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Abschaffung des Autonomiestatuts mobilisiert in Katalonien für die Verteidigung grundlegender demokratischer Rechte
„Hätte es noch eines weiteren Anlasses bedurft, so hatte der spanische Regierungschef Mariano Rajoy noch einen draufgesetzt und dafür gesorgt, dass um nach Angaben der Polizei etwa 500.000 Menschen zusammengeströmt sind. Nach einer außerordentlichen Kabinettssitzung verkündigte er gegen 13 Uhr 30, wie von Telepolis erwartet, einen institutionellen Putsch gegen die katalanische Autonomie und die Regionalregierung. (…) Nun aber soll die Autonomie faktisch komplett über den Paragraphen 155 ausgesetzt und die katalanische Regierung entmachtet werden. Das ist sogar ein einzigartiger Vorgang im postfaschistischen Spanien. Eigentlich wollte man heute für die Freiheit der politischen Gefangenen demonstrieren. (…) Gegen diese neue Eskalation mit den Inhaftierungen hatten spontan schon viele Menschen demonstriert, doch zur Demonstration heute hatten neben diesen beiden Organisationen auch die Taula per la Democràcia (Runder Tisch für die Demokratie) und damit dutzende Organisation aufgerufen, zu denen auch die beiden großen spanischen Gewerkschaften gehören“ – aus dem Beitrag „Hunderttausende gegen „155““ von Ralf Streck am 21. Oktober 2017 bei telepolis , aus dem einmal mehr deutlich wird, dass es längst nicht nur oder mehr um irgendeinen katalonischen Nationalismus oder Separatismus geht, sondern um die Verteidigung grundlegender demokratischer Rechte gegen die Offensive von Francos monarchistischen Erben, zu denen auch – neben der regierenden PP, ohnehin eine Gründung von Francos Exministern – die Sozialdemokraten des Königs gehören, die die Aussetzung des Autonomiestatuts (wie immer und überall mit viel Geschwurbel) mit tragen. Siehe dazu einige weitere aktuelle Beiträge, sowie weitere Materialien zur Grundsatzdebatte um die katalonische Unabhängigkeitsbewegung:
- „Autonomie außer Kraft“ von Rainer Wandler am 21. Oktober 2017 in der taz , worin neben der formaljuristischen Aussetzung auch erwähnt wird: „Fortan wird Madrid so sensible Bereiche wie die Führung der Autonomiepolizei Mossos d’Esquadra, die Finanzen der Region, aber auch Bildung und das öffentliche Fernsehen und den Rundfunk übernehmen. Das lässt nichts Gutes erwarten. Denn Rajoys konservative Partido Popular (PP) sowie die rechtsliberalen Ciudadanos beschuldigen seit Jahren die Lehrer des katalanischsprachige Schulsystems, den Nationalismus zu fördern, und die Medien, nicht objektiv zu sein“.
- „Madrid entmachtet katalanische Regierung“ am 21. Oktober 2017 in neues deutschland ist eine Meldung, in der die beschlossenen Schritte folgendermaßen zusammen gefasst werden: „Rajoy und seine Minister berieten am Samstag bei einer Sondersitzung wegen des umstrittenen Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien von Anfang Oktober über Zwangsmaßnahmen gegen die Regionalregierung in Barcelona. Sie entschieden sich schließlich für die Anwendung von Artikel 155 der spanischen Verfassung. Dieser sieht das Aussetzen der Autonomierechte einer Autonomen Gemeinschaft in Spanien wie etwa Katalonien vor, wenn diese ihre von der Verfassung oder anderen Gesetzen auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt »oder so handelt, dass ihr Verhalten einen schweren Verstoß gegen die allgemeinen Interessen Spaniens darstellt«. Es ist das erste Mal, dass dieser Verfassungsartikel Anwendung findet“.
- „Persecución política del Régimen del 78: El camino hasta el 155“ von La Comuna am 22. Oktober 2017 bei LaHaine dokumentiert, ist ein Beitrag, der die Entwicklung der Repression im spanischen Staat bis hin zur Anwendung des § 155 nach skizziert. Der kontinuierliche Abbau demokratischer Rechte, vor allem am Beispiel des sogenannten Maulkorbgesetzes („Ley Mordaza“) dargestellt, das die freie Meinungsäußerung beendete sei die Voraussetzung, so die Autoren, für die Anwendung des § 155, der die Absetzung einer demokratisch gewählten Institution wie des katalonischen Parlaments bedeute.
- „Los trabajadores de Catalunya Ràdio y TV3 rechazarán a una dirección impuesta por el Gobierno“ am 22. Oktober 2017 bei kaosenlared ist ein Bericht über die ersten Reaktionen der katalonischen Medienbeschäftigten auf die Anwendung des § 155: Die Betriebskomitees des Radiosenders und des Fernsehkanals TV 3 erklären in einer ersten Reaktion, es bliebe ihnen keine andere Haltung, als eine von der Madrider Regierung eingesetzte neue Leitung der Sender nicht anzuerkennen.
- „Catalogne et Etat espagnol : L’auto-organisation et la détermination se renforcent face à la répression“ von Miguel Segui am 18. Oktober 2017 bei Europe Solidaire dokumentiert, ist ein Beitrag in dem vor allem Thema sind die Bestrebungen und Schritte zur Selbstorganisation des demokratischen, linken Flügels der Unabhängigkeitsbewegung und der Kräfte, die sich inzwischen massiv gegen die spanische Repression – auch außerhalb Kataloniens – in Bewegung setzen.
- „Hört die völkischen Signale“ von Richard Schuberth am 19. Oktober 2017 in der jungle world ist ein Beitrag in dem, neben dem bekannten Argument des „Wohlstands-Separatismus“ auch zutreffende Anmerkungen gemacht werden, wie etwa einleitend: „Wenn es im Königreich Spanien einen Flecken gibt, der es verdient hätte, ein »gallisches Dorf« genannt zu werden, dann ist das nicht Katalonien, sondern die andalusische Gemeinde Marinaleda. Ihr steht seit 1979 der kommunistischer Bürgermeister Juan Manuel Sánchez Cordillo vor, der das Dorf nach kommunistischen Prinzipien regiert – im elementarsten Sinn des Wortes. Bloß ist das »Volk« von Marinaleda noch nicht auf die dumme Idee gekommen, die Unabhängigkeit von Madrid zu erklären. Wenn es der Linken inner- und außerhalb Kataloniens bloß darum ginge, ein fortschrittliches Gegenmodell aus dem spanischen Nationalstaat freizuhauen, dann müsste sie eigentlich zunächst die »República libre de Marinaleda« erkämpfen“.
- „#Catalonia: Fundamental Social Change is Far Away“ am 22. Oktober 2017 bei Enough is Enough ist ein Beitrag, der sich aus anarchistischer Sicht mit der Frage befasst, inwiefern die Unabhängigkeitsbewegung einen sozialen Inhalt habe. Und zum Schluss kommt, dass dieser bisher weitgehend fehlt und dass das Engagement linker und linksradikaler Kräfte in der anwachsenden Zahl verschiedener Arten von Nachbarschaftsvereinigungen für soziale Veränderungen nötig sei und auch die Neuigkeit sei, die – unabhängig von neuen oder alten Staaten – die Bewegung zumindest teilweise verändern könnten.
- Siehe dazu zuletzt: „40 Jahre nach der Amnestie für den Franco-Faschismus: Der offene Repression in Spanien ist wieder da“ am 20. Oktober 2017 im LabourNet Germany