Gewerkschaften mit Aufrufen zur Europawahl auf Abwegen
Dossier
„Jetzt erschien ein gemeinsamer Aufruf von Arbeitgebern und Gewerkschaften aus dem Raum Olpe und Siegen, unterschrieben von Verantwortlichen des DGB, der IG-Metall und von Verdi. In dem Aufruf werden die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands und ausdrücklich die Exportüberschüsse von zuletzt 265 Milliarden € als Erfolg gefeiert und ebenso die Militarisierung Europas, verpackt als gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik auf Augenhöhe mit anderen Kräften in der Welt. Außerdem wird das übliche Geschwätz über die Herausforderungen in der Welt und über “Populisten” nachgebetet. Die EU wird verklärt, statt wirklich zu beschreiben, was dort besser werden muss. Dass so etwas von Gewerkschaftern unterschrieben wird oder sogar formuliert worden ist, ist ein Beleg und ein Armutszeugnis gewerkschaftlicher Entwicklung. Die Herren (Damen sind nicht dabei) aus Siegen und Olpe, Arbeitgebervertreter wie Gewerkschaftsvertreter, haben noch nicht einmal wahrgenommen, dass Leistungsbilanzüberschüsse innerhalb Europas in dem genannten und erlebten Ausmaß einen Europa zerstörenden Charakter haben. (…) Die Gewerkschafter aus Olpe und Siegen sehen nur die Perspektive der währungspolitischen Sieger und nicht jene ihrer Kolleginnen und Kollegen in Spanien, Italien, Griechenland und in Ost- und Südosteuropa. Nicht einmal dieses bisschen internationale Solidarität bringen sie auf, wenn sie einen Aufruf zu Europa formulieren und unterschreiben…“ Artikel von Albrecht Müller vom 17. Mai 2019 bei den Nachdenkseiten mit dem Aufruf: „Bitte intervenieren Sie“. Siehe weiteren Aufruf des DGB-Region Südwestfalen sowie eine gute Analyse desjenigen des Bundes-DGB:
- Werbung für Rechtspopulisten. Gegen die AfD wettern, aber Wasser auf die Mühlen von Populisten außerhalb Deutschlands lenken – wie passt das zusammen?
„… Selbst wenn man von all diesen Punkten absieht, muss man dieses Zitat nur einmal aus der Perspektive eines Franzosen lesen, um den Wahnsinn zu erkennen, der darin steckt. Das Zitat liest sich dann ungefähr so: „Die französische Brexit-Partei, das ist der Rassemblement National. Er will zurück zum Franc, raus aus dem Euro. Das ist clever in einer Situation, wo die französische Volkswirtschaft die Hauptleidtragende der Euro-Zone ist. Der gemeinsame Währungsverbund mit u.a. der deutschen Volkswirtschaft, die zwar nicht produktiver, aber viel wettbewerbsfähiger ist als die französische, bewirkt einen ungünstigeren Wechselkurs, als ihn der Franc hätte. Den französischen Exporteuren bringt das eine Verteuerung ihrer Exporte. Ein Zurück zum Franc würde unweigerlich mit einer Abwertung der dann wieder nationalen Währung einhergehen. Das würde französische Exporte schlagartig verbilligen und wäre der programmierte Marsch in den Wirtschaftsaufschwung. So etwas zum Programm zu erheben, ist klug, es ist richtig aus Kenntnis der Zusammenhänge. Einer Partei, die solche Vorschläge unterbreitet, muss man seine Stimme geben. Sie nützt uns französischen Arbeitnehmer*innen.“ Wenn das nicht die passende Wahlwerbung für Rechtsaußen in anderen Ländern Europas ist (denn diesen Text kann man ja genauso auf Länder wie Italien ummünzen). Sie stammt – es ist kaum zu glauben – von Frank Bsirske, dem von mir eigentlich sehr geschätzten Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. (…) Alles deutsche Werben für Europa und erst recht für einen Erhalt des Euro ist unglaubwürdig, wenn nicht direkt dazu gesagt wird, wo das Hauptproblem liegt und wie es gelöst werden soll. Die deutschen Exporterfolge haben mit der von Frank Bsirske richtig diagnostizierten Unterbewertung deutscher Waren zu tun. Und diese ist ganz wesentlich auf die deutsche Lohnpolitik zurückzuführen. Wer nicht bereit ist, an dieser Stelle den Weg aufzuzeigen, der unter Beibehaltung des Euro in absehbarer Zeit aus den unfairen Wettbewerbsverhältnissen innerhalb der Eurozone hinausführt, ohne die Arbeitslosigkeit und die private wie öffentliche Armut im Rest Europas zu erhöhen, sollte besser gar nichts sagen. Denn er lenkt nur Wasser auf die Mühlen der Nationalisten und Rechtspopulisten außerhalb Deutschlands…“ Beitrag von Friederike Spiecker vom 21.05.2019 bei Makroskop
- Deutsche Gewerkschaften und die Europawahl – sag mir, wie Du wirbst, und ich sage Dir, wie Du tickst
„… Die Plakate, mit denen die IG Metall ihre Mitglieder zur Stimmabgabe an diesem Sonntag motivieren will, zeigen in erstaunlicher Schlichtheit, wie eine einst kämpferische Gewerkschaft ihren Frieden mit den Arbeitgebern gemacht hat. Diese Plakate könnten genauso gut von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft kommen. Wie Gewerkschaften kritisch für die Europawahlen werben können, zeigt hingegen der Europäische Gewerkschaftsbund. Die NachDenkSeiten haben für Sie die Plakate gegenübergestellt…“ Artikel von Jens Berger vom 23. Mai 2019 bei den Nachdenkseiten
- Appelle vor der EU-Wahl: Die Meinungsmache einer ganz großen Koalition
„In zahlreichen Appellen werden die Bürger aktuell zur EU-Wahl aufgerufen. Dafür schließen sich etwa Gewerkschafter und Arbeitgeber zusammen, wie Albrecht Müller aktuell hier beschrieben hat. Die zahlreichen Aufrufe diverser Gruppen sind teils heuchlerisch, weil ein unrealistisches „Wir“ erzeugt wird und weil sich in ihnen die Verantwortlichen für die sozialen Spaltungen aus der Affäre ziehen wollen. (…) Eine lästige Besonderheit im Vorfeld der EU-Wahl ist die inflationäre Veröffentlichung von flammenden Appellen „für die Demokratie“ und „für die Weltoffenheit“. Zur Heuchelei wird dieses Vorgehen dadurch, dass hier teils jene Personen Demokratie und Weltoffenheit einfordern, die eine Mitverantwortung dafür tragen, dass aus vielen weltoffenen Bürgern verunsicherte, demokratie-skeptische und sich abgrenzende Individuen wurden: Indem die soziale Frage ignoriert wurde, indem links orientierten Bürgern keine politische Heimat geboten wurde und indem zahlreiche wichtige Themen rechten Parteien überlassen wurden. Die Arbeitgeber leisteten ihren Beitrag zu dieser Entwicklung, indem sie durch Lobbyismus den Abbau staatlichen Einflusses und sozialer Absicherung forciert haben. Und die Gewerkschaften, Künstler und Kirchen haben es versäumt, diesem Lobbyismus angemessenen Widerstand entgegenzusetzen – wenn sie den Lobbyismus nicht sogar aktiv unterstützt haben. Die devote Haltung vor allem der Gewerkschaften schlägt sich aktuell etwa in einem Appell der Initiative „Allianz für Weltoffenheit“ nieder, auf den unten im Text genauer eingegangen wird. (…) Genauer betrachtet werden soll hier der Aufruf der „Allianz für Weltoffenheit“ . Diese Allianz ist eine ganz große Koalition aus Gewerkschaftern, Arbeitgebern, Kirchen und Kultur-Institutionen. Und sie steht der EU weitgehend kritiklos gegenüber (…) Der Appell geht – wie die meisten anderen Aufrufe – nicht auf den realen Stand der Dinge ein, sondern liefert verführerische Projektionen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) identifiziert sich ganz besonders mit dem Aufruf und hat in einer Pressemitteilung Zitate dazu gesammelt. (…) Und selbst der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann vermeidet es, jenseits der allgemeinen Formel von einem „sozialen Europa“ in angemessener Weise die Gerechtigkeits-Frage zu stellen. Und auch er versteckt die essenzielle soziale Frage hinter den „Nationalisten“ (…) Solche die sozialen Verwerfungen zu sehr aussparenden und „unser aller“ Gewinn durch die EU betonenden Appelle sind auch ein Schlag ins Gesicht der unter EU-Spardiktaten leidenden EU-Bürger in den südlichen Ländern. Und ebenso jener deutschen Bürger, deren Planungssicherheit und Lebensstandard seit der Wiedervereinigung immer weiter erodiert. (…) Die Positionen der Gewerkschaften, der Künstler und der Kirchen haben sich teils bis zur Verschmelzung jenen der Arbeitgeberverbände angenähert…“ Artikel von Tobias Riegel vom 17. Mai 2019 bei den Nachdenkseiten
- DGB-Wahlaufruf: Ein starkes Signal aus Südwestfalen für Europa. Europawahl am 26. Mai – Weichenstellung auch für Arbeitnehmer
„„Wählt ein soziales und demokratisches Europa!“, so lautet die Überschrift über dem Wahlaufruf südwestfälischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Europawahl am 26. Mai 2019. Die DGB-Region Südwestfalen mit ihren drei Kreisverbänden, Siegen-Wittgenstein, Olpe und dem Hochsauerlandkreis hatte sich dazu in den vergangenen Wochen die Unterstützung bei Betriebs- und Personalräten und den Gewerkschaften eingeholt. Ingo Degenhardt, Geschäftsführer des südwestfälischen DGB, kann ein stolzes Ergebnis präsentieren. „180 Kolleginnen und Kollegen haben in kurzer Zeit unseren Aufruf namentlich unterstützt. Das ist ein starkes Signal für Europa und ein deutliches Werben sich an der Europawahl zu beteiligen.“ Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind und waren immer für Europa als Friedens- und soziales Fortschrittsprojekt. „Das heißt aber nicht, dass wir mit allen Entwicklungen in der EU zufrieden sind. Die europäische Einigung wurde zu stark auf die wirtschaftlichen Freiheiten ausgerichtet, die sozialen Rechte und Belange der Menschen hingegen standen lange nicht im Vordergrund. Trotz des Titels ‚Exportweltmeister‘ hat der deutsche Arbeitsmarkt den zweitgrößten Niedriglohnsektor in Europa. Das gefährdet den Zusammenhalt und das Vertrauen in die europäische Union. Rechtspopulistische und nationalistische Kräfte erhalten dadurch verstärkt Zulauf“, beschreibt Ingo Degenhardt die Situation…“ Pressemitteilung vom 15.05.2019 von und bei DGB Südwestfalen zum Wahlaufruf südwestfälischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Europawahl : „Wählt ein soziales und demokratisches Europa!“
- 20. Mai: Aktionstag vor der Europawahl. Europa. Jetzt aber richtig!
„Vor der Europawahl (26. Mai) machen sich Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und Gewerkschaften bundesweit mit einem Aktionstag noch einmal für ein soziales Europa stark. Überall in Deutschland werden Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter am 20. Mai für die Teilnahme an der Europawahl werben…“ Aktionstag samt Forderungen beim DGB
- Siehe die DGB-Sonderseite : Für ein soziales, solidarisches und gerechtes Europa. Am 26. Mai ist Europawahl. Wähle ein soziales Europa!