Angesichts des Fehlens eines festen Wohnsitzes gehen die Behörden grundsätzlich von „Fluchtgefahr“ aus und nehmen fast alle Beschuldigten direkt in Untersuchungshaft, was den Zugang zu angemessenen Rechtsbeistand und anderen Formen der Unterstützung erheblich einschränkt. Die Menschen, die gerade erst in Griechenland angekommen sind, sind oft völlig isoliert und hochgradig anfällig für Misshandlung und Missbrauch durch staatliche Behörden. Dies wird weiter dadurch verschärft, dass die Dauer der Untersuchungshaft in Griechenland besonders lang und für ihre menschenunwürdigen Haftbedingungen berüchtigt ist. (…) Die Menschen werden durch diese Prozesse traumatisiert und werden um Jahre ihres Lebens beraubt. Ihr neues Leben in Europa beginnt mit einer Vorstrafe, die in manchen Fällen sogar dazu führen kann, dass in der Konsequenz den Menschen, auf deren Schutz die Maßnahmen angeblich abzielen, internationaler Schutz verwehrt wird. In Deutschland etwa kann die Beteiligung an Schleusungen ab einer Haftstrafe von einem Jahr als „besonders schweres Ausweisungsinteresse“ gewertet werden. „Wer als Schleuser tätig war, könne auch nach Syrien zurück“, kommentierte Bundeskanzler Scholz im Juli den Fall eines syrischen Staatsbürgers, dem subsidiärer Schutz verweigert wurde, weil er in Österreich wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur unerlaubten Einreise von der Türkei in die EU zu einer Haftstrafe verurteilt worden war. Die Kriminalisierungspraxis macht deutlich: Bei der vehementen Stigmatisierung von Schleusungen geht es nicht um den Schutz von Migrant:innen. Die Figur des gesichtslosen, bösen Schleusers dient als bequemer Sündenbock, während Maßnahmen dagegen als weiteres Instrument zur Abschreckung verwendet werden.“ Beitrag von Julia Winkler vom 26. August 2024 bei medico international (Fonds für Bewegungsfreihei)- Siehe auch: „Homayoun Sabetera kommt frei: Griechisches Gericht hat die Strafe des iranischen Einwanderers als vermeintlicher Schleuser auf das Mindestmaß reduziert“ im Dossier: Griechische Migrationspolitik (mit Syriza – und Nachfolgern)
- Mehr „Schlepperei“-Urteile in EU: Wenn Solidarität bestraft wird
„Immer mehr Geflüchtete und Helfer:innen werden wegen „Schlepperei“ unverhältnismäßig hart bestraft. Damit vergrößern die Staaten die Probleme.
Am kommenden Dienstag steht der 60-jährige Homayoun Sabetara in Thessaloniki vor Gericht – mal wieder. Seit drei Jahren sitzt der krebskranke Iraner in Griechenland im Gefängnis. Er hatte 2021 versucht, aus Iran nach Deutschland zu seinen beiden Töchtern zu fliehen. Weil er das Auto steuerte, in dem er mit sieben anderen Menschen saß, wird ihm Schlepperei vorgeworfen. „Ihm waren die Konsequenzen nicht bewusst“, sagt seine Tochter Mahtab, die sich seit Jahren öffentlich für die Freilassung ihres Vaters einsetzt. In erster Instanz wurde Sabetara – nach vier Terminverschiebungen – zu 18 Jahren Haft verurteilt. Der Prozess „zerstört alle mentalen Ressourcen der Angeklagten und ihrer Angehörigen“, sagt Mahtab Sabetara. Die Folge sei ein „mentaler Zusammenbruch“, Hoffnung werde zu „einem Wort, von dem man nur träumen kann“. Ohne Unterstützung von NGOs wäre es unmöglich, die Reisekosten nach Griechenland und die Anwaltsrechnungen zu bezahlen. Anfang September präsentierte deshalb die NGO medico international in Frankfurt einen neuen „Fonds für Bewegungsfreiheit“. Der soll künftig die Rechtshilfe für Menschen mitfinanzieren, die wegen „Solidarity Crimes“ oder der eigenen Fluchtgeschichte als Schlepper vor Gericht stehen – wie Homayoun Sabetara. „Immer wieder werden Geflüchtete als Schleuser gebrandmarkt. Sie werden in juristischen Schnellverfahren zu überdimensionalen Haftstrafen verdonnert, ohne dabei auf einen adäquaten Rechtsbeistand hoffen zu können“, sagt Valeria Hänsel von medico. (…)Sie verweist darauf, dass der Straftatbestand der „Beihilfe zur unerlaubten Einreise“ teils strenger bestraft wird als Mord. Allein in Griechenland sitzen nach einem Bericht Zählung der NGO Borderline Europa über 2.000 Menschen aufgrund des Vorwurfs der „Beihilfe zur unerlaubten Einreise“ im Gefängnis. (…) Auch in Italien, Spanien und England werde von „beinahe jedem ankommenden Flüchtlingsboot mindestens ein Mensch festgenommen und bezichtigt, anderen bei der Einreise geholfen zu haben“. (…) Zuletzt hatten einige Gerichtsentscheide Hoffnung gemacht. In Italien und Griechenland waren Verfahren – etwa gegen Überlebende der Schiffskatastrophe von Pylos, Seenotretter aus Lesbos oder die Besatzung des Rettungsschiffs „Iuventa“ – überraschend eingestellt worden. „Das hat uns natürlich Hoffnung gegeben“, sagt Falzon. Doch bei den noch laufenden Verfahren sei weiter alles offen. Ende August veröffentlichten 15 NGOs, darunter Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen, einen Appell an die Bundesregierung, um dem ein Ende zu setzen. Seit 2023 arbeitet die EU an einer neuen Richtlinie, die die Strafbarkeit der Beihilfe zur illegalen Einreise neu regeln soll. „Um Schutzsuchenden und Menschenrechtsverteidiger*innen endlich Rechtssicherheit zu garantieren, muss jedoch dringend nachgebessert werden“, heißt es in dem Appell der NGOs über den vorliegenden Entwurf. Sie fürchten, dass sonst auch in Zukunft Unterstützer als Schlepper vor Gericht landen können.“ Artikel von Christian Jakob vom 18. September 2024 in der taz online – siehe mehr zum Fall im Dossier: Griechische Migrationspolitik (mit Syriza – und Nachfolgern) - Appell von 15 Organisationen: Keine weitere Kriminalisierung von Flucht und Solidarität: neue EU-Richtlinie muss flüchtende Menschen und humanitäre Hilfe schützen
„Sehr geehrte Bundesministerin Nancy Faeser, die EU steht in diesen Jahren an einem Scheideweg. Grundlegende rechtsstaatliche und menschenrechtliche Prinzipien werden zunehmend infrage gestellt und offen angegriffen, oft von Regierungen selbst. Menschen, die Schutz und Sicherheit suchen, sind dabei im Fadenkreuz staatlicher Verfolgung. Das hat ganz konkrete Folgen: Prozesse etwa in Griechenland oder Italien gegen Personen, die Flüchtlingsboote steuern, zeichnen sich durch Verfahrensverletzungen und mangelnde Beweisführung aus. Doch nicht nur Schutzsuchende selbst, auch ihre Unterstützer*innen werden in vielen Mitgliedstaaten kriminalisiert.² Selbst wenn es letztlich zu Freisprüchen kommt, wird der Ruf von Organisationen durch die staatlichen Attacken geschädigt. Die oft jahrelangen Verfahren bedeuten außerdem eine enorme finanzielle und psychische Belastung für die Beschuldigten. Die EU-Richtlinie zur Beihilfe illegaler Einreise ist ein häufig verwendetes Instrument, um Flüchtende oder Unterstützende strafrechtlich zu verfolgen. (…) Eine überarbeitete Richtlinie muss vollumfänglich in Einklang mit dem UN-Schmuggelprotokoll, sowie internationalem Menschenrechten und dem Flüchtlingsrecht stehen. Humanitäre Hilfe und Unterstützung sind Ausdruck von Menschlichkeit und einer lebendigen Zivilgesellschaft und dürften nicht kriminalisiert werden. Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, sich bei den kommenden Verhandlungen für folgende Punkte einzusetzen:
1) Klare Definition des Straftatbestands der Beihilfe zur illegalen Einreise unter Voraussetzung einer ungerechtfertigten finanziellen oder materiellen Bereicherung (…)
2) Eine ausdrückliche, umfassende und verbindliche Ausnahmeformulierung für humanitäre Hilfe und Maßnahmen, die dem Schutz von Menschenrechten dienen (…)
3) Entkriminalisierung von Schutzsuchenden und ihren Familienangehörigen (…)
4) Entfernung des neuen Straftatbestands der öffentlichen Anstiftung (…)
5) Vorangestellte Menschenrechtsfolgenabschätzung (…)
Kriminalisierung von Flucht führt zu mehr Leid und Toten. Irreguläre Grenzübertritte bleiben für viele Menschen alternativlos und sollten nicht kriminalisiert werden. Letztlich sind sichere und legale Fluchtmöglichkeiten der einzige Weg, um die Ausbeutung fliehender Menschen effektiv zu verhindern. Der Umgang mit den in Folge des Angriffskriegs aus der Ukraine fliehenden Menschen hat gezeigt, dass das auch praktisch möglich ist. Wir appellieren an Sie, sicherzustellen, dass die neu überarbeitete Richtlinie kein weiterer Schritt in Richtung der Abschaffung von menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Prinzipien wird.“ Appell vom 10.9.2024 bei Sea-Watch von Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen, AWO Bundesverband, borderlin-europe, Deutscher Anwaltverein, Die Landesflüchtlingsräte, Free Homayoun, medico international, Pro Asyl, r42-SailAndRescue, SARAH, Sea-Eye, Sea-Watch, Seebrücke und SOS Humanity. Siehe aktuell auch:- »Kampf gegen Schleuser trifft Falsche«. Mit einem Fonds für Bewegungsfreiheit wollen Initiativen die Grundrechte von Geflüchteten stärken (nicht nur Homayoun Sabetara)
Artikel von Ulrike Wagener (Medico International) vom 10.09.2024 in ND online über den Fonds für Bewegungsfreiheit : Gemeinsam für das Recht auf Schutz, Zuflucht und ein Leben in Würde
- »Kampf gegen Schleuser trifft Falsche«. Mit einem Fonds für Bewegungsfreiheit wollen Initiativen die Grundrechte von Geflüchteten stärken (nicht nur Homayoun Sabetara)
- EU-Gesetz gegen Schleusung: Kein Willkommen ist illegal – auch „Flüchtlinge Willkommen“ könnte strafbar werden
„Mit einer Richtlinie will die EU-Kommission Mindeststrafen für Schleusungskriminalität in Europa angleichen. Doch der Gesetzesvorschlag könnte auch dafür sorgen, dass Slogans wie „Refugees Welcome“ auf Online-Plattformen gelöscht werden.
„Wir haben Platz“, „Flüchtlinge Willkommen“, „Kein Mensch ist illegal“, „Sichere Fluchtwege!“ Solche Sprüche kennt man von Demonstrationsplakaten für das Recht auf Asyl, von Stickern oder Solidaritätserklärungen online und offline. Sie sollen Geflüchteten und Flüchtenden zeigen: Wir heißen euch Willkommen. Ein Ausdruck von Menschlichkeit, doch ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission könnte solche Statements kriminalisieren.
Es geht um den Vorschlag für eine Richtlinie „zur Festlegung von Mindestvorschriften zur Verhinderung und Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt in der Union“. Bei der Vorstellung begründete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Initiative etwa damit, dass kriminelle Schleusergruppen menschliche Not ausnutzen und eine Gefahr für die allgemeine Sicherheit darstellen würden. Doch der Gesetzestext beträfe nicht nur diejenigen, die Flüchtende aus finanziellem Interesse unter oftmals sehr gefährlichen Bedingungen in die EU bringen.
Anstiftung zu unerlaubter Einreise
So steht im Text, dass die Mitgliedstaaten einen Straftatbestand festlegen sollen, „um gegen die Vorgehensweise von Personen, die Drittstaatsangehörige öffentlich – beispielsweise über das Internet – zur unerlaubten Ein- und Durchreise oder zum unerlaubten Aufenthalt in der Union anstiften, vorzugehen“. Eine Bedingung, dass sie das tun, um sich selbst finanziell zu bereichern, ist nicht vorgesehen. Dadurch unterscheidet es sich von den Regelungen zur tatsächlichen Beihilfe, dort gibt es diese Voraussetzung. So könnte die geplante Regel nicht nur „werbeähnliche“ Angebote von Schleusern betreffen, sondern auch solidarische Statements und Aufrufe. (…) Neben der Strafbarkeit stellt der Richtlinienentwurf auch klar, dass solche Inhalte illegal wären und somit unter das Digitale-Dienste-Gesetz fallen würden. Das bedeutet, dass Plattformen die entsprechend illegalisierten Inhalte nach Hinweisen darauf löschen müssen. Schon seit Jahren gibt es eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen Plattformen und Europols Meldestelle für Internetinhalte, die „Migrantenschleusung“ betreffen. (…) Auch die UN-Sonderberichterstatterin zur Lage von Menschenrechtsverteidigern fordert die EU auf, die Kriminalisierung der „Anstiftung“ zu streichen und auch bei anderen Straftatbeständen Ausnahmen für humanitäre Handlungen zu schaffen. Sie verweist auf Fälle, bei denen bereits Menschenrechtsverteidiger:innen in Griechenland verfolgt wurden, weil sie Informationen mit Migrant:innen geteilt hatten…“ Beitrags von Anna Biselli vom 10.02.2024 in Netzpolitik - „Gefährlicher Flirt mit Meloni“ (Pro Asyl): Scholz darf Seenotrettung nicht zur Verhandlungsmasse machen
- Flucht über das Mittelmeer: Stoppt Berlin Zahlungen an Seenotretter? Kanzler Scholz hatte sich zuvor von der Finanzierung privater Hilfsorganisationen distanziert
„Laut einem Medienbericht plant die Bundesregierung im kommenden Jahr keine Zahlungen mehr an private Seenotretter. Wie die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf den Teilhaushalt des Auswärtigen Amts für 2024 berichtete, gibt es darin – anders als im Etat für 2023 – keinen Vermerk mehr zu einer solchen finanziellen Unterstützung. Die „Bild“ berichtete unter Berufung auf Kreise im Haushaltsausschuss des Bundestags, das Bundeskanzleramt sei gegen weitere Zahlungen, das Auswärtige Amt sehe dies ähnlich. Zuletzt hatte bereits FDP-Fraktionschef Christian Dürr ein Ende der staatlichen Zahlungen an Seenotretter gefordert. (…) Die finanzielle Unterstützung privater Seenotretter hatte zuletzt für erheblichen Streit zwischen Deutschland und Italien gesorgt. Italiens ultrarechte Regierungschefin Giorgia Meloni beschwerte sich über die deutschen Zahlungen an Seenotretter kürzlich in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz und sagte Ende September, Länder, unter deren Flagge solche Schiffe unterwegs seien, sollten dann auch die geretteten Migranten aufnehmen. (…) Scholz distanzierte sich derweil von der öffentlichen Finanzierung der Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer durch Hilfsorganisationen…“ Meldung vom 7. Oktober 2023 bei tagesschau.de - PRO ASYL warnt Scholz vor gefährlichem Flirt mit Meloni: Scholz darf Seenotrettung nicht zur Verhandlungsmasse machen
„PRO ASYL warnt vor dem Schulterschluss deutscher Politiker*innen mit rechten Positionen. Die Unterstützung der Seenotrettung darf nicht zur Verhandlungsmasse werden. Der Zugang zu Schutz und Asyl muss vielmehr durch einen europäisch finanzierten Seenotrettungsdienst gewährleistet werden. „Das Recht auf Leben, das Recht auf Schutz und Asyl sind unverhandelbar. Menschenrechte und Menschenwürde müssen gerade jetzt verteidigt werden. Es ist kurzsichtig, den Rechten in der Europäischen Union wie Meloni immer weiter nachzugeben und nun auch noch die Unterstützung der Seenotrettung zur Verhandlungsmasse zu machen“, warnt Karl Kopp, Europasprecher von PRO ASYL. „Wir fordern Mare Nostrum Plus, einen europäisch finanzierten Seenotrettungsdienst, den Zugang zu Schutz und Asyl. Das ist die Antwort basierend auf Menschenrechten und Humanität. Der Flirt von Scholz mit Meloni ist gefährlich.“ PRO ASYL kritisiert scharf den Kurswechsel der Ampel, in der die FDP immer mehr rechte Positionen übernimmt, die SPD diese unterstützt und die Grünen wortgewaltig schweigen. Europa und auch Deutschland sind in der Lage, auch weiterhin Schutzsuchende aus Seenot zu retten und ihnen eine menschenwürdige Aufnahme, ein rechtsstaatliches und faires Asylverfahren zu garantieren. „Die Angst im Wahlkampf, angesichts der rechten Dominanz in den Medien Wählerstimmen zu verlieren, bestimmt das Regierungshandeln. Das ist extrem kurzsichtig. Wer der extremen Rechten nachgibt, macht diese nur noch stärker“, warnt Kopp…“ Pressemitteilung vom 09.10.2023 - Siehe auch unser Dossier: Sogar UN verurteilt Zurückdrängen von Flüchtlingsbooten und Aussetzung der Seenotrettung
- und das Dossier: Lasst sie ertrinken! Wegen Coronagefahr: Das Bundesinnenministerium bittet in einem Schreiben private Seenotretter, ihre Arbeit im Mittelmeer einzustellen
- Flucht über das Mittelmeer: Stoppt Berlin Zahlungen an Seenotretter? Kanzler Scholz hatte sich zuvor von der Finanzierung privater Hilfsorganisationen distanziert
- Studie zu Mittelmeer-Migration: Kein „Pull-Effekt“ durch Seenotrettung
„Laut einer neuen Studie setzen Seenotrettungen keine neuen Anreize für Migranten, das Mittelmeer zu überqueren. Die Erkennntnisse widerlegen Argumente von Populisten. Ein internationales Forschungsteam um Alejandra Rodriguez Sanchez von der Universität Potsdam veröffentlichte entsprechende Ergebnisse im Journal „Scientific Reports“. Die Auswertung entstand im Rahmen eines Projekts am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung. „Es gibt keine Verbindung zwischen lebensrettenden Aktionen im Meer und der Zahl der Migranten“, sagte Julian Wucherpfenning von der Berliner Hertie School, einer der Ko-Autoren der Studie. Ramona Rischke vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung bekräftigte: „Rettungsaktionen retten vor allem Leben, aber sie ziehen keine zusätzlichen Migranten an.“Die Wissenschaftler analysierten Daten aus der Zeit von 2011 bis 2020 von der EU-Grenzschutzagentur Frontex, der libyschen und tunesischen Küstenwache, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und einer Nichtregierungsorganisation, die die Identität von Migranten ermittelt, die im Mittelmeer sterben. Aus diesen Daten entwickelten sie ein Modell, um die Faktoren für den Aufbruch von Migranten zu ermitteln. Das Ausmaß der Rettungsaktionen im Mittelmeer spielt der Studie zufolge dabei keine Rolle. Damit widerlegt die Studie ein Argument von Politikern wie der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die in Rettungsaktionen einen zusätzlichen Beweggrund für potenzielle Migranten sieht...“ Meldung vom 04.08.2023 im ZDF - Ein Hoch auf die Schleuser. Allein in Griechenland sitzen über 2000 Menschen als sogenannte Schleuser hinter Gittern…
„Nach dem Kentern des Flüchtlingsbootes vor Pylos wurden neun Menschen von Bord verhaftet und als Schleuser kriminalisiert – so wie Tausende andere Geflüchtete in europäischen Gefängnissen. Dabei sind sie Held:innen. (…) Im Nachgang wurden neun der Überlebenden festgenommen. Der Vorwurf: Schleuserei. In Untersuchungshaft warten sie auf ihr Gerichtsverfahren, in dem ihnen eine lebenslange Haftstrafe droht. So werden die Geflüchteten selbst zu Schuldigen gemacht. Die eigentlichen Akteure bleiben unangetastet, nämlich diejenigen, die die Menschen durch die Abschottung auf immer unsichere Wege zwingen und in Lebensgefahr bringen.
Pylos ist kein Einzelfall: Allein in Griechenland sitzen über 2000 Menschen als sogenannte Schleuser hinter Gittern, die zweitgrößte Gruppe der Gefängnisinsassen in Griechenland insgesamt. Auch in Italien und Spanien sind Tausende wegen des gleichen „Straftatbestands“ in Haft. Ihr einziges Verbrechen: Auf der Suche nach einem besseren Leben haben sie eine Grenze überquert und anderen Menschen dabei geholfen. Während Grenzübertritte für jede Person mit deutschem Pass eine Selbstverständlichkeit sind, werden sie für andere Menschen härter bestraft als Mord. (…)
„Schleuserei“ wird in der gesamten EU scharf kriminalisiert: An der europäischen Südgrenze in Italien und Spanien, an der polnisch-belarusischen Grenze und entlang der Balkanroute werden immer wieder Fluchthelfer:innen festgenommen. Die Kriminalisierung von Menschen, die Migration ermöglichen, reicht sogar bis in die Sahelzone, zum Beispiel in den Niger. Die EU hat dem Land eine Gesetzgebung aufgezwungen, die Fahrer auf den Migrationsrouten über Nacht zu „kriminellen Schleppern“ gemacht hat. (…)Im Schatten der Grenzmauern können sich gewaltvolle und ausbeuterische Ökonomien bilden. Kriminelle und Kartelle, die die Notlage ausnutzen, um damit Geld zu machen. Doch geschaffen wird dieses Problem durch das Grenzregime selbst. Es nimmt sogar noch bizarrere Züge an: Die EU finanziert zum Beispiel die sogenannte libysche Küstenwache, die Menschen auf der Flucht nach Europa abfängt, sie in Gefängnisse verschleppt, foltert, auf Sklavenmärkten verkauft und die gleichzeitig selbst Geflüchteten Optionen für Überfahrten nach Europa verkauft. Ein Business in Übereinstimmung mit dem EU-Grenzregime, auf Kosten der Menschen…“ Artikel von Valeria Hänsel und Kerem Schamberger vom 19. Juli 2023 bei medico – dieser Text basiert auf einer Festrede, die Valeria Hänsel und Kerem Schamberger auf dem „Berliner Tag des Schmuggels – Festliche Ehrung Europas Schmuggler und Schleuser“ am 25. Juni gehalten haben, auf youtube zum Nachsehen- Siehe zum aktuellen Hintergrund unser Dossier Griechische Migrationspolitik (mit Syriza – und Nachfolgern) und zum Boots“unglück“ von Pylos das Dossier Humanitäre Krise in Griechenland droht zu eskalieren
- Unter dem Deckmantel der »Schleuserbekämpfung«: Verhinderung von Flucht statt Seenotrettung. PRO ASYL zu den heutigen Beratungen zwischen der EU und Vertreter*innen nordafrikanischer Staaten
„Auslagerung von Grenzschutz und Abschottung sind kein Ersatz für Menschenrechte, Humanität und Solidarität. Weniger als eine Woche nach dem Treffen der 27 EU-Innenminister*innen zum Thema Seenotrettung kommen heute Vertreter*innen der EU mit Minister*innen nordafrikanischer Staaten zusammen. Bereits vergangene Woche berieten die EU-Innenminister*innen vorranging über Außengrenzschutz und Schleuserbekämpfung anstatt über die Rettung von Menschenleben im Mittelmeer. Diese ersten Akzente der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zur Flüchtlingspolitik sind höchst problematisch. »Statt eine staatliche, europäische Seenotrettung anzuvisieren, geht es den EU-Innenminister*innen nur um Maßnahmen zur Verhinderung von Flucht«, kommentiert Wiebke Judith, rechtspolitische Referentin von PRO ASYL. »Zur Verhinderung von Todesfällen im Mittelmeer setzt die EU nur auf eine Strategie: Zweifelhafte Deals und Grenzschutz auslagern. Um dieses Ziel zu erreichen, werden schlimmste Menschenrechtsverletzungen, wie wir sie aus Libyen kennen, in Kauf genommen«. Unter anderem wird die Teilnahme von Vertreter*innen der sogenannten libyschen Einheitsregierung sowie Algeriens und Tunesiens erwartet…“ Pressemitteilung vom 13.07.2020 - Ausbau von Europol zur Bekämpfung der ‚Migrantenschleusung‘: Lasst den Flüchtenden das Internet!
„Ich halte nichts davon, Facebook-Konten von Schleusern zu löschen. Den Betroffenen fällt es dadurch immer schwerer, im InternetHilfe für eine Überfahrt über das Mittelmeer zu finden. Ich fürchte deshalb, dass Fluchten risikoreicher werden. Noch mehr Tote wären die Folge“; warnt der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko. Der Rat der Europäischen Union hat Europol mit der „Erfassung und Störung der von Schleusernetzen genutzten technischen Infrastruktur“ beauftragt. Das bei Europol angesiedelte „Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ (EMSC) soll dafür Soziale Netzwerke überwachen und Nutzerkonten entfernen. Hierzu kooperiert das EMSC mit der „Meldestelle für Internetinhalte“, die eigentlich gegen „terroristische Internetinhalte“ gegründet wurde. (…) Das Geschäft der Schleuser ist tatsächlich oft menschenverachtend, gewalttätig und auf maximalen Profit ausgerichtet. Es ist aber auch die Folge einer europäischen Abschottungspolitik. Gäbe es für Asylsuchende sichere Wege zur Einreise in die Europäische Union oder die Möglichkeit, aus einem Drittstaat heraus Schutz zu beantragen, würden diese Netzwerke überflüssig. Die Bundesregierung muss sich deshalb im Rat für eine humane EU-Flüchtlingspolitik und die Beseitigung der wirklichen Fluchtursachen einsetzen. Repression und Zensur lösen keine Probleme, sondern machen das Geschäft der Fluchthilfe erst lukrativ.“ Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 22. Januar 2019 mit Link zur Antwort auf die Kleine Anfrage „Ausbau von Europol zur Bekämpfung der ‚Migrantenschleusung‘“
- Gerichtsurteil gegen Pegida: Seenotretter sind keine Schlepper
„Nach dem Urteil des Dresdner Landgerichts darf die fremdenfeindliche Bewegung die Hilfsorganisation „Mission Lifeline“ nicht mehr als Schlepper bezeichnen. Die Dresdner Seenot-Hilfsorganisation „Mission Lifeline“ hat vor Gericht einen weiteren Erfolg erzielt. In einem Unterlassungsprozess setzte sie sich am Donnerstag gegen die fremdenfeindliche „Pegida“-Bewegung durch. Nach einem Urteil des Dresdner Landgerichts dürfen die Seenotretter nicht als Schlepper oder Schlepperorganisation bezeichnet werden. Bei Zuwiderhandlung droht eine Geldstrafe von bis zu 250.000 Euro. (1aO2748/17 EV und 1aO2749/17 EV) (…) Wegen des Hetzens hatten die Dresdner Seenotretter eine Unterlassungserklärung von „Pegida“ gefordert, diese hatte eine solche jedoch nicht abgeben wollen. Lediglich der Post wurde gelöscht. Es bestehe „Wiederholungsgefahr“, sagte die Richterin. Lifeline-Sprecher Axel Steier zeigte sich zufrieden mit dem Urteil, dem innerhalb von vier Wochen widersprochen werden kann…“ Artikel vom 12.1.2018 bei der taz online – wir gratulieren!
- Menschenschmuggler: Das Geschäft mit den Flüchtlingen
„Ohne Menschenschmuggler gelingt kaum eine Flucht. Erstmals sprechen Schleuser offen vor der Kamera über ihre Geschäfte, ihre Motive und über die Jagd, die Polizei und Armee auf sie machen. Der Film lässt die neuen Menschenhändler sprechen: Anwerber und Skipper, Vermieter illegaler Unterkünfte und Geldhändler. Er zeigt, wie sie arbeiten – arbeitsteilig und hochprofessionell, allein und in Netzwerken, mit Bestechungen von Beamten und mit Gewalt. (…) Europäische Politiker sprechen regelmäßig von kriminellen Schleuserbanden, die mit der Not Zehntausender Milliarden verdienten und mit dem Leben der Flüchtenden spielten. Doch ist es so einfach? Ärmliche, mit Flüchtlingen überladene Fischerboote, abgerissene Gestalten in Auffanglagern prägen das Bild illegaler Immigration. Mehr als 1600 Menschen sind 2016 im Mittelmeer ertrunken. Doch der Tod schreckt kaum einen ab. Die Sehnsucht nach einem besseren Leben treibt viele zur Flucht. Die meisten von ihnen sind angewiesen auf die illegalen Helfer…“ Beitrag einer internationale Kooperation zwischen Dänischen Rundfunk und dem ZDF vom 23. November 2017 bei ZDFinfo (Videolänge: 43 Min., verfügbar bis zum 22. November 2018)
- [Video] Notruf im Mittelmeer: Das Geschäft der Schleuser
„Das Mittelmeer ist zum Grab geworden. Die Politik ist sich weitgehend einig, wer für den Tod von mehr als 20 000 Geflüchteten verantwortlich ist: die Schleuser. (…) Immer mehr Flüchtlinge erreichen in diesem Sommer Italien. Unterstützung aus Europa – bisher Fehlanzeige. Dafür fast jeden Tag neue politische Ideen: Zusammenarbeit mit den libyschen Milizen, Zurückweisung der Bootsflüchtlinge im Zweifel mit Gewalt, Auffanglager in Nordafrika. Der Politikberater Gerald Knaus gilt als Erfinder des Abkommens der EU mit der Türkei. Er hält all die Vorschläge für „Scheindebatten, Theaterpolitik und Populismus“. Wer keine überzeugenden Lösungen für die Hundertausenden Flüchtlinge vor der Türen Europas hat, muss offenbar einen Schuldigen präsentieren: die Schleuser. Dass der Kampf gegen Schlepper das Flüchtlingsproblem eindämmen oder gar lösen könnte, bezweifelt Knaus. „Man muss Schlepper bekämpfen, weil sie oft Verbrechen begehen. Nur: Die Verbrecher sind das Symptom einer gescheiterten Politik – sie sind nicht die Ursache.“ Beitrag von Anna Feist und Christian Rohde bei Frontal21 vom 22. August 2017 (in der ZDF-Mediathek abrufbar bis zum 22. August 2018, Länge: ca. 20 Min.)
- Woher kommt der Hass auf die Seenotretter? Die Hetze gegen die NGO-Schiffe im Mittelmeer zielt auf die innenpolitische Auseinandersetzung in Deutschland
„… Eine übergroße Koalition aus CDU/CSU, SPD, Grünen, Linken, FDP hat in den letzten Monaten ein Tabu über die Flüchtlingsdramen auf dem Wasser, das Afrika von Europa trennt, verhängt. Sie stützte den Deal der EU mit denjenigen, die in Libyen gerade das Sagen haben, in einer selbstbetrügerischen Hoffnung, die Fluchtbewegung könnte unter Beihilfe der libyschen Küstenwache gestoppt werden. Diese nationale Koalition verstand das Tabu vor allem als Mittel gegen die AfD. Das Kalkül: was man nicht sieht, darüber muss man nicht reden. Und wenn nicht geredet wird, keine Punkte für diese Partei. Ein Missverständnis. (.. ) Wer keine Argumente hat, greift zur Gewalt, zunächst zur Gewalt in der Sprache. Wem ein Menschenleben im Mittelmeer gleichgültig ist, interessiert der sich tatsächlich für Menschen im eigenen Land? Oder wird, wer Asylsuchenden die grundlegenden Sozialleistungen verweigern will, sie nicht irgendwann auch Einheimischen verweigern und dafür Gründe finden? Europa kann ohne Probleme zehn Millionen Flüchtlinge aufnehmen. Auch Deutschland hat noch viele Aufnahmeressourcen – und vor allem eine große Zahl von Aufnahmebereiten. Für Ankommende gibt es hundertausendfache Unterstützung, Helfer in jedem Dorf. Sie sind mindestens so viele, wie diejenigen, die Schutzsuchenden draußen vor der Grenze ihrem Schicksal überlassen wollen. Doch das große Tabu der letzten Monate hat auch sie zum Schweigen verurteilt, hat ihnen ihre Stimme geraubt und den Widerspruch gegen die falschen und dümmlichen Behauptungen der Populisten unhörbar gemacht. Deren Verantwortungslosigkeit konnte nicht durch die Verantwortung so vieler ehrenamtlicher Helfer entlarvt werden.“ Beitrag von Thomas Moser vom 14. August 2017 bei Telepolis – einer der Besten seit längerem hierzu!
- Libyen: EU beschließt Polizei auf Schiffen von Rettungsmissionen
„Die Union treibt die Kontrolle der Land- und Seegrenzen weiter voran. In einer Polizeischule in der Sahel-Region will die Bundesregierung afrikanische Grenzschützer trainieren…“ Artikel von Matthias Monroy vom 18. Juli 2017 bei telepolis
- Seenotrettung im Mittelmeer: Weniger Helfer bedeuten nur mehr Tote
„Private Rettungsschiffe im Mittelmeer helfen Schleuserbanden, behaupten EU-Politiker. Doch eine Auswertung der Positionsdaten zeigt: Die Helfer halten sich an die Regeln. (…) 110.374 Menschen schafften es in diesem Jahr über das Mittelmeer nach Europa. So zählt es das UN-Flüchtlingshilfswerk. Die meisten von ihnen fuhren über die zentrale Route von Libyen nach Italien. Zwei Drittel der Flüchtlinge waren in Schlauchboote gestiegen. „Keines dieser Gummiboote ist in der Lage, das Festland zu erreichen“, sagt Werth. Die Schlepper zwingen 120, manchmal 150 und mehr Leute auf die Schlauchboote, viel zu viel Last für die billig zusammengeklebten Gummihüllen. Mehr als 2.300 Flüchtlinge ertranken allein 2017. „Diese Menschen sind schon in Seenot, wenn sie den Strand verlassen“, sagt der ehrenamtliche Retter. Europäische Behörden bestätigen seine Einschätzung…“ Artikel von Kai Biermann, Karsten Polke-Majewski, Tilman Steffen und Sascha Venohr vom 19. Juli 2017 bei der Zeit online
- Verdeckte Ermittlungen der Bundespolizei gefährden Geflüchtete und ihre Helfer
„„Auch die Bundespolizei darf zukünftig verdeckte Ermittlungen durchführen, Schwerpunkt ist die irreguläre Migration. Auch humanitär und politisch motivierte Fluchthelfer werden dadurch kriminalisiert. Hinter den von der Bundespolizei dämonisierten ‚Schleuserbanden‘ verbirgt sich oft eine Diaspora von Geflüchteten und ihren Unterstützern, die Fluchthilfe nicht aus Profitinteresse betreiben“, erklärt der Bundestagabgeordnete zu den neuen Kompetenzen der Bundespolizei. Die Bundespolizei bestätigt den bereits üblichen Einsatz von Vertrauenspersonen und die Kooperation mit der türkischen Nationalpolizei. Nach der Änderung des Bundespolizeigesetzes im Juni rekrutiert die Bundespolizei nun verdeckte Ermittler…“ Pressemitteilung von und bei Andrej Hunko vom 10. Oktober 2016
- „Schlepper“, „Schleuser“, „Menschenschmuggler“: Über die Kriminalisierung der Fluchthilfe und Strategien der Justiz
„Seitdem die Bundesregierung Mitte September 2015 nach Art. 23 des Schengener Grenzkodex die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen beschlossen hat, ist die Zahl der Strafverfahren gegen sog. Schleuser_innen so drastisch gestiegen, dass in Bayern die Gefängnisse überfüllt sind und die Amtsgerichte Bewährungsstrafen im Viertelstundentakt verhängen…“ Beitrag von Michael Plöse beim Antifaschistischen Infoblatt AIB 109 / 4.2015, online vom 26.02.2016 . Aus dem Text: „… Während selbst aus Polizeikreisen eine Entkriminalisierung der unerlaubten Einreise und der Beihilfe hierzu gefordert wird, verschärft die Bundesregierung die Strafandrohung für Fluchthilfe auf eine Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis. Die „Bekämpfung“ von „Schleppern“ ist in Europa Staatsraison und soll vom politischen Versagen bei der Organisation der Flüchtlingshilfe ablenken. Dabei richtet sich die Kriminalisierung immer öfter auch gegen solidarische Fluchthilfeaktionen und kollidiert bewusst mit dem Wohlfühlgewissen der Willkommenskultur. 3.601 Flüchtende haben 2015 im Mittelmeer bei dem Versuch, ihr Leben zu retten, ihr Leben gelassen. Die Bilder von ertrunkenen Menschen an Europas Stränden und die 71 Leichen in einem LKW südlich von Wien erzeugen Betroffenheit und provozieren die Suche nach Verantwortlichen. Die unverhohlene Scheinheiligkeit, mit der die zuständigen Innenminister die Folgen ihrer martialischen Abschottungs- und Abschreckungspolitik den kommerziellen und solidarischen, in jedem Fall aber kriminalisierten Fluchthilfenetzwerken zuschieben, wenn sie Betroffenheit heucheln und von „schamlosen Menschenschmugglern“ schwadronieren, appelliert nicht umsonst an die rassistischen und stigmatisierenden Vorstellungen von den „ausländischen Schlepperbanden“, die schon in den 1990er Jahren unter dem Kampfbegriff der „Organisierte Kriminalität“ die Fluchthilfe in einem Atemzug mit „Menschenhandel“, Zwangsprostitution und Kindesmissbrauch nannten. Dabei wird oft vergessen, dass auch der illegalisierte Markt wie jeder andere nach den Mechanismen von Angebot und Nachfrage funktioniert und dass die militarisierte Aufrüstung an den Außengrenzen ebenso wie die Intensivierung der Migrationskontrolle im Inland für die Flüchtenden die Inanspruchnahme gut vernetzter Fluchthilfestrukturen geradezu notwendig macht und damit den Preis für die begehrte Dienstleistung in die Höhe treibt…„
- Fluchthilfe entkriminalisieren, Verselbständigung der EU-Polizeiagentur Europol stoppen
„„Die gegenwärtige Flüchtlingskrise braucht zweifellos eine gesamteuropäische Antwort. Die Aufrüstung der EU-Polizeiagentur gegen Fluchthilfe ist jedoch der falsche Weg. Das profitorientierte Geschäft der ‚Schlepper‘ wäre stattdessen sofort Geschichte, wenn die Europäische Union legale Einreisemöglichkeiten für Geflüchtete beschließen würde“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko zur Eröffnung des „Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ bei Europol. Zur „Zerschlagung von Schleppernetzen“ eröffnet Europol heute in Den Haag ein „Europäisches Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ (EMSC). Vorhandene Abteilungen werden zusammengefasst und aufgewertet. Zu dem Zentrum gehören Soforteinsatzteams für die Erstellung von Lagebildern und Durchführung gemeinsamer Operationen…“ Pressemitteilung von Andrej Hunko vom 22. Februar 2016
- Neue EU Regelung macht Rettungsarbeiten für NGOs gefährlich
„Der Rat der Europäischen Union hat vor, den Begriff der „Schmugglerei“ von Migrant*innen mit dem Begriff „Menschenhandel“ von Migrant*innen gleichzusetzen. Dies könnte dazu führen, dass viele NGOs und Freiwillige, die bei der Rettung, Versorgung und Hilfe von den in Europa ankommenden Migrant*innen tätig sind, kriminalisiert und sogar verhaftet werden.“ Kurzübersetzung von und bei borderline-europe vom 4. Februar 2016 . Siehe dazu den Original-Artikel „Refugee crisis: Council proposals on migrant smuggling would criminalise humanitarian assistance by civil society, local people and volunteers“ vom 28. Januar 2016 bei Statewatch
- „Refugee-Konvoi“: Fluchthilfeaktionen haben strafrechtliche Folgen
„Der sogenannte Refugee-Konvoi, ein Autokonvoi zur Fluchthilfe auf Etappen der Balkanroute in Richtung Deutschland, hat ein strafrechtliches Nachspiel: Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt laut STANDARD-Informationen gegen zumindest drei Teilnehmende wegen des Verdachts auf Schlepperei. Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt, dass Ermittlungen zumindest gegen einen Tatverdächtigen laufen, mehr könne man derzeit noch nicht sagen, da man den Polizeibericht abwarte. Es geht um den Konvoi von Ungarn nach Wien am 6. September 2015. Rund 150 Autos fuhren an jenem Tag von Wien nach Györ und Budapest, um Flüchtlingen eine sichere und kostenlose Weiterreise zu ermöglichen. Strafrechtliche Ermittlungen gibt es auch gegen eine zweite Fluchthilfeinitiative. Die von Deutschland aus lancierte Onlineplattform „fluchthelfer.in“, die zu privatem Fluchthilfeengagement aufruft und Tipps gibt, wie man sich dabei vor Strafverfolgung schützt, steht im Fokus eines Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt an der Staatsanwaltschaft (StA) Linz. Wobei es hier nicht um Schlepperei, sondern ums Auffordern zu Straftaten beziehungsweise zum Ungehorsam gegen Gesetze geht, wofür im Fall einer Verurteilung maximal zwei Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen sind. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass das Ermittlungsverfahren in Linz bleibt: Auch in Deutschland werde gegen die Plattform ermittelt, „in den nächsten Wochen“ kläre man, ob der Fall dorthin wandert, heißt es in Linz…“ Beitrag von Maria Sterkl beim Standard online vom 5. November 2015 . Siehe zum Hintergrund etwa: Aktion: Fluchthilfe ist kein Verbrechen – Materialsammlung im LabourNet Germany bis 10. August 2015
- Europol und Interpol verstärken Bekämpfung von Fluchthelfern
„Die Polizeiorganisationen errichten internationale Zentren gegen „Migrantenschleusung“. Die angeschlossenen Kriminalpolizeien verarbeiten auch Informationen von Geheimdiensten. Die EU-Polizeiagentur Europol erhält 30 zusätzliche Planstellen zum Aufspüren und Verfolgen von Fluchthelfern. Dies geht aus einem Nachtrag zum Haushaltsplan hervor, den die EU-Kommission Anfang des Monats veröffentlicht hat. Als Ziel wird die „Zerschlagung von Schleppernetzen“ angegeben. Einige der neuen Mitarbeiter sollen mithilfe automatisierter Verfahren das Internet beobachten. Europol soll Postings, mit denen die Fluchthelfer „Migranten und Flüchtlinge anlocken“, ausfindig machen und bei den Internetanbietern deren Entfernung aus dem Netz beantragen…“ Beitrag von Matthias Monroy bei telepolis vom 22.10.2015
- Landgericht Freiburg treibt Flüchtlinge ins Mittelmeer
„… Am Donnerstag, dem 26. März, endete das Verfahren gegen zwei mutmaßliche Fluchthelfer beim Landgericht Freiburg mit einer Verurteilung wegen „Einschleusen von Ausländern“. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagten in mehreren Fällen Blankodokumente an eine türkische Gruppe weitergaben, die damit syrischen Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland ermöglichte. Der akj Freiburg hatte sich im Vorfeld dafür ausgesprochen, die Angeklagten unter Berufung auf den rechtfertigenden Notstand nach § 34 Strafgesetzbuch freizusprechen. Dem ist das Landgericht nicht gefolgt…“ Der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen (akj) Freiburg kritisiert die Verurteilung von mutmaßlichen Fluchthelfern. Pressemitteilung des akj Freiburg vom 29.03.2015 . Siehe dazu:- Aus demText: „… Der akj Freiburg kritisiert das Urteil als herben Rückschlag für syrische Flüchtlinge, die in der Türkei festsitzen. Das Landgericht verkenne die akute Notlage, in der sich Viele der über 1,7 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei befinden. Sie leben in überfüllten Lagern oder auf der Straße und hungern, insbesondere im Winter ist die Lage lebensgefährlich. Die Gesundheitsversorgung ist völlig unzureichend, wie zahlreiche Berichte internationaler Organisationen belegen. Die Verfolgung und Kriminalisierung von Fluchthelfer*innen wird nach Einschätzung des akj dazu führen, dass noch mehr Flüchtlinge auf das Mittelmeer ausweichen müssen. Das Landgericht Freiburg trägt folglich zum Massensterben an den EU-Außengrenzen bei…„
- Siehe auch das Interview mit dem akj Freiburg im Radio Dreyeckland vom 27. März 2015
- Kein Strafnachlass für Schleusen von Flüchtlingen aus Griechenland
„Für Schleuser gibt es keine Strafmilderung. Das gilt auch dann, wenn sie aus humanitären Gründen handeln und Flüchtlinge aus Ländern schleusen, denen erhebliche Asyl-Defizite attestiert werden. Das hat das Bundesgerichtshof entschieden. (…) Damit bestätigte das Gericht die Verurteilung zweier Männer zu jeweils drei Jahren Haft wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern…“ Meldung beim Migazin vom 2. März 2015
- Das Flüchtlingsverbrechen
„Der eine half DDR-Bürgern bei der Flucht in den Westen und gilt als Held. Der andere brachte Flüchtlinge aus Sri Lanka nach Deutschland und wurde verurteilt. Schleusern schlägt inzwischen nur noch Verachtung entgegen. Dabei kann man Fluchthelfern durchaus edle Motive unterstellen…“ Artikel von Alex Rühle auf sueddeutsche.de vom 1. März 2015 . Aus demText: „… Was soll man zuletzt sagen gegen das Argument einiger Kritiker, man könne die Arbeit der DDR-Fluchthelfer nicht mit heutiger Schleuserarbeit vergleichen? Schließlich habe es damals eine tödliche Grenze gegeben, während doch heute jeder Asylantrag genau geprüft werde? Da muss Burkhard Veigel am Telefon lachen: „Die kommen ohne Schleuser ja nie dazu, einen Asylantrag zu stellen. Das Mittelmeer ist tödlicher als die Mauer.“ Veigel ist heute 80 Jahre alt, und er sagt: „Ich sehe keinen Unterschied zwischen dem, was ich gemacht habe und dem, was ein syrischer Fluchthelfer macht. Wenn ein Mensch in Not ist, hat er ein eigenes Gesetz. Und wenn ihm kein anderer hilft, müssen wir das eben tun.“„
- Strafe für lebensrettende Fluchthilfe?
„Ab dem 30. Januar wird am Landgericht Freiburg der Fall von drei mutmaßlichen Mitgliedern einer sogenannten „Schleuserbande“ verhandelt. Den Angeklagten wird vorgeworfen, Einbrüche in Rathäuser in Auftrag gegeben, die dabei erbeuteten Blankodokumente zum Fälschen von Ausweisen verwendet und so syrischen Flüchtlinge die Einreise nach Deutschland ermöglicht zu haben. Der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen (akj) geht von einem Freispruch durch das Landgericht aus. „Strafe für lebensrettende Fluchthilfe? So ein Blödsinn! Wir leben doch in einem Staat, der die Grund- und Menschenrechte achtet“, erklärt David Werdermann vom akj. Dass es überhaupt zur Anklage durch die Staatsanwaltschaft gekommen ist, sieht der akj in der mangelhaften Jurist*innenausbildung begründet. Diese produziere gewissenlose Rechtstechniker*innen, die ihr Fähnchen in den Wind der aktuellen politischen Machtverhältnisse (hier: die europäische Abschottungspolitik) hängen, statt dem Recht zur Durchsetzung zu verhelfen…“ Pressemitteilung des akj Freiburg vom 29.01.2014 . Siehe dazu auch das Interview mit dem akj Freiburg beim Radio Dreyeckland vom 30. Januar 2015
- Von Schleppern und Schleusern: Prozess in der Wiener Neustadt steht vor der Urteilsverkündung. Dazu:
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- Schlepper: Hier Helden, dort Kriminelle – Artikel von Maria Sterkl in Der Standard vom 29. November 2014 und Urteilsverkündung “Schlepperei”-Prozess – hinfahren, Solidarität zeigen! Aufruf der Unterstützer*innengruppe solidarityagainstrepression zur (voraussichtlichen) Urteilsverkündung am 4. Dezember 2014 in unserem Beitrag
- Fluchthelfer und Schlepper: Hier Held, dort Verbrecher
„Sie überwinden Mauern. Manche tun es aus Überzeugung, viele für Geld. Aber während man Fluchthelfer feiert, werden Schlepper verfolgt…“ Artikel von Christian Jakob in der taz online vom 08.11.2014
- Fluchthilfe: Lob des Schleusers
„Es gab eine Zeit, da hießen Schleuser und Schlepper noch „Fluchthelfer“ und haben für ihre kostenpflichtiige Dienstleistung in bundesdeutschen Zeitungen offen geworben. In der DDR galt dies natürlich als Straftatbestand und wurde als „staatsfeindlicher Menschenhandel“ geahndet. (Unterhalb von „staatsfeindlich“ ging in der DDR offenbar nichts.) Heute gibt es die DDR zwar nicht mehr. Fluchthelfer werden aber nun von der BRD ebenfalls konsequent verfolgt. So berichtet etwa „Der Westen“ im Dezember 2013: „Mit einer Bewährungsstrafe beendete das Landgericht Essen einen Prozess gegen anfangs sechs Angeklagte, die Syrer aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland geschleust hatten. Das Gericht berücksichtigte zwar humanitäre Aspekte, den Schleusern sei es aber auch um den finanziellen Gewinn gegangen.“ Der Autor Stefan Buchen hat dazu ein Buch geschrieben: „Die neuen Staatsfeinde. Wie die Helfer syrischer Kriegsflüchtlinge in Deutschland kriminalisiert werden.“… Artikel auf der Seite der GGUA Flüchtlingshilfe (Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V.) 21.08.2014
- Lob der Schleuser – Wer Menschen in Not hilft, ist kein Verbrecher
„In Verfahren gegen so genannte ›Schleuser‹ gelingt der Justiz die Herstellung einer Konkordanz zwischen Gesetz und Recht häufig nicht.(1) Die nach weit verbreiteter Auffassung notwendige strikte Abschottung der Festung Europa, die geringe Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse und politische Brandstiftung nicht nur aus dem konservativen Lager stehen dem im Weg; das hat die mit sachfremden Erwägungen gespickte mündliche Urteilsbegründung des Landgerichts Essen gegen so genannte Schleuser erst kürzlich gezeigt. Es ist schon von daher längst überfällig, für die vielen erkannten – und die noch größere Zahl der unerkannten – Fluchthelfer, die verfolgten und Not leidenden Menschen bei der Einreise nach Deutschland und in die Europäische Union (EU) Hilfe leisten, eine Lanze zu brechen…“ Artikel von Axel Nagler, Rechtsanwalt, Notar und Seemann und Mitglied im Vorstand der Strafverteidigervereinigung NRW e.V. Der Originalbeitrag ist in der Februar-Ausgabe (2014) der Zeitschrift ›freispruch. Mitgliederzeitung der Strafverteidigervereinigungen‹ erschienen; wir danken für die Nachdruckerlaubnis.“ Der Nachdruck des Artikels auf der Seite der RAV
- Kommentar Schleuser und Asylrecht: Einwanderung neu denken
„Bei Fluchthelfern ist es wie beim Drogenhandel: Nur die Legalisierung sorgt für mehr Sicherheit und macht Kriminellen das Leben schwer.
Schleuser oder Schlepper sind Berufe, die auf dem Humus der europäischen Asylpolitik gedeihen. Beispielsweise in Österreich. Dort dürfen Asylanträge seit etwa 15 Jahre nur im Inland gestellt werden. Wer sich in seinem Land nicht sicher fühlt, wird durch die Gesetzeslage gezwungen, die Dienste von Fluchthelfern in Anspruch zu nehmen und in der Regel auf lebensgefährlichen Wegen nach Europa zu kommen. Denn die wenigsten sind mit Vermögen, Flugticket und Visum ausgestattet…“ Kommentar von Ralf Leonhard in der taz online vom 06.02.2014
- Streit um Meinungsfreiheit in Österreich: Auch Schlepper dürfen gelobt werden
„Ein Asylrechtsaktivist sollte verklagt werden, weil er Schlepper „sozial nützliche Dienstleister“ nannte. Der Prozess wurde in letzter Minute abgesagt.
Schlepper oder Schleuser, die Verfolgte ins Land bringen, haben Anspruch auf ihr Geld. Das kann man in Österreich ungestraft behaupten. So ist die Entscheidung der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu interpretieren, einen Prozess gegen Michael Genner in letzter Minute abzublasen. Am Donnerstag hätte sich der Vorsitzende der Asylrechtsorganisation Asyl in Not in Wien wegen „Gutheißens einer mit Strafe bedrohten Handlung“ vor Gericht verantworten müssen…“ Artikel von Ralf Leonhard in der taz online vom 05.02.2014 . Siehe zum Hintergrund: Internationales » Österreich » Soziale Konflikte » Solidarität mit Michael Genner! (Prozess abgesagt)
- Siehe auch im LabourNet: Europäische Flüchtlingspolitik: Wie aus Rettern Schleuser werden