Die eigentlich absurde Debatte um alltägliche Terrorakte von Nazibanden wirkt: Mord und Totschlag werden „normal“
„Nur“ Siebenhundert Anschläge verschiedener Art auf Flüchtlingsheime im ersten Halbjahr 2018 – sprich etwa 4 am Tag – die Zahl ist doch tatsächlich zurück gegangen. Also, die Tendenz ist abnehmend, alles OK, nächstes Thema. So ungefähr wirkt die jüngste Debatte um die Zahl der Anschläge in der BRD, die oft genug so geführt wird, als wäre nicht jeder einzelne Terrorakt einer zu viel. Von den ganzen sonstigen Aktivitäten ganz zu schweigen: Mal hier, mal da wird geschossen und geschlagen und Feuer gelegt. Gewöhnt „man“ sich daran, sind ja auch, wenn überhaupt, eher kleinere Meldungen auf Seite 13. Und, wohlgemerkt, es handelt sich nicht um die längst alltäglich gewordenen Aktionen, wie Drohungen und diverse Formen von Attacken auf alle möglichen „Anderen“. Zur allmählichen Normalisierung des Naziterrors eine kleine Sammlung aktueller Beiträge:
„704 Angriffe gegen Flüchtlinge“ am 13. August in neues deutschland ist eine Meldung über eine Antwort des Innenministeriums auf eine kleine Anfrage, die stellvertretend für die eingangs erwähnte Normalisierung stehen kann: „Im ersten Halbjahr 2017 lag die Zahl der Attacken noch bei 1227, im ersten Halbjahr 2016 bei 2259. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab es nach Ministeriumsangaben insgesamt 627 Angriffe auf Flüchtlinge und 77 Attacken auf ihre Unterkünfte. Mit 688 war die Mehrzahl aller Taten rechtsextrem motiviert. Es wurden 120 Menschen verletzt. Die Polizei ermittelte 459 Tatverdächtige. Darüber hinaus gab es im ersten Halbjahr dieses Jahres 39 politisch motivierte Angriffe gegen Hilfsorganisationen oder ehrenamtliche Helfer, die sich für Flüchtlinge engagieren…“. Wie eingangs betont: Die Tendenz ist beruhigend und die Frage welche Motive für Terrorakte es geben mag, die nicht rechtsradikal sein sollen, bleibt auch diesmal unbeantwortet.
„In alle Richtungen“ von Sebastian Bähr am 08. August 2018 in neues deutschland berichtet aus dem Alltag und entstehenden Fragen: „Ein lauter Knall reißt die Bewohner eines Mehrfamilienhauses im Leipziger Stadtteil Reudnitz aus dem Schlaf, auch Anwohner in der Umgebung werden durch den Lärm geweckt. Im Dönerimbiss des Untergeschosses ist es zu einer Explosion gekommen. Trümmer liegen auf der Straße ausgebreitet, im Laden brennt es, im Treppenhaus Qualm. Die Bewohner werden von der Feuerwehr von Balkons gerettet, zwei Frauen müssen mit einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus. Am nächsten Morgen ist der Imbiss ausgebrannt, die Hausfassade komplett verrußt. Polizeiband versperrt die Straße…“
„Schüsse auf Bäckereiverkäuferin in Heilbronn“ am 26. Juli 2018 bei Perspektive Online über das Normalitätsempfinden bundesdeutscher Polizisten: „Am Dienstag stürmte ein 30-Jähriger mit einer ungeladenen Luftdruckpistole in eine türkische Bäckerei und zielte mehrmals auf die anwesende Verkäuferin, die ein Kopftuch trug. Da die Waffe nicht geladen war, blieb die junge Frau körperlich unbeschadet. Durch den Schock ist sie allerdings bis auf weiteres krank geschrieben, an ihrer Abschlussprüfung in Bälde wird sie vermutlich nicht teilnehmen. „Das kann nur ein rassistisches Motiv sein“, so der Inhaber der Bäckerei, Alper Yildirmaz. (…) Die Polizei Heilbronn jedoch wandte alle Einwände, dass es sich vermutlich um eine rassistisch motivierte Tat handle, ab. Immerhin habe der Täter das selbst gesagt: „Er verneinte ausdrücklich, aus einem fremdenfeindlichen Motiv gehandelt zu haben“, teilten die ErmittlerInnen mit. Schon darin sehen die StreiterInnen des NSU-Tribunals eine Gemeinsamkeit zu den Morden und Anschlägen des NSU: BeamtInnen und Behörden, die – obwohl sie juristisch dazu gezwungen wären – rassistische und faschistische Zusammenhänge nicht wahrnehmen oder gar decken…“
„Deutscher schießt auf minderjährige Flüchtlinge und kaum jemand berichtet darüber“ von Thomas Laschyk am 31. Juli 2018 im Volksverpetzer : „Am Montag schoss ein 35-jähriger Mann in Thüringen viermal mit seiner Schreckschusspistole auf minderjährige Flüchtlinge, mit welchen er anscheinend einen Streit gehabt haben sollte. Die Polizei sagte, dass es „eine Kurzschlussreaktion“ gewesen sei. Mag sein, aber man stelle sich vor, ein Flüchtling hätte das gleiche mit deutschen Kindern gemacht. Die AfD und die rechtsextremen Trolle hätten es irgendwie auf die Hautfarbe zurückgeführt. Hast du von dem Fall gehört? Hat die AfD wieder eine ihre unsäglichen Grafiken dazu erstellt, die aus jedem falschen Pups eines Migranten einen Skandal schustern? Vermutlich nicht. Deutsche Medien berichten überdurchschnittlich oft, wenn Täter Nicht-Deutsche sind. Und seltener, wenn Opfer Nicht-Deutsche sind, wie auch eine Studie der Medienfachhochschule Macromedia Berlin feststellt. Wir stumpfen gegenüber rassistischen Attacken ab…“
„Ein Herzchen für die NSU-Terroristen“ von Annette Ramelsberger am 10. August 2018 bei der SZ Online über Unterstützungsaktionen für den Terror: „Seit der Enttarnung der rechtsradikalen Terrorbande NSU sind in Deutschland fast 360 Straftaten begangen worden, bei denen die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds verherrlicht wurden. Vor allem die Gedenkorte, die an die Opfer der Mordserie erinnern sollen, werden immer wieder geschändet. So urinierten im Februar 2016 Neonazis auf die Gedenktafel für die Opfer in Nürnberg und stellten das Bild mit der Bemerkung ins Internet: „Wir pissen drauf.“ In Zwickau, wo die zu lebenslanger Haft verurteilte Beate Zschäpe mit ihren Komplizen wohnte, wurden Bänke, die an die Opfer erinnerten, zerstört und gestohlen. Und im Februar 2017 wurde ein Gedenkort in Rostock mit Farbe überschüttet. 2018 wurde es dann unmissverständlich: Neonazis malten in Rostock am Ort eines NSU-Mordes ein Herzchen mit der Aufschrift NSU…“
„Die Schweiz als Stützpunkt“ von Martin Germann und Jan Jirát am 09. August 2018 in der WoZ über nazionale Kooperation: „Wenn sich Neonazis treffen, geben sie sich gerne einen seriösen Anstrich. So auch am «Eichsfeldtag» im Mai 2017 im westlichen Thüringen. Gastgeber Thorsten Heise, seit dreissig Jahren in der militanten Neonaziszene aktiv und aktuell im Bundesvorstand der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), versuchte, dem Rechtsrockevent mit Hüpfburgen und Kinderschminken einen familiären Touch zu verleihen. Doch während der nationale Nachwuchs in den Hüpfburgen tollte, standen auf der Bühne Bands, die ihren Fremdenhass und ihre Glorifizierung der Nazivergangenheit ins Publikum brüllten. So wie Amok aus dem Zürcher Oberland um den mehrfach vorbestraften Sänger Kevin Gutmann. Ihr Auftritt bei Heise war kein Zufall. Das zeigt eine aktuelle und umfangreiche Recherche der unabhängigen antifaschistischen Rechercheplattform Exif, die unter anderem auf geleakten internen Mails, Dokumenten und Kontoauszügen beruht. Sie legt das Beziehungsgeflecht und die klandestinen Aktivitäten des international organisierten neonazistischen Netzes Combat 18 (C18) offen, was für «Kampftruppe Adolf Hitler» steht. Heise und Gutmann sind Teil dieses Netzes. Der NPD-Funktionär ist eine ganz zentrale Figur, nicht zuletzt, weil er einen rechtsextremen Versandhandel sowie ein Rechtsrocklabel betreibt. Gutmann bekennt sich als Sänger von Amok offen zu C18 und verherrlicht die Organisation in seinen Liedern. Neben der Dortmunder Band Oidoxie sei Amok die wohl einflussreichste C18-Band in Europa, schreibt Exif…“