Schluss mit „refugees welcome“: Der „Mohr“ hat seine Schuldigkeit getan (F. Schiller)

Diskussionsbeitrag von Norbert Hermann (Bochum Prekär) vom 31.7.2017 zur Demonstration in Bochum am 9.9. im Rahmen der Aktionswochen „We’ll come united!“: Solidarität gegen Abschottung – Menschlichkeit gegen Rechtsruck

Solidarität gegen Abschottung – Menschlichkeit gegen Rechtsruck. Demonstration in Bochum am 9.9. im Rahmen der Aktionswochen „We’ll come united!“Der „Mohr“ –  das sind heute wir, die Flüchtlingsunterstützer*innen. Paralell zur absoluten Rigidisierung des Einwanderungsrechts laufen Bestrebungen, auch die „hégémonie culturelle“ über die Köpfe der mittelschichtigen Flüchtlingsunterstützer*innen zurückzuerlangen. Die waren nämlich bis dahin eher skeptisch gegenüber ehemals Geflüchteten oder sonst wie Zugewanderten, die in der Mehrheit unteren Schichten zuzurechnen sind. Rechtsbürgerlich war die Propaganda schon vor 2015 klar, im Sommer 2015 titelte allerdings selbst die BILDzeitung „refugees welcome“. Das viele Nachschubmaterial für den Arbeitsmarkt musste untergebracht, mit gespendeten Klamotten, gar Lebensmitteln und Hygieneartikeln versogt werden, und auch noch an teutsche Sprache, Sitten, Regeln und Gebräuche herangeführt werden. Jetzt ist die „Integration“ (in Hartz IV) weitgehend gelungen, „refugees welcome“ muss wieder raus aus den Köpfen.

Klar, als der erste „train of hope“ in Dortmund einlief standen wir schon Stunden bereit, und waren in den Tagen danach immer da. Bis heute leisten wir viel Unterstützung für einzelne Menschen und Familien und versuchen auch die Rahmenbedingungen zu verbessern. Das soll auch weiterhin so sein. Hier erfahren viele Menschen, was praktische Solidarität heisst. Früher waren das die prägenden Erfahrungen des Arbeitslebens. Aber was für uns jetzt bittere Erfahrung ist: die Illusionen gehen verloren. Es geht den Herrschenden nie um Menschen, es geht um verwertbare Arbeits- und Konsumkraft. Das ist seit Bestehen des Kapitalismus so, und das ist seine Existenzgrundlage.

Ideologisch werden jetzt eher als links und/oder liberal verortete Personen und Organisationen eingespannt, um die Gesellschaft bereit zu machen für ein Regime zunehmender Kontrolle nicht nur über Zugewanderte. War es gerade die IG-Metall-eigene Hans-Böckler-Stiftung, die eine Studie über eine vermutete „Gleichschaltung“ der Presse in 2015 in Auftrag gegeben hatte, ist es jetzt Julian Nida-Rümelin, Professor für Philosophie an der Universität München und ehemaliger Kulturstaatsminister in der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders, der gar mit 241 Seiten „Über Grenzen denken. Eine Ethik der Migration“ in die gleiche Kerbe haut. Zwar durchaus differenziert und mit einigen bedenkenswerten Überlegungen, aber was hängen bleibt ist der Titel.

Nida-Rümelin argumentiert, dass die Flüchtlingsproblematik weder durch offene Grenzen noch durch eine Willkommenskultur zu lösen sei. Da hat er Recht. Aber er bietet keine Lösung. Und die kann für uns nur heissen: Solange die Welt ist wie sie ist, und Imperialismus und (Neo-) Kolonialismus über zwei Milliarden Menschen nur Elend bescheren (und einem noch viel grösseren Teil kaum mehr), hat jedeR dieser Menschen jedes Recht, hierher zu kommen und sich seine/ihre Grundsicherung samt dem Recht auf freie Lebensgestaltung abzuholen! Alle Subsaharas usw. hierher, und alle Herrschenden in die Wüste!

Wes Geistes Kind Nida-Rümelin (auch) ist zeigt seine Lobhudelei über die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze (siehe Rezension bei den Nachdenkseiten externer Link). Schliesslich gehörte er der Regierung an, die das verbrochen hat. Das mag uns Erwerbslosen helfen, klar Position zu beziehen: Mit uns, den „Überflüssigen“ hierzulande, wird erbärmlich umgesprungen. Die Geflüchteten sind hierin jetzt integriert, und sie kriegen noch eine Keule oben drauf: die ewige Angst, doch irgendwann abgeschoben zu werden.

In den Gewerkschaften und insbesondere auch in der Erwerbslosenszene ist es verbreitet, auf jenen Menschen herumzuhacken, die noch stärker vom Kapitalismus gebeutelt sind als wir am Jobcenter oder in der zunehmend prekäreren Arbeit. Das ist bedauerlich, hat aber auch seine Ursachen darin, dass linkes Denken und Handeln seit vielen Jahren zunehmend seinen ursprünglich sozialen Impetus verloren hat. Die Menschen erleben sich als von „Links“ im Stich gelassen. Immerhin ist jetzt die allgemeine Wohnungsnot erkannt worden, die natürlich durch die Zuwanderung noch verstärkt wird. Auch verschärft die Zuwanderung gewollt die Konkurrenz am Arbeitsmarkt mit Druck auf alle „Proletarierer“ (die zur Existenzsicherung  auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesenen). Die Lösung kann nur sein, dass die ominöse „Linke“ alle Sorgen der Menschen als gemeinsame sieht und den Überlebenskampf aller unterstützt und fördert. Und dass wir als Erwerbslose oder Beschäftigte uns verstehen als Teil einer weltweiten  Arbeiterklasse.

Siehe dazu auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=120206
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