„Vielfalt.Miteinander.Leben. 25 Jahre Rostock-Lichtenhagen. Erinnern und Mahnen.2017“

Dossier

Das Problem heißt Rassismus„Im August 1992 erlebte Deutschland die schlimmsten ausländerfeindlichen Ausschreitungen der Nachkriegsgeschichte: Vier Nächte lang versuchte eine Meute von Randalierern in Rostock-Lichtenhagen, die damalige Aufnahmestelle für Asylbewerber sowie Wohnungen von vietnamesischen Vertragsarbeitern zu stürmen. In diesem Jahr wird in Rostock zum 25. Mal der Pogrome gedacht. Schon seit Monaten bieten einzelne Initiativen und Vereine verschiedene Veranstaltungen an, um über die Erinnerung an die Ereignisse 1992 wach zu halten und über ihre heutige Bedeutung zu sprechen. (…) Ab dem 22. August, dem ersten Tag der Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen zwischen dem 22. und 26. August 1992, starten dann die zentralen Gedenkveranstaltungen „Vielfalt.Miteinander.Leben. 25 Jahre Rostock-Lichtenhagen `Erinnern und Mahnen´“. Den Kern bilden die Enthüllung von fünf „dezentralen Kunstwerken“ der Künstlergruppe „Schaum“ aus Rostock und der „Tag der Vielfalt in Rostock“ am 26. August. (…) Der „Tag der Vielfalt“ am 26. August startet um 10 Uhr sodann mit einer Fahrrad-Demo, die alle Standorte der zuvor enthüllten Kunstwerke abfährt und die Teilnehmer zum Sonnenblumenhaus nach Lichtenhagen führt. Dort befinden sich ab dem Nachmittag Stände und Aktionen von Vereinen und Initiativen, wie z. B. Diên Hông e.V., dem Migrantenrat und „Bunt statt braun“. Gezeigt werden zudem die „Wandernde Wand gegen Rassismus“ und Bestände des Archives „Lichtenhagen im Gedächtnis“…“ Pressemitteilung der Redaktion von Endstation Rechts vom 14. August 2017 externer Link, siehe alle Details zu den Veranstaltungen von Vielfalt.Miteinander.Leben – 25 Jahre Rostock-Lichtenhagen im Veranstaltungskalender externer Link der Bürgerinitiative Bunt statt braun e.V. und weitere Beiträge sowie eine Film-Empfehlung zum erschreckend aktuellen Jahrestag:

  • „Selbstjustiz“: Gedenkstele in Rostock-Lichtenhagen beschädigt New
    Unbekannte haben die Gedenkstele zur Erinnerung an Rostock-Lichtenhagen beschädigt. Sie wurde vor wenigen Tagen anlässlich des 25. Jahrestages der rassistischen Ausschreitungen eingeweiht…“ Meldung vom 31. August 2017 bei Migazin externer Link

  • 25 Jahre Rostock-Lichtenhagen – Wer waren die Täter? 
    „… Die erste Tätergruppe finden wir in den Reihen von Presse, Polizei und Politik. Mit der sogenannten Asyldebatte zu Beginn der 90er startete die CDU und CSU in Zusammenarbeit mit konservativen Medien wie der Springerpresse eine Kampagne zur Verschärfung der deutschen Asylgesetzgebung. Man zeichnete das Bild von einer unheilvollen Masse an Flüchtlingen, die nach Deutschland strömten, warf allen Flüchtlingen konsequent den Missbrauch des Asyls vor und verbreitete rassistische Vorurteile. In Rostock-Lichtenhagen wurde die Situation für die Flüchtlinge in der ZASt bewusst eskaliert. Der Gebäudekomplex wurde überfüllt und an eine Umverteilung der Flüchtlinge arbeitete man gar nicht bis mangelhaft. Stattdessen ließ mit man zahlreiche Flüchtlinge auf den Wiesen vor der ZASt kampieren, ohne sie jedoch mit Lebensmitteln oder Hygieneinfrastruktur zu versorgen. So wurden die rassistischen Bilder, die man vorher medial verbreitete erst durch das Handeln der Politik real geschaffen. Nämlich die „Überflutung“ durch Flüchtlinge als Erreichen der Aufnahmekapazitäten, sowie die Mülltonnen durchsuchenden und in Vorgärten urinierenden AusländerInnen. Den Beschwerden der AnwohnerInnen über diese Situation begegnete man nicht mit einem entschärfen der Situation etwa durch das Bereitstellen von Dixi-Toiletten, sondern ignorierte sie schlicht oder verwendete sie in seinem Sinne in der Debatte gegen das Asylrecht. Schon ein Jahr zuvor wurde vor der explosiven Stimmung vor Ort gewarnt, denn immer häufiger kam es zu rassistischen Angriffen auf Flüchtlinge…“ Kommentar Teil I von Anton Dent vom 23. August 2017 bei der Perspektive Zeitung für Solidarität und Widerstand externer Link

  • 25 Jahre Rostock-Lichtenhagen: An die Opfer von damals erinnern – den Opfern von heute beistehen
    „Das tagelange rassistische Pogrom im August 1992 macht immer noch fassungslos- auch weil die Parteien vor den Rechtsextremisten politisch einknickten. Heutzutage ist rechte Gewalt nach wie vor präsent. Die Politik muss daher einen anderen Weg einschlagen. Es braucht ein starkes Signal der Solidarität: Bleiberecht für die Opfer rassistischer Gewalt. (…) Gerichtsprozesse gegen Gewalttäter scheitern bisweilen daran, dass Opfer und Zeugen nicht aussagen können, weil sie abgeschoben wurden. Nur angemessen wäre eine spezifische Regelung, die Opfern rassistischer Gewalt ein Bleiberecht gewährt. Um ihre Erfahrungen angemessen verarbeiten zu können, sind sie erfahrungsgemäß auch psychisch auf aufenthaltsrechtliche Sicherheit angewiesen. Ein solches Bleiberecht hält überdies den Täter*innen das eindeutige Bekenntnis des Staates gegen Hass und Gewalt entgegen. Die Bundesländer Brandenburg und Berlin haben das 2017 bereits beschlossen. Eine bundesweite Regelung sollte diesen guten Beispielen folgen!“ Beitrag vom 22. August 2017 von und bei Pro Asyl externer Link
  • Lichtenhagen im Gedächtnis – Das Pogrom 
    Im August 2017 bereitet das Projekt „Lichtenhagen im Gedächtnis“ externer Link eine Chronik des rassistischen Pogroms von Rostock-Lichtenhagen 1992 in Form einer Twitter-Chronik auf (#lh92 / @Lichtenhagen_92). Siehe dazu:

    • [Audio] „Lichtenhagen im Gedächtnis“ – Archiv vom Verein Soziale Bildung e.V.
      „Der Verein Soziale Bildung e.V. versucht das Pogrom in Rostock Lichtenhagen aufzuarbeiten. Seit September 2015 sammelt das Team um das Projekt „Lichtenhagen im Gedächtnis“ sämtliche Dokumente aus verschiedenen Archiven und Quellen zusammen. Eines der Ziele vom Projekt ist es mit diesen Dokumenten ein Archiv enstehen zu lassen, dass alle Perspektiven der Tage in Rostock-Lichtenhagen abbildet. Die gesammelten Dokumente sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Darauf aufbauend soll das Thema dann bildungspädagogisch für Kinder, Jugendliche und Erwachsene aufbereitet werden. Dabei bemüht sich die Projektstelle um die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern. Wir haben sprachen mit Martin Arndt von Soziale Bildung e.V. und fragten Ihn aus welcher Motivation heraus dies Projekt entstanden ist.“ Feature von Radio Corax vom 21. August 2017 beim Audioportal Freier Radios externer Link Audio Datei (Länge: 8:48 Min.)
  • „Die Wahrheit lügt (liegt) in Rostock“, orig: „The Truth lies in Rostock“
    Zwischen dem 22. Und dem 26. August attackierte ein deutscher Mob ein mehrheitlich von Vietnamesen bewohntes Haus in Rostock-Lichtenhagen. Dieses tagelange Pogrom wurde von einer applaudierenden Menge begleitet, die sich in einer volksfestähnlichen Stimmung befand. Dies waren die heftigsten rassistischen Ausschreitungen in der deutschen Nachkriegsgeschichte und zugleich ein Ausdruck der Stimmung in Deutschland nach der Wiedervereinigung. Die Videoproduktion „The Truth lies in Rostock“ entstand 1993 unter maßgeblicher Beteiligung von Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Geschehnisse im attackierten Wohnheim befanden. Deshalb zeichnet sich die Produktion nicht nur durch einen authentischen Charakter aus, sondern versteht sich auch Jahre danach als schonungslose Kritik an einer Grundstimmung in der bundesrepublikanischen Gesellschaft, die Pogrome gegen Migranten oder einfach nur „anders aussehende“ überhaupt erst möglich macht. Eine Montage von Videomaterial, gedreht aus den angegriffenen Häusern heraus, Interviews mit Anti-FaschistInnen, den vietnamesischen VertragsarbeiterInnen, der Polizei, mit Bürokraten, Neonazis und Anwohnern. Eine Dokumentation über das heimliche Einverständnis der Politik und über die verbreitete Angst.“ Video bei youtube externer Link (D, GB / 1993 / 78 min)
  • Vor 25 Jahren war Charlottesville in Rostock-Lichtenhagen
    „… Der Name steht heute für eine Politik des Wegschauens und Wegduckens, er steht für eine Politik, die den Ausländerhass nicht ernst nimmt. Von diesen Augusttagen im Jahr 1992 an wurden tagtäglich, überall in Deutschland, neue Angriffe auf Ausländer gemeldet. Die braune Gewalt war in der Offensive, der Rechtsstaat in der Defensive, die Politik in der Deckung. Die Politiker der Union, der SPD und der FDP eilten in die Beratungszimmer, um das Asylgrundrecht zu ändern. Die Landfriedensbrecher von Rostock hatten quasi die Türen zu den Sitzungssälen von Bundestag und Bundesrat aufgestoßen. Das Asylgrundrecht, garantiert im alten Artikel 16 Absatz 2 Grundgesetz, wurde nun eingeschränkt und so geändert, dass das perverse Dublin-System geschaffen werden konnte, das System also, das den Staaten an den Außengrenzen der EU die Asylverfahren und die Flüchtlinge aufhalste. Deutschland war entlastet – aus den Augen, aus dem Sinn. Das ging so, bis dann, zwanzig Jahre später, dieses Dublin-System unter dem Druck der hohen Flüchtlingszahlen zusammenbrach. Das geltende deutsche Asylrecht aus dem Jahr 1993 trägt die Brandzeichen von Rostock-Lichtenhagen. (…) Es gibt eine braune Linie, die von Rostock-Lichtenhagen vor 25 Jahren zu den Pegidisten von heute führt. Soeben, nach dem Neonazi-Aufmarsch von Charlottesville in den USA, haben deutsche Politiker sehr gut gewusst, was der US-Präsident dazu richtigerweise hätte sagen, wie er den Rassismus hätte verurteilen müssen. Vor 25 Jahren war Charlottesville in Mecklenburg-Vorpommern. Damals haben nur sehr wenige deutsche Politiker den Rassismus gegeißelt. Damals hat die Politik hierzulande dem Druck der Straße, den sie selbst miterzeugt hatte, nachgegeben: Die Offensive gegen das Asylrecht wurde als Offensive gegen ausländerfeindliche Gewalt ausgegeben. Das war quasi Trump’sche Politik…“ Kommentar von Heribert Prantl vom 20. August 2017 bei der Süddeutschen online externer Link
  • Wir sind jung. Wir sind stark.
    Die Proteste gegen eine Asyl-Aufnahmestelle in Rostock-Lichtenhagen dauern schon Tage an, als sie am 24.08.1992 in einem Pogrom gegen ein Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter eskalieren.“ Film von Martin Behnke und Burhan Qurbani (Deutschland 2013, 116 min) gesendet im ZDF am 17.08.2017 zum 25. Jahrestag der Pogrome in Rostock-Lichtenhagen, Video verfügbar bis 24.08.2017, 23:59 externer Link
  • „Von Solingen zu den Morden des NSU“ von Çağrı Kahveci und Özge Pınar Sarp am 21. August 2017 in neues deutschland externer Link, worin es unter anderem heißt: „In unseren Gesprächen mit türkeistämmigen Migrant*innen über den NSU sind wir häufig mit einer Darstellung konfrontiert, die auf eine historische Kontinuität verweist: »Wir haben Solingen, Mölln erlebt; wir haben brennende Häuser und Flüchtlingsheime gesehen; wir haben viel Rassismus erlebt, auf der Straße, am Arbeitsplatz; ebenso unsere Kinder in den Schulen.« Die türkischen »Gastarbeiter*innen« nannten Deutschland die »bittere Heimat«. Entsetzlich ist das: sich selbst als dem Terror ausgeliefert zu begreifen, nicht mehr Sicherheit und Schutz genießen zu können. Meltem Kulaçatan verweist darauf, dass diese traumatischen Ereignisse einen wichtigen Teil des kollektiven Bewusstseins türkeistämmiger Migrant*innen konstituieren. Es ist daher unabdingbar, die politische Situation und den gesellschaftlichen Umgang mit dem NSU-Komplex mit den rassistischen Brandanschlägen von Solingen, Mölln und Rostock-Lichtenhagen in den 1990er Jahren zu vergleichen. Eine spezifische gesellschaftliche Atmosphäre, in der das Leben der Geflüchteten, der Migrant*innen nicht als wertvoll und schützenswert gilt, lässt sich als gemeinsamer Nenner der beiden Epochen ausmachen“. Siehe dazu unsere Rubrik Interventionen » Antifaschismus und die neuen alten Rechten » alte und neue Nazis sowie Alltagsrassismus » Vom Rechtsextremismus zum Rechtsterrorismus – die NSU-„Affäre“
  • Gegen das Vergessen. Fremdenfeindliche Gewalt in Rostock-Lichtenhagen vor 25 Jahren
    Das „Sonnenblumenhaus“ in Rostock-Lichtenhagen wurde 1992 weltweit zum Symbol für schwere rassistische Ausschreitungen. 25 Jahre später wird vom 22. bis 26. August mit einer Gedenkwoche und fünf Kunstobjekten an die Ereignisse erinnert. (…) Einen weiteren Schritt des Gedenkens will Rostock in diesem Jahr vom 22. bis 26. August mit einer Gedenkwoche gehen. In diesen Tagen sollen fünf Stelen aus Marmor in verschiedenen Stadtteilen eingeweiht werden, die die Künstlergruppe „Schaum“ zum Thema „Gestern Heute Morgen“ gestaltet hat. Diese Künstlergruppe besteht aus Alexandra Lotz und Tim Kellner. Die fünf Kunstobjekte tragen die Titel „Politik“, „Medien“, „Gesellschaft“, „Staatsgewalt“ und „Selbstjustiz“. Aufstellt werden sie vor dem Rathaus, dem Verlagsgebäude der „Ostsee-Zeitung“, am ehemaligen Standort des „JugendAlternativZentrums“, an der Polizeiinspektion und beim „Sonnenblumenhaus“. Damit will die Stadt das Konzept des dezentralen Erinnerns und Mahnens „Lichtenhagen 1992“ umsetzen. Begleitend werden an den verschiedenen Erinnerungsorten dokumentarische Songtexte live aufgeführt. Diese „Gesangsstücke“ haben Künstler Stefan Krüskemper, Oscar Ardila und Michaela Nasoetion gemeinsam mit Rostocker Einwohnern entwickelt. Sie sollen, so die Stadtverwaltung, ein lebendiges Gedenken sein. Zum Auftakt der Gedenkwoche gibt es am Dienstag um 17 Uhr eine Veranstaltung in der Marienkirche, der evangelischen Hauptkirche Rostocks. Dazu wird auch der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, erwartet. Die Krawalle von Rostock-Lichtenhagen 1992 hatten sich auch gegen Sinti und Roma gerichtet…“ Artikel von Anne-Dorle Hoffgaard vom 18. August 2017 beim Migazin externer Link
  • 25 Jahre nach Rostock: Experten warnen vor Verfestigung von Rassismus
    „… Rechtsextremismus-Experten haben vor einer erneuten Ausbreitung rassistischer und fremdenfeindlicher Milieus gewarnt. 25 Jahre nach dem ausländerfeindlichen Pogrom von Rostock-Lichtenhagen sei in Politik, Behörden und Zivilgesellschaft zwar ein deutlich stärkeres Engagement gegen Rassismus zu verzeichnen, sagte Bianca Klose, Leiterin der Berliner Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, am Dienstag in Berlin. Die Situation habe sich jedoch nicht grundlegend geändert, nicht unerhebliche Teile der Bevölkerung seien in zugespitzten Situationen weiter rassistisch mobilisierbar. „Die Politik darf sich nicht von den rassistischen Stimmungsmachern vor sich hertreiben lassen“, sagte Klose. Einschüchterungsstrategien der rechtsextremen Szene unter anderem gegen Flüchtlingshelfer müsse eindeutig entgegengetreten werden. Notwendig sei auch ein möglichst bundesweit einheitliches Bleiberecht für Ausländer, die Opfer rechter Gewalt wurden. Beratungsstellen und Unterstützungsprogramme für Rechtsextremismus-Opfer müssten zudem verlässlich finanziert werden…“ Beitrag vom 16. August 2017 von und bei Migazin externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=120330
nach oben