Zuckerbrot und Peitsche: AfD-Verein will Beschäftigte und Rentner mit sozial gefärbter Marktrhetorik ködern. Was tun Gewerkschaften dagegen?
Dossier
„Erneut verkauft sich die »Alternative für Deutschland« (AfD) als »Arbeiterpartei«. Ein von nordrhein-westfälischen AfD-Mitgliedern gegründeter Verein namens »Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer« (AVA) wirbt seit Dienstag mit einem »Thesenpapier für Arbeits- und Sozialpolitik« um abhängig Beschäftigte. Dessen Bundesvorsitzender und stellvertretender Sprecher des AfD-Kreisverbandes Unna, Uwe Witt, verbindet darin sozialdemokratisch konnotierte Forderungen mit einem neoliberalem Menschenbild. Lohnabhängige sortiert Witt konsequent nach wirtschaftlicher Verwertbarkeit. (…) Um auch die Leiharbeiter für die AfD zu gewinnen, übertrumpft Witt sogar Gewerkschaftsforderungen. 20 Prozent mehr als die Stammbelegschaft müssten sie erhalten, verlangt er. Zudem solle die Bundesregierung eine Quote festlegen: Unternehmen müssten ihren Anteil an Leiharbeitern und Beschäftigten mit Werksverträgen auf maximal 15 Prozent reduzieren. (…) Oberstes Ziel des AfD-Vereins sei es, betont Witt zum Schluss, »Arbeitslosigkeit zu vermeiden und nicht zu verwalten und den Wirtschaftsstandort Deutschland dauerhaft zu stärken«; anders gesagt: ein starker deutscher Kapitalismus.“ Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 07.04.2016 – siehe (leider) dazu auch unser Dossier: AfD & Co: Nach den Köpfen nun auch in Betriebe und Betriebsräte?! und hier zu AfD und Gewerkschaften allgemein:
- Warteschlange für soziale Gerechtigkeit
„Warum wählen Arbeiter rechtspopulistische Parteien? Der Jenaer Soziologe Klaus Dörre untersucht in seinem Buch „In der Warteschlange“ die Ursachen und präsentiert Befunde der empirischen Forschung aus vier Jahrzehnten. Dörre erzählt eine „rechte Tiefengeschichte“, die sich im Zeitverlauf radikalisiert.“ Klaus Dörre dazu im Gespräch mit Thomas Gesterkamp bei der DGB-Gegenblende vom 25. November 2020 : „Der Filmemacher Michael Moore sagt zu Recht, die Demokraten verstehen diese Arbeiter nicht. Sie fühlen sich als gesellschaftliche Verlierer. Das hat Trump geschickt angesprochen, rhetorisch die Unsichtbaren sichtbar gemacht. Seine Wirtschaftspolitik hat die Industriejobs nicht zurückgebracht, doch die wahrgenommene Aufwertung schlägt die ökonomische Vernunft. Trump gab Arbeitern das Gefühl, in der Öffentlichkeit eine Stimme zu haben, der Maßstab für Normalität zu sein. Das ist der soziale Kitt für eine imaginäre Revolte, die sich gegen das Establishment richtet. Wir geben den Arbeitern ihre Größe zurück, lautet die Botschaft, die bei vielen nach wie vor verfängt. (…) Bei deutschen Arbeitern lässt sich eine ähnliche Tiefengeschichte entdecken. (…) Die Betroffenen sehen sich in einer Warteschlange, die am Fuße des Bergs der Gerechtigkeit steht – aber es geht nicht vorwärts. Ständig gibt es neue Gründe für Stockungen: die Globalisierung, die deutsche Einheit, die Eurokrise. Während dessen ziehen andere vermeintlich vorbei, etwa Geflüchtete, die „nur“ wegen ihres Traums von einem besseren Leben kommen. Am Wohnort zerbröselt die soziale Infrastruktur: Erst schließen Geschäfte, dann fehlt die Arztpraxis, Buslinien fallen weg, dann macht die letzte Kneipe zu und Schule und Kita fehlen. Überall muss gespart werden, und gleichzeitig bekommen Zugewanderte, wie es in unseren Interviews häufig heißt, angeblich „alles“. Das wird als Kränkung erlebt. So entsteht ein psychologischer Mechanismus der Selbstaufwertung mittels Abwertung anderer. (…) Für aktive Gewerkschafter, die wir in neueren Untersuchungen befragt haben, ist es kein Widerspruch, sich einerseits aktiv an Arbeitskonflikten und Streiks zu beteiligen, aber auch die Busse zu organisieren, mit denen man zur Pegida-Demonstration fährt. Beides gilt als Akt legitimen demokratischen Aufbegehrens. (…) Ich halte den starren Gegensatz von Klassen- und Identitätspolitik für falsch. Empirisch zeigt sich aber, dass gerade männliche Arbeiter reale oder vermeintliche Überlegenheitsgesten sehr genau registrieren. Sie sehen dadurch den eigenen Entwurf vom guten Leben in Frage gestellt. Zu diesem Traum gehören das repräsentative Auto, das Eigenheim, der sichere Job und eine klare Rollenverteilung in der Familie. Wer das ohne genaue Kenntnis der Situation aus einer privilegierten Position hinterfragt, wertet nach ihrer Wahrnehmung legitime Lebensentwürfe ab. (…) Sie sollten keinen Anti-AfD-Wahlkampf führen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat recht: Künftig muss jede Politik daran gemessen werden, was sie zu sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit beizutragen hat. Legt man diese Messlatte an, hat die AfD wenig zu bieten, sie ist innerlich zerrissen. Immer wenn die Partei versucht, sich der sozialen Frage zu bemächtigen, sollte man sich kompetent mit ihren Positionen auseinander setzen. Es reicht nicht, die Konzepte als “rechtsextrem“ oder „neoliberal“ zu klassifizieren, die Pferdefüße müssen argumentativ herausgearbeitet werden. Es geht um jene Arbeiter, die noch nicht völlig festgelegt sind. Ihnen muss man zeigen: Aufforderungen, den Klimawandel zu leugnen, am Verbrennungsmotor festzuhalten oder den Braunkohle-Tagebau fortzusetzen, bewirken im besten Falle nichts. Im schlechtesten Falle verhelfen sie einem Katastrophenkapitalismus zum Durchbruch, der auch den Kindern von AfD-Sympathisanten eine lebenswerte Zukunft nimmt.“ („In der Warteschlange. Arbeiter*innen und die radikale Rechte“ von Klaus Dörre erschien im Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2020. 356 Seiten, zum Preis von 30 Euro) - »Die soziale Frage ist für viele das zentrale Thema«. Studie unter Gewerkschaftern untersucht Gründe für Erstarken rechter Parteien
Im Gespräch mit Maurice Laßhof in der jungen Welt vom 9. Juni 2020 erläutern Maren Hassan-Beik und Lukas Zappino die Essenz ihrer Studie: „… Unsere zentrale These lautet, dass das Zusammenwirken von sozioökonomischen, politischen und kulturellen Krisenerfahrungen autoritäre Tendenzen freisetzt und zum jüngsten Aufschwung rechter Parteien und Bewegungen in Europa geführt hat. (…) Wir haben an 250 Gewerkschafter in Bildungsseminaren des IG-Metall-Bezirks Mitte Fragebögen verteilt und diese ausgewertet und zudem 20 Interviews geführt. Dabei sind ihre Ängste vor einem gesellschaftlichen und dem eigenen sozialen Abstieg deutlich geworden. Die Beschäftigten nehmen eindeutig wahr, dass es in den vergangenen Jahrzehnten eine starke Enteignung von Sozialeigentum gab – Stichwort Hartz IV, Rückgang der Tarifbindung etc. –, die auf eine Verschiebung im Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit zurückzuführen ist. Das geht einher mit einem deutlichen Vertrauensverlust ins politische Establishment. Viele Befragte sehen sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten und fühlen sich der gesellschaftlichen Entwicklung ohnmächtig ausgeliefert – eine Folge neoliberaler Politikmodelle, die marktkonforme Sachzwänge suggeriert. Das deckt sich auch mit der »Postdemokratie«-These des Soziologen Colin Crouch, wonach die westlichen Demokratien eine Krise erleben, in der ein großer Teil der Menschen von der Politik nicht mehr repräsentiert wird, weil Demokratie unter Profitinteressen subsumiert wird. (…) Wenn arbeitsweltliche Zumutungen die Ausbreitung rechter Einstellungen begünstigen, sind die Gewerkschaften ein unverzichtbarer Akteur zu deren Eindämmung. Sie bieten zumindest potentiell als »Schulen des Klassenkampfes« die Erfahrung an, solidarisch im Kollektiv die eigenen Interessen durchzusetzen. Viele Befragte haben ein enormes Vertrauen in ihre Gewerkschaft und sehen sie als Hoffnungsträger in einer sonst regressiven Entwicklung. Gewerkschaften könnten und sollten der Konfliktorientierung, die sich viele ausdrücklich wünschen, mehr Raum geben.“ (Zusammen mit Ulrich Brinkmann haben Maren Hassan-Beik und Lukas Zappino das Buch »Solidarität und Skepsis. Flucht, Migration, arbeitsweltliche Umbrüche und politische Entwurzelung« im VSA-Verlag zum Preis von 16,80 Euro (176 Seiten) veröffentlicht) - AfD auf dem Prüfstand: „Exakt“ hat sich drei Themen angeschaut: Rente, Steuern und Mindestlohn
„Die AfD will als die neue Partei der kleinen Leute wahrgenommen werden. Doch welche Positionen vertritt die Partei bei den Themen, die viele Bürger im Alltag betreffen: Mindestlohn, Rente, Steuerpolitik? „Exakt“ hat recherchiert und mit Experten gesprochen. (…) Keine klare Linie beim Mindestlohn und bei der Rente, steuerpolitische Forderungen, die vor allem Wohlhabenden zu Gute kämen – Experten sehen die sozialpolitische Positionierung der AfD kritisch. Sie vertrete in diesen Punkten nicht die Interessen der „kleinen Leute“, meinen Armutsforscher Christoph Butterwegge und Sozialwissenschaftler Stefan Sell.“ Beitrag aus der Sendung „Exakt“ am 30. Oktober 2019 beim MDR
- Ostdeutschland: Warum Arbeiter und sogar Gewerkschafter die AfD wählen
„… Arbeiterpartei AfD? Zumindest haben bei den Landtagswahlen in Brandenburg vor wenigen Wochen 44 Prozent der Arbeiter die Rechtspopulisten gewählt, sagt der Soziologe Klaus Dörre von der Universität Jena. Darunter auch überdurchschnittlich viele männliche Gewerkschaftsmitglieder. Steht Ähnliches jetzt auch in Thüringen bevor, wo am 27. Oktober gewählt wird? „Ursprünglich hatten wir angenommen, dass sie [die AfD in Thüringen, A.d.Red.] im Osten einen sozialdemagogischen Wahlkampf machen, etwa ihr Rentenkonzept in den Vordergrund stellen“, sagt Dörre. Denn die Thüringer AfD fordere eine Anhebung des Rentenniveaus auf 52 Prozent, bezogen auf die Produktivitätsrente – aber eben nur für deutsche Staatsbürger. Doch diesen Punkt stellt die Partei im Wahlkampf Dörre zufolge gar nicht in den Vordergrund: „Programmatisch schieben sie etwa mit Blick auf die bevorstehende Abkühlung der Konjunktur, vielleicht Rezession Steuerentlastungen für Unternehmen usw. nach vorne. Das heißt, sie vertreten eigentlich eine klar marktliberale Position.“ (…) Er vermutet, dass es diesen Wählern gar nicht so sehr auf die konkreten politischen Forderungen der AfD ankomme, sondern eher auf die Art und Weise, wie diese den Protest aufgreife: „Der Osten steht auf! Wir vollenden die Wende! Man macht Gruppen sichtbar, Arbeiter, insbesondere männliche Arbeiter, die sich doppelt abgewertet fühlen: als Arbeiter abgewertet fühlen und dann auch noch abgewertet fühlen als Ostdeutsche.“…“ Klaus Dörre im Gespräch mit Ute Welty bei Deutschlandradio Kultur vom 5. Oktober 2019 (Audiolänge: ca. 8 Min., aufrufbar bis zum 19. Januar 2038) – schade, dass im Begleittext nur die Rechtsproblematik aus dem Gespräch erwähnt wird. Unserer Meinung nach trägt auch das Konzept von Sozialpartnerschaft der Gewerkschaften dazu bei, dass rechte Gewerkschafter lieber Klasse durch Rasse ersetzen, statt auf Klassenkampf zu setzen…
- [DGB-Broschüre] blickpunkt – Eine »Arbeiterpartei für Deutsche«? Der Sozialpopulismus der AfD
„Ist die AfD eine Partei, die sozialpolitisch die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vertritt? Oder bleibt sie bewusst im Vagen, wenn es um ihre Positionen zu Rente, Mindestlohn oder Finanzierung des Staates und der Sozialsysteme geht? Der aktuelle „Blickpunkt“ spürt rechten und völkisch-nationalistischen „Antworten“ auf die soziale Frage nach.“ DGB-Broschüre vom 26.09.2019 und eine Besprechung:- DGB contra AfD: „Nicht die Partei des kleinen Mannes“. Die AfD wirbt verstärkt um Arbeitnehmer. Der DGB sieht das Problem, gelöst hat er es bisher nicht
„Das könnte der AfD gefallen: Ende August startete bei Opel in Eisenach die Produktion des Stadtgeländewagens „Grandland X“ Die bisher auf Kleinwagen spezialisierte Autofabrik wird dafür völlig umgekrempelt. Gewerkschafter und Betriebsräte haben Vorbehalte haben gegen die neue Fixierung auf die SUV-Produktion. Sie fürchten, dass die rechtsradikale Partei den Streit für sich ausnutzen will. Nach dem Motto: Wichtig sei der Erhalt von Arbeitsplätzen, Umweltfragen seien bestenfalls zweitrangig. Bei den Strategen in der Zentrale des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin ist das seit Wochen ein großes Thema: Wie erlaubt es die AfD, sich vor allem in Ostdeutschland als „Partei des kleinen Mannes“ zu generieren, obwohl es, wie es beim DGB heißt, der rechtsradikalen Partei an abgestimmten Konzepten für die Gestaltung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik fehlt? In einer neuen Schrift unter der Überschrift „Eine ,Arbeiterpartei für Deutsche‘?“ nimmt der DGB jetzt den Sozialpopulismus der AfD unter die Lupe – und rechnet mit der Partei ab. Der DGB wirft der Partei vor, die Einheitsgewerkschaft spalten zu wollen und analysiert, dass zwischen der sozialpolitischen Rhetorik der Partei und der Wirklichkeit eine große Lücke klaffe. In Zukunftsfragen wie der Rente oder dem Mindestlohn biete die AfD „ein ganzes Sammelsurium sich widersprechender Konzepte“ an, heißt es in dem Papier. (…) Partiell hat diese AfD-Strategie offenbar durchaus Erfolg, wie sich laut DGB-Analyse auch an den Ergebnissen der Landtagswahlen Sachsen und Brandenburg zeigt. Der Anteil der Arbeiter unter den AfD-Wählern lag in beiden Bundesländern bei mehr als einem Drittel. Gewerkschafter wählten etwa ebenso häufig die AfD wie die Wähler im Gesamtdurchschnitt. Und besonders gut verfängt die Ansprache der rechtsradikalen Partei bei Gewerkschafts-Männern. (…) Der DGB beobachtet auch, dass die AfD die Strukturumbrüche in vielen Regionen und Branchen gezielt für sich nutzt – nicht nur in der Automobilindustrie, sondern zum Beispiel auch in den Kohleregionen. „Auf viele für die deutsche Wirtschaft wichtige Branchen – beispielsweise Energie und Verkehr – kommt ein riesiger Wandel zu“, sagt die DGB-Funktionärin Buntenbach: „Die Ängste vor Strukturbrüchen, Jobverlust und sozialem Abstieg versuchen die Rechtspopulisten in den Betrieben und der Arbeitnehmerschaft für sich zu nutzen.“ Gezielt angesprochen werden auch Beschäftigte in Uniform, beispielsweise Polizisten oder Soldaten. Betriebsräte und Gewerkschafter berichten, dass die AfD „ganz bewusst“ versuche, diese Zielgruppen für sich zu erschließen…“ Artikel von Matthias Meisner vom 02.10.2019 beim Tagesspiegel online
- DGB contra AfD: „Nicht die Partei des kleinen Mannes“. Die AfD wirbt verstärkt um Arbeitnehmer. Der DGB sieht das Problem, gelöst hat er es bisher nicht
- Entsteht eine »Arbeiterbewegung von rechts«? Der Soziologe Klaus Dörre liefert eine differenzierte Analyse und plädiert für mehr Radikalität
„Nicht nur das Parteienspektrum ist in weiten Teilen nach rechts gerückt, seit die sogenannte Alternative für Deutschland (AfD) die politische Bühne betreten hat. Auch in der Linken, in Gewerkschaften und in der Wissenschaft wird seither über Ursachen und Gegenstrategien zur rechten Renaissance gestritten. Der von den Jenaer Soziologen Klaus Dörre und Karina Becker gemeinsam mit Peter Reif-Spirek von der Thüringer Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebene Sammelband »Arbeiterbewegung von rechts?« bringt unterschiedliche Ansätze zum Thema zusammen, die allerdings in einem Punkt weitgehend einig sind: Ohne die soziale Frage zu thematisieren, ist das Erstarken (…) Ein Element sei die Spaltung der kapitalistischen Eliten. Ob die Globalisierung auf dem bisherigen Weg fortgesetzt werden könne, sei zwischen den herrschenden Kapitalfraktionen umstritten. Aus Sicht eines Teils von ihnen »haben sich Globalisierung und Europäisierung als hegemoniale Wachstumsprojekte erschöpft«. Als zweiten Baustein identifiziert der Soziologe die »Entproletarisierung« der Mitte-Links-Parteien, die er an der SPD durchdekliniert. Bei der Parteipräferenz liegt die »einstige Arbeiterpartei« sowohl bei Beschäftigten mit einfachen Tätigkeiten (24 Prozent) als auch bei Gewerkschaftsmitgliedern (19 Prozent) hinter der AfD (36 bzw. 24 Prozent). Letzterer beschere in der Arbeiterschaft »vor allem die Kombination aus Sozialpopulismus und ethnopluralistisch begründeter Abgrenzung« Wahlerfolge. Allerdings widerspricht der Soziologe der weit verbreiteten Charakterisierung der AfD als »neue Arbeiterpartei«. Ihre Wählerschaft sei vielmehr »interklassistisch zusammengesetzt«, entsprechend vielfältig seien die subjektiven Zugänge. Als Gegenprojekt zum rechten Populismus sieht Dörre »eine politische und gewerkschaftliche Linke, die eine inklusive demokratische Klassenpolitik entwickelt, diese mit einem pragmatischen Humanismus in der Migrationspolitik verbindet und mit einer neo- bzw. öko-sozialistischen Zielsetzung versieht«. Seine Analyse verbindet er mit einem Appell, es nicht bei moralischer Empörung über den Rechtspopulismus zu belassen, sondern radikale Alternativen zu propagieren…“ Besprechung von Daniel Behruzi am 2. April 2019 bei Lernen im Kampf
- Rechtsruck und Gewerkschaften
„… Die Krise der Gewerkschaften drückt sich auch darin aus, wie sie mit dem Rechtsruck in der Gesellschaft umgehen. So sorgte sich die IG Metall bei den Betriebsratswahlen 2018 sehr um das Abschneiden einiger betont rechter, rassistischer und gewerkschaftsfeindlicher Listen. Nachdem diese aber nur wenige Mandate erzielt hatten, ist das kein wirkliches Thema mehr. Dazu trug Klaus Dörre auf der Konferenz ein Referat vor, das darauf hinwies, dass „sich nur wenige Kandidaten gefunden haben, die sich während der Betriebsratswahlen auf Listen offensiv dazu bekennen, rechte Positionen zu vertreten, doch das bedeute nicht, dass diese nicht existieren.“ Allein 19 Prozent der Lohnabhängigen und 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder haben bei der Bundestagswahl 2017 der AfD ihre Stimme gegeben – bei einem Gesamtergebnis von 12,6 Prozent für die Partei ein deutlich überdurchschnittlicher Wert. Er stellte dar, dass es nicht nur GewerkschafterInnen gibt, die sowohl „korrekte“ gewerkschaftliche Positionen vertreten wie auch rechtspopulistische Floskeln äußern, sondern auch überzeugte rassistische ReaktionärInnen, die manchmal eine führende Rolle in den betrieblichen Strukturen ausüben und als „gute InteressensvertreterInnen“ gelten. Wo diese einmal etabliert sind, wird das Thema vom Apparat tabuisiert, solange die Mitglieder oder Betriebsräte keine Konkurrenzliste aufmachen. Das hätte viel Anlass zur Diskussion geben können und müssen. Es zeigt, dass die reformistischen BürokratInnen rassistische, nationalistische und rechtspopulistische Positionen dulden, solang diese Kräfte die Gesamtpolitik des Apparates nicht stören. Man könnte das als unausgesprochenes Stillhalteabkommen bezeichnen. Für die Linke in den Gewerkschaften bedeutet dies, dass es nicht reicht, nur gute, aktive Betriebsarbeit zu machen, auf „Organizing“ zu setzen und sich um die unorganisierten Bereiche insbesondere im prekären Sektor zu kümmern, der bekanntlich von der Bürokratie fast völlig vernachlässigt wird. Vielmehr muss dies mit einem aktiven Kampf gegen Rassismus verbunden werden – und eine solche Politik muss auch gegen den Apparat in den Gewerkschaften und in den Großkonzernen durchgesetzt werden. Es liegt auf der Hand, dass diese nicht in „Bunt statt Braun“- Bekenntnissen aller Gutmenschen oder in gemeinsamen Erklärungen von Betriebsräten mit den Unternehmensleitungen bestehen kann. Die richtige Erklärung, dass die AFD „neoliberale“ und arbeiterInnenfeindliche Politik mache, bleibt solange weitgehend unwirksam, wie die Gewerkschaften auf Klassenzusammenarbeit mit den BetreiberInnen und ProfiteurInnen dieser „neoliberalen“ Politik setzen. Der Kampf gegen Rechts ist in den Gewerkschaften zugleich ein Kampf gegen die Klassenzusammenarbeit und kann letztlich nur so erfolgreich sein. Dies wird nicht nur in den Gewerkschaftsstrukturen kaum thematisiert. Auch in Braunschweig gab es keine Diskussion mit Dörre zu dessen Studien und teilweise provozierenden Thesen. Nur ein Workshop ganz am Ende der Tagung betrachtete den „Umgang mit Rechtspopulismus in Betrieb und Gewerkschaft“ – ansonsten wurde das Thema routiniert ausgesessen…“ Aus dem Artikel von Frederik Haber und Helga Müller in der Arbeitermacht-Infomail vom 14. März 2019 : „Aus unseren Kämpfen lernen“ – aber wie? (Siehe dazu unser Dossier Konferenzen “Erneuerung durch Streik” – nun “Aus unseren kämpfen lernen”)
- Arbeiterbewegung von rechts: Ist «klare Kante» immer das Richtige gegen den rechten Einfluss?
„Was tun, wenn ein Kollege der AfD zugeneigt ist, oder gar ein Vertrauensmann oder Betriebsrat? Ist klare Kante in der Politik immer die richtige Option? (…) Einen wertvollen Beitrag leistet nun die Studie «Arbeiterbewegung von rechts? Motive und Grenzen einer imaginären Revolte», die sich einordnet in die Diskussionen um die imperiale Lebensweise und eine neue Klassenpolitik und nicht zuletzt für die Diskussion um die Sammlungsbewegung Anregungen bietet. (…) Die Studie von Klaus Dörre, Sophie Bose, John Lütten und Jakob Köster erschien im Mai 2018 im Berliner Journal für Soziologie. Die Autoren untersuchen darin das Verhalten von gewerkschaftlich Aktiven, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, und die Ursachen dafür. (…) Es ist zu begrüßen – und nicht selbstverständlich –, dass die gesellschaftliche Rolle der Soziologie reflektiert wird und auch an die eigene Disziplin Anforderungen gestellt werden. Zusätzlich ergeben sich Herausforderungen für eine sozialistische Politik, die Klassenstolz fördern sollte und damit auch die Hoffnung auf umfassende Veränderungen, die sich nicht innerhalb des Marktes einrichten und seine Mechanismen von Abwertung und Spaltung übernehmen, sondern es mit ihm und den Ausbeutungsverhältnissen als solches aufnehmen, um die tatsächliche Demokratie- und Systemfrage zu stellen. Die Autoren warnen davor, sich auf Spaltungslinien und nationale Marktmechanismen einzulassen, weil dies der Rechten die Tür eher weiter öffnet. Auch das ist in der derzeitigen Debatte in der Linken nicht oft genug zu wiederholen.“ Kommentar zur Studie „Arbeiterbewegung von rechts? Motive und Grenzen einer imaginären Revolte“ von Violetta Bock in der Soz Nr.9/2018 , zu weiteren Details siehe den Link zur Studie von Klaus Dörre, Sophie Bose, John Lütten und Jakob Köster vom 22. Mai 2018 im Berliner Journal für Soziologie
- Kahlschlag und Misere: Eine Partei zwischen Rechtspopulismus und Neofaschismus. Warum wählen Arbeiter die AfD?
„Es hat keine fünf Jahre gedauert, bis aus der anfänglichen »Professorenpartei« AfD, entstanden aus einer von »Honoratioren« getragenen Bewegung gegen den Euro bzw. den »Euro-Rettungsschirm«, eine Formation mit politischer Prägekraft geworden ist. Die Partei dürfte mittlerweile die Sozialdemokraten als zweitstärkste politische Kraft in der BRD abgelöst haben. Es wäre jedoch zuviel der Ehre, der AfD zu attestieren, ihr Aufstieg habe das politische Koordinatensystem der BRD durcheinander gewirbelt. Denn tatsächlich sind durch ihren Erfolg nur existierende Tendenzen sichtbarer geworden: Der Rechtspopulismus hat vorhandener Fremdenfeindlichkeit und einem nationalistischen »Grundrauschen« einen distinkten Ort gegeben. Die Deutschlandfahnen in den kleinbürgerlichen Vorstadtsiedlungen und auf den Balkonen der Sozialwohnungen sind schon lange vor dem Aufstieg der AfD unübersehbar gewesen. Aus ihrer gemeinsamen Niederlage haben die etablierten Parteien offensichtlich nichts gelernt. Es ist Bestandteil der »Erfolgsbilanz« der AfD, dass sich fast alle politischen Kräfte der BRD deren chauvinistischer Postion in der Flüchtlingsfrage angenähert haben. Die Hoffnung, den politischen Konkurrenten auf diese Weise zurückdrängen zu können, hat sich nicht erfüllt. Am allerwenigsten sind die Sozialdemokraten in der Lage zu vermitteln, weshalb man sie wählen sollte. (…) Der Blick auf eine verbreitete Verunsicherung, auf die nicht zuletzt die Erfolge der Rechtspopulisten zurückgehen, sollte jedoch nicht davon ablenken, dass keinesfalls nur »Abgehängte« und verunsicherte »Mittelschicht« von der AfD angesprochen werden. In der ersten Reihe aktiv sind die Protagonisten einer »gefestigten« Rechten, die sich in einer Traditionslinie mit den »alten Kameraden« sehen. (…) Von der AfD wird deshalb auch nicht ursächlich die »Entsolidarisierung und Spaltung der Gesellschaft betrieben«, wie oft zu lesen ist, sondern sie instrumentalisiert reale Ausgrenzungs- und Abwertungsvorgänge. Es sind die kapitalistischen Funktionsmechanismen, die irrationalistische Denkmuster und Stigmatisierungsbedürfnisse produzieren. Selbst unter Druck geraten, pocht ein wachsender Teil auf vermeintlich angestammte »Vorrechte« (»Arbeitsplätze für Deutsche«) und wertet gleichzeitig (als hilflose Geste der Distanzierung gegenüber Verhältnissen, in die man abzurutschen befürchtet) jene ab, denen es noch schlechter geht: Denn »geht das Geschäft nicht wie gewöhnlich, dann wird der Sinn scharf« (Ernst Bloch)…“ Artikel von Werner Seppmann (Teil I) in der jungen Welt vom 4. September 2018 und nun Teil II:- Der Reflex der Bedrängten. Wachsender Einfluss der Rechten in den Betrieben. Warum wählen Arbeiter die AfD?
„… In den Betrieben hat die AfD organisatorisch noch nicht flächendeckend Fuß fassen können, aber immerhin wichtige Brückenköpfe erobert: Betriebsgruppen gab es Ende 2017 beispielsweise bei Volkswagen, im BMW-Werk Leipzig, bei Opel in Rüsselsheim und bei Daimler in Rastatt. Bei den Betriebsratswahlen 2018 erzielte die AfD-nahe Liste »Zentrum Automobil« im Daimler-Werk Untertürkheim ein Stimmenergebnis von 13,2 Prozent und kann damit sechs Betriebsräte stellen. Grundlage des Bedeutungszuwachses rechter Akteure ist eine mehr als schleichende Veränderung des betrieblichen Klimas in Richtung fremdenfeindlicher und sozialdemagogischer Orientierungen in den vergangenen Jahren. Diese Entwicklung hat zunächst ohne einen unmittelbaren Einfluss rechter Aktivisten stattgefunden. Die Formierung »beginnt im kleinen. Etwa bei Diskussionen in der Pause über Flüchtlinge, wo es dann heißt: ›Die bekommen alles umsonst, und wir müssen dafür arbeiten‹, und reicht bis dahin, dass Gewerkschaftsfunktionäre ausgepfiffen werden, wenn sie sich auf Betriebsversammlungen kritisch zur AfD äußern« (…) Wut und Zorn verstärkten sich, als die Monströsität der Hartz-Gesetze allmählich sichtbar wurde. In Kombination mit den infolge der Weltwirtschaftskrise intensivierten Bedrängungs- und Unsicherheitserfahrungen entwickelte sich bei den Belegschaften sogar ein latenter Antikapitalismus, der jedoch keinen Adressaten kannte. Die Belegschaften der Industrie erwarten am allerwenigsten noch etwas von den Gewerkschaften. Wut und Zorn blieben folglich ziellos. Vor allem die besonders intensiv Bedrängten und die »Abgehängten« resignierten – bis sich Pegida formierte und die AfD durch ihre Wahlerfolge die Aufmerksamkeit auf sich zog. Ihnen gelang es, der Erregung eine Richtung zu geben. (…) Diese »Entgrenzungen« in den Betrieben sollten nicht überraschen, denn die Zunahme diskriminierender Aussagen ist über lange Jahre durch die Privilegierung der Interessen von Stammbelegschaften in der praktischen Gewerkschaftsarbeit in nicht wenigen Branchen vorbereitet worden. Mit dieser gewerkschaftlichen Reaktion auf die tiefen Einschnitte in das Arbeitsrecht durch die neoliberalen »Reformen« (die prekäre Beschäftigung im gegenwärtigen Umfang erst ermöglicht haben) wurde die Axt an die Wurzeln der Tradition solidarischer Interessenvertretung gelegt und der Geist der Konkurrenz gefördert, womit die AfD-Aktivisten in den Betrieben demagogisch umzugehen wissen. (…) Wer den Rechten das Wasser abgraben will, muss für die Rücknahme von Sozialabbau und Rentenkürzungen kämpfen und das Arbeits- und Sozialrecht so »restaurieren«, dass die Misere der Prekarität beseitigt wird. Eine Sofortmaßnahme wäre die Wiederherstellung der Arbeitslosenversicherung auf dem Niveau, das vor den Konterreformen der Schröderschen »Agenda«-Politik bestand, also die Rückkehr zur einkommensabhängigen Zahlung von Unterstützungsleistungen über die einjährige Arbeitslosenphase hinaus. Das sollte zum unverzichtbaren Bestandteil einer antifaschistischen Strategie werden. Jedoch genauso wichtig wären Konzepte zur konsequenten Absenkung der sogenannten Normalarbeitszeit, um vorhandene Arbeit auf alle Köpfe zu verteilen…“ Teil II und Schluss des Artikels von Werner Seppmann in der jungen Welt vom 05.09.2018
- Der Reflex der Bedrängten. Wachsender Einfluss der Rechten in den Betrieben. Warum wählen Arbeiter die AfD?
- Die AfD verfolgt marktradikale und arbeitnehmerfeindliche Ziele. Klaudia Tietze über Gewerkschaftsmitglieder, die rechts wählen, und was man dagegen machen kann
„… Ich wüsste nicht, worüber wir uns mit Menschen mit geschlossenem rechten Weltbild unterhalten sollten. Sie sind daran interessiert, die Meinungsfreiheit zu missbrauchen, um demokratiefeindliche Inhalte zu übermitteln und für Lebensmodelle zu werben, die im Widerspruch zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Ich sehe nicht ein, solches Gedankengut durch einen Diskussionsbeitrag aufzuwerten und diesem so Seriosität zu verleihen. (…) Leider sehen viele nicht, dass die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der AfD vor allem mit rassistischen Tönen untermauert ist. Die Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit haben eher den strategischen Charakter, die Menschen einzulullen. Denn die Partei verfolgt in erster Linie marktradikale und arbeitnehmerfeindliche Ziele, die Arbeitnehmerrechte einschränken würden. (…) Wir müssen den KollegInnen klar kommunizieren, dass die AfD eine arbeitnehmerfeindliche Partei ist und ihre Programmatik den gewerkschaftlichen Überzeugungen und Forderungen widerspricht. Belegen können wir das allemal. Aber auch die Gewerkschaften müssen so kommunizieren, dass sich alle ArbeitnehmerInnen ernst genommen fühlen…“ Interview von Guido Speckmann vom 14.02.2018 beim ND online mit Klaudia Tietze, Geschäftsführerin des Vereins »Mach meinen Kumpel nicht an!« in Düsseldorf
- Kampf dem Rassismus!
„Nach der Bundestagswahl waren viele in der IG Metall aufgeschreckt: Viele Gewerkschaftsmitglieder, auch MetallerInnen, hatten AfD gewählt. Viele taten das aus nationalistischen und fremdenfeindlichen Motiven, manche aus Protest gegen Merkel und ihre Regierung. In jedem Fall haben sie billigend in Kauf genommen, dass eine rassistische und gewerkschaftsfeindliche Partei gestärkt wurde. (…) Es ist richtig, den AfD-Wählerinnen vorzuwerfen, dass sie ihre Lage auf Kosten der Flüchtlinge, denen es noch schlechter geht, verbessern wollen. Aber es ist auch ein Stück weit scheinheilig, wenn die Gewerkschaften ihrerseits nur noch für diejenigen kämpfen, die sichere Arbeitsplätze haben und den Rest sich selbst überlassen. Es ist scheinheilig, von „Solidarität“ zu reden, wenn die IG Metall ständig Standortvereinbarungen macht, die Belegschaften auf Kosten von anderen KollegInnen schützt. (…) Kampf gegen Rassismus heißt auch, gegen jede Abschiebung, für offene Grenzen und gleiche Rechte für alle Menschen, die hier leben, einzutreten. Daher sind wir für die gewerkschaftliche Organisierung der Geflüchteten – für den gemeinsamen Kampf für Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung, bezahlbare Mieten und Wohnraum für alle!.“ Beitrag von Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht zur Metall-Tarifrunde Nr. 1/18, Infomail 982, vom 18. Januar 2018
- Gewerkschaftsmitglieder wählen AfD
Artikel aus der Arbeiterpolitik 5/2017 vom Dezember 2017 – wir danken!
- Soziologe zur AfD: Erwachen aus wutgetränkter Apathie – Was der Kapitalismus mit dem Wahlerfolg der AfD zu tun hat – und warum ihre Anhänger einen „autoritären Nationalradikalismus“ vertreten
In einem Gespräch von Markus C. Schulte von Drach mit dem Soziologen Wilhelm Heitmeyer vom 4. Oktober 2017 bei der Süddeutschen Zeitung online macht Wilhelm Heitmeyer auf folgende interessante Aspekte der AfD-Ideologie aufmerksam: „… Ich habe bereits 2001 vor einer Entwicklung gewarnt, deren Gewinner ein rabiater Rechtspopulismus sein würde. Unsere These war damals: Mit Hilfe der Globalisierung breitet sich ein autoritärer Kapitalismus aus, der einen erheblichen Kontrollgewinn über die Gesellschaft erzielt. Zugleich führt er zu einem Verlust der Kontrolle nationalstaatlicher Politik. In Teilen der Bevölkerung wird es außerdem so wahrgenommen, dass sie auch selbst Kontrolle verlieren – über die eigene Biografie, und auch über die Politik. Das führt bei ihnen zu einer Demokratie-Entleerung und zu Desintegration. Dadurch wächst die Gefahr, dass diese Menschen ihr Heil bei den Rechten suchen, die ihnen versprechen, ihnen die Kontrolle zurückzugeben. Wie das Wahlergebnis zeigt, lagen wir mit unserer These wohl nicht ganz falsch. (…) Gruppen von Menschen werden inzwischen vielfach nach ökonomischen Kriterien bewertet, also nach ihrer Verwertbarkeit, ihrer Nützlichkeit und Effizienz. Das sind Prinzipien, die für die Wirtschaftsleben funktional sind. Aber sie sind immer stärker in die Lebenswelt der Bevölkerung eingedrungen und haben in allen Schichten auch zu einem ökonomistischen Denken geführt. Dadurch werden besonders bestimmte Gruppen abgewertet und diskriminiert, wir nennen das „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“: Betroffen sind Langzeitarbeitslose, niedrig qualifizierte Migranten, Flüchtlinge, Obdachlose, Behinderte. Die sozial Schwachen sehen dann auf die noch schwächeren herab. Und seit einigen Jahren klagen auch jene mit hohem sozialen Status darüber, dass sie als Leistungsträger alle anderen mitschleppen sollen. Es ist zu befürchten, dass dieses Denken weiter um sich greift…“
- Bsirske will »Kampfansage« der AfD annehmen
„Verdi-Chef Frank Bsirske ruft zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der AfD auf. »Mit der AfD müssen wir uns inhaltlich auseinandersetzen und deutlich machen, wofür diese Partei steht, etwa in Fragen der Renten- und Sozialversicherung«, sagte Bsirske der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Da sind Leute unterwegs, die prüfen wollen, ob man die Sozialversicherungen nicht komplett privatisieren sollte.« Seit Gründung der Rentenversicherung habe es nur einen Monat gegeben, in dem die Renten nicht ausgezahlt worden seien – im Mai 1945. »Wie kann man so bekloppt sein, darüber nachzudenken, die Rentenversicherung zu privatisieren?« Bsirske rief die Äußerung von Parteichef Jörg Meuthen in Erinnerung, die AfD wolle dafür sorgen, dass das ganze »links-rot-grün verseuchte 68er-Deutschland« wegkomme. »Das ist eine Kampfansage.« 1968 stehe für Frauenemanzipation, Gleichstellung, Öffnung der Gesellschaft, kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Nationalgeschichte. »Ich will nicht dahinter zurück«, sagte Bsirske. »Was Meuthen da ankündigt, ist ein Kulturkampf. Den muss man annehmen.«…“ Beitrag von und bei neues Deutschland vom 23. Oktober 2017 – wir sind gespannt…
- Gewerkschaften nach der Bundestagswahl: Ein weiter so kann gefährlich werden
„… Das erschreckendste Ergebnis ist aber der Einzug der AfD mit 12,6 %, in den Bundestag. Die meisten Gewerkschaften hatten im Vorfeld der Wahlen deutlich gemacht, dass die AfD nicht wählbar ist. Trotzdem haben viele Gewerkschaftsmitglieder bei dieser nationalistischen, rassistischen und neoliberalen Partei ihre Kreuze gemacht. Nicht nur für die Parteien sollte dieses Wahlergebnis Anlass sein, über ihre (Mit-)Verantwortung für das Erstarken der AfD nachzudenken. Auch für die Gewerkschaften gilt es, über die Politik der letzten Jahre nachzudenken und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Trotz eines wirtschaftlichen Aufschwungs in der Bundesrepublik ist es nicht gelungen, prekäre Beschäftigung zurückzudrängen. Ganz im Gegenteil. (…) Im wesentlichen haben die Gewerkschaften kaum Widerstand gegen prekäre Beschäftigung geleistet. Zwar gibt es vereinzelt Kampagnen gegen einzelne Arten prekärer Beschäftigung, wie z.B. von ver.di NRW gegen befristete Beschäftigung. Insgesamt aber sind die Gewerkschaften eher Mitgestalter prekärer Beschäftigung. (…) Zur Regierung hat die Gewerkschaftsführung eher eine angenehme Beziehung geführt. Statt die Verweigerungshaltung der Regierung zu arbeitsmarktpolitischen und sozialen Fragen anzuprangern, hat man sich eher angebiedert. Dies gilt auch für das Verhalten gegenüber den Arbeitgeberverbänden. Im Rahmen der Standortpolitik wurden die Unternehmen weitgehend geschont. (…) Anstatt also die Solidarität in den unteren Klassen zu gewinnen, haben wir die Situation, dass hier gegeneinander gekämpft wird. Gewinner bei diesem Spiel sind die Unternehmer, die keine Angst haben müssen, dass ihre Profitmaximirerei ernsthaft bekämpft wird.“ Artikel von Helmut Born vom 14. Oktober 2017 bei Yeni Hayat („Das Neue Leben“). Helmut Born ist Mitglied im Landesbezirksvorstand ver.di NRW und ver.di Bezirksvorstand Düsseldorf
- Bundestagswahl 2017: So haben GewerkschafterInnen gewählt [„Zulegen konnte die AfD. Ihr gaben 15 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Befragten die Stimme“]
„Mehr als 50 000 Menschen hat die Forschungsgruppe Wahlen am Tag der Bundestagswahl 2017 zu ihrer Stimmabgabe interviewt. Ein großer Teil der Befragten hat den MeinungsforscherInnen zudem Auskunft über Gewerkschaftsmitgliedschaft, Erwerbsstatus und Berufsgruppe gegeben. (…) Die SPD bleibt trotz deutlicher Verluste die Partei, der eine Mehrheit von 29 Prozent der GewerkschafterInnen ihre Stimme gegeben hat. Es folgt die Union aus CDU/CSU mit 24 Prozent der Gewerkschaftsstimmen. Alle Parteien der großen Koalition müssen im Vergleich zur letzten Wahl deutliche Verluste hinnehmen. So kam die SPD 2013 noch auf 35,9 Prozent der Stimmen aus dem Gewerkschaftslager. CDU/CSU sackten hier um rund acht Prozent von vormals 32,4 Prozent ab. Zulegen konnte die AfD. Ihr gaben 15 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Befragten die Stimme. Auch Linke und FDP legen zu. (…) Bei den ArbeiterInnen folgen CDU/CSU mit 22 Prozent und AfD mit 19 Prozent. (…)Während GewerkschafterInnen in Westdeutschland mit 31 Prozent für die SPD stimmen, bekommt die Partei im Osten gerade mal auf 18 Prozent. Mit 22 Prozent liegen AfD und Linke gleichauf… „ DGB-Mitteilung vom 25. September 2017
- [Rezension] Was die Standortpolitik des DGB mit der AfD zu tun hat
„In Stefan Dietls neuem Buch steht neben Neoliberalismus und völkischem Antikapitalismus aus der AfD selbst, auch der Standortnationalismus der DGB-Gewerkschaften zur Debatte. „Sozialstaat? Braucht Grenzen!“ Mit diesem Motto wirbt die AfD im Bundestagswahlkampf. Im Wahlprogramm der Rechtspopulist_innen wird der Zusammenhang zwischen Sozialstaat und Flüchtlingspolitik so formuliert: „Die Stabilisierung der Sozialsysteme erfordert bei einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung besondere Anstrengungen. Unsere begrenzten Mittel stehen deshalb nicht für eine unverantwortliche Zuwanderungspolitik, wie sie sich kein anderes europäisches Land zumutet, zur Verfügung.“ Eine solche Argumentation findet auch bei Gewerkschafter_innen Zustimmung. (…) Der Münchner Journalist Stefan Dietl untersucht in seinem, im Unrast-Verlag erschienenen, Buch die Sozialpolitik der AfD und benennt dabei erfreulicherweise auch die Verantwortung des DGB. Der Untertitel seines Buches „Zwischen Marktradikalismus und völkischen Antikapitalismus“ benennt die beiden Pole der AfD-internen Debatte. (…) „Der AfD gelang es sowohl marktradikale Eliten als auch nationalkonservative Hardliner_innen, christlich-fundamentalistische Aktivist_innen und völkische Nationalisten zu vereinen“, beschreibt Dietl das Erfolgsrezept der Rechtspopulist_innen. Im Detail geht Dietl dann auf das sozialpolitische Programm der AfD und die innerparteilichen Debatten um einen Mindestlohn oder das Freihandelsabkommen TTIP ein. (…) „Ohne die Überwindung des Denkens in den Kategorien der internationalen Standortkonkurrenz ist ein glaubwürdiges Eintreten gegen den von der AfD propagierten Rassismus und Nationalismus zum Scheitern verurteilt“, so seine sehr prägnante und zutreffende Kritik an der Orientierung des DGB. Die Gewerkschaften müssen sich besonders den prekären Segmenten der Lohnarbeiter_innen, unabhängig von ihrer Herkunft, öffnen, wo sie im europäischen Vergleich großen Nachholbedarf haben…“ Rezension von Peter Nowak vom 23. August 2017 bei der direkten Aktion , das Buch von Stefan Dietl „Die AfD und die soziale Frage – Zwischen Marktradikalismus und völkischen Antikapitalismus“ erschien im Unrast Verlag zum Preis von 14 Euro (167 Seiten) und kann dort bestellt werden (dort ist auch eine Leseprobe zu finden)
- [Broschüre] DGB gegen rechte Argumente
„… Uwe Laubach, der erste Bevollmächtigte der IG Metall in Eisenach drückte es vor kurzem so aus: »Wir haben es in unserer Organisation in nennenswertem Umfang mit AfD-Anhängern und Leuten mit ähnlichen Positionen zu tun. Nun stehen wir vor der Frage: Was machen wir mit denen? Auf diese Frage will diese Broschüre eine Antwort geben. Aus der Perspektive der parteipolitisch ungebundenen politischen Organisation sind die in der Broschüre genannten Argumente gegen Rechts zu verstehen. Sie will den Nachweis führen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich selbst schaden, wenn sie rechte bzw. rechtsradikale Positionen vertreten. In diesem Sinne unterscheidet sich die vorliegende Broschüre des DGB auch von der einen oder anderen Veröffentlichung zum Thema. Im Mittelpunkt sollen auch hier die Interessen und Probleme von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern stehen sowie die Angebote der Rechten an ihre Interessen. Diese sollen einer Prüfung unterzogen werden. Das Ergebnis ist im Titel der Broschüre vorweggenommen: Wir halten den Nationalismus (nicht nur) der Rechten für einen Fehler für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und wollen in dieser Broschüre zeigen, warum.“ Info von DGB-Bezirk Baden-Württemberg Region Nordwürttemberg vom 15. August 2017 und Link zur kostenlosen Broschüre
- Neue Studie: Wer wählt Rechtspopulisten? Erfahrung von Unsicherheit und Kontrolle im Arbeitsleben sowie Zukunftssorgen wichtige Faktoren
„… Menschen, die befürchten, dass es ihnen und ihren Kindern künftig schlechter gehen wird oder die der Meinung sind, dass auf mehreren Ebenen über sie hinweg entschieden wird, neigen überdurchschnittlich häufig der AfD zu. Das gilt insbesondere mit Blick auf das Arbeitsleben und für Beschäftigte, die Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz erleben. Gewerkschaftsmitglieder sind davon im gleichen Maße wie Nichtmitglieder betroffen, zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie auf der Basis neuer repräsentativer Befragungsdaten. (…) Für die Untersuchung haben der Soziologe und Wahlforscher Richard Hilmer, die Soziologieprofessorin Dr. Bettina Kohlrausch, die Soziologin Rita Müller-Hilmer und der Politikwissenschaftler Jérémie Gagné von Mitte Januar bis Anfang Februar 2017 knapp 5.000 Personen ab 18 Jahren zu ihren politischen Einstellungen, Wertorientierungen sowie Sichtweisen auf die Arbeitswelt befragt. (…) Die Forscher weisen erstmals nach, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft und der Wahrscheinlichkeit, AfD zu wählen. Das bedeutet: Bei gleicher Ausgangslage verschiedener Personen (jeweils gleiches Einkommen, berufliche Position, Bildungsabschluss, Alter, Geschlecht und Wohnsitz in Ost- bzw. Westdeutschland) macht es bei der Wahrscheinlichkeit, AfD zu wählen, keinen Unterschied, ob jemand Gewerkschaftsmitglied ist oder nicht. Wer sich in seiner Gewerkschaft aktiv engagiert, neigt signifikant seltener Rechtspopulisten zu als wer dies nicht tut – so wie andere ehrenamtlich Engagierte auch. – Gewerkschaftsmitglieder sind besonders sensibel für Gerechtigkeitsfragen am Arbeitsplatz: Ob sie gemäß ihrer Qualifikation beschäftigt sind oder nicht, ob sie sich den Veränderungen ohnmächtig gegenüber stehen sehen und auch die erlebte Überwachung und Kontrolle am Arbeitsplatz beeinflusst ihre Entscheidung, AfD zu wählen oder es in Erwägung zu ziehen, in stärkerem Maße als bei Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern…“ Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 9. August 2017 , sie bezieht sich auf- das Working Paper der Hans Böckler Stiftung Nr. 044 vom August 2017 : „Einstellung und soziale Lebenslage – Eine Spurensuche nach Gründen für rechtspopulistische Orientierung, auch unter Gewerkschaftsmitgliedern“ von Richard Hilmer, Bettina Kohlrausch, Rita Müller-Hilmer und Jérémie Gagné (60 Seiten)
- DGB zur Studie: Diese Maßnahmen würden Rechtspopulisten das Wasser abgraben
„… Für den DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann ist (…) klar: Wer den Rechtspopulisten das Wasser abgraben will, muss Fehler am Arbeitsmarkt und in den sozialen Sicherungssystemen korrigieren: „Unsere Antwort kann nur lauten: Mehr Sicherheit im Betrieb mit Tarifverträgen und einer starken Mitbestimmung, und eine Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, die Gute Arbeit fördert und sichert, also prekäre Beschäftigung wie Leiharbeit eingrenzt und sachgrundlose Befristung abschafft“, so Hoffmann. „Wer noch mehr Zeitarbeit will, mehr Befristung oder die Arbeitszeit deregulieren will, wer nicht mal die Begriffe Tarifvertrag und Mitbestimmung im Wahlprogramm verankert hat, hat nicht verstanden, was auf dem Spiel steht.“…“ DGB-Kommentar vom 9. August 2017 - Aber bitte nicht eine wichtige Aussage der Studie vergessen, die da lautet: „Wer sich in seiner Gewerkschaft aktiv engagiert, neigt signifikant seltener Rechtspopulisten zu als wer dies nicht tut. – so wie andere ehrenamtlich Engagierte auch.“ Also bitte weniger gewerkschaftliche Stellvertreterpolitik und mehr Kampf an der Basis, besonders mehr Streiks – am besten endlich auch politische Streiks, weil es halt der neoliberale Gesetzgeber nicht von sich aus macht. Das hilft laut Studie und beseitigt das Gefühl von Ohnmacht.
- Wandern »die Arbeiter« nach rechts? Über die Unschärfen einer politisch wichtigen Kategorie und die Ergebnisse der jüngeren Landtagswahlen
„Grundsätzlich gilt: Der Zusammenhang zwischen sozialer Lage, sozialem Status, ideologischer Orientierung (»politischem Milieu«) einerseits und aktuellem Wahlverhalten andererseits wird lockerer. Konnte man bei Landtagswahlen vor 30 oder 40 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent »vorhersagen«, dass ein »Arbeiter« die SPD wählen würde, so trifft das in der Gegenwart für Parteipräferenzen nicht mehr zu. (…) Ein vorläufiges Fazit zum Wahlverhalten der erwerbstätigen Arbeiter lautet daher: Später als andere Berufsgruppen, aber früher als Rentner lösen sich auch Arbeiter von den traditionellen Großparteien und begeben sich auf die Suche (nachholende Bewegung). Hierbei schlagen sie nur im Fall Sachsen eine eindeutige politische Richtung, nämlich nach rechts ein. In allen anderen Fällen ist das neue Wahlverhalten, sofern es nicht mehrheitlich in Wahlenthaltung sich äußert, politisch nicht eindeutig gerichtet. Bei den Wahlen bis einschließlich 2010 geht es mehrheitlich in Richtung Linkspartei, 2011 gewinnen die Grünen stark, wird 2012 gewählt, so erhalten die Piraten hohe Zustimmung von Arbeitern, und ab 2014 profitiert die AfD. (…) Bezüglich der Stimmenanteile der AfD unter Arbeitern kann nicht davon gesprochen werden, dass die AfD die neue Arbeiterpartei sei oder Arbeiter generell mehrheitlich rechts wählen würden.“ Beitrag von Horst Kahrs bei neues Deutschland vom 7. August 2017 (Horst Kahrs, Jahrgang 1956, ist Sozialwissenschaftler). Siehe dazu auch- die ausführliche Studie „Die Landtagswahlen 2014-2017: Bewegung und Stabilität“ von Horst Kahrs vom Juli 2017 bei der Rosa Luxemburg Stiftung
- Anm.: Das Versprechen der Überschrift „Wandern ‚die Arbeiter‘ nach rechts?“ wird nicht gerade eindeutig beantwortet. Vor allem: Ob dies zutrifft beantwortet sich nicht dadurch, dass die AfD zur Arbeiterpartei wird (vgl. Schlusssatz oben). Andererseits ist auch eine CDU/CSU-Wahl eine rechte Wahl. Ebenso hat sich auch gegenüber früher die SPD nach rechts orientiert. Ja, es stellt sich überhaupt die Frage, was der Autor unter „rechts“ versteht. Nur die AfD??? Keine CSU/CDU oder gar SPD, die sich rechter Ideologie anzupassen versucht? Wäre nicht eher eine Kritik der Ideologie „der Mitte“ angebracht?
- Gewerkschaft von Rechts?
„… Seitdem die „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF) nach Ende des 2. Weltkrieges als faschistische Organisation verboten wurde, gab es in Deutschland keine rechte Gewerkschaft mehr – bis jetzt. Denn mit dem „Alternativen Arbeitnehmerverband Mitteldeutschlands“ (ALARM) gründete die #AfD am 1. Mai 2017 erstmals seit 1945 wieder eine völkische Gewerkschaft in Deutschland. Und genau wie ihr Vorbild versucht auch „ALARM“ soziale Kämpfe zu negieren indem stattdessen eine „Volksgemeinschaft“ konstruiert wird, die deutsche Arbeitnehmer und Arbeitgeber im „dankbaren Dienst am Vaterland“ vereinigen soll. Für die Arbeiter hat „ALARM“ also einen Leistungsethos und Nationalstolz zu bieten, anstatt Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen. (…) „Alarm!“ ist kein ernst gemeinter Schritt, um die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse zu verbessern. Es ist ein Versuch, die Wut über die tatsächlich bestehenden sozialen Probleme zu kanalisieren und als Unterstützung für die AfD an die Wahlurnen zu lenken. Real bestehende Missstände in den DGB-Gewerkschaften werden dabei ausgenutzt um Kritik an diesen zu üben, die präsentierten „Alternativen“ beschränken sich jedoch auf völkische Folklore und fordern „Opferbereitschaft“ von den deutschen Arbeitern. Verbesserungen am Arbeitsplatz können nur von unabhängigen und kämpferischen Gewerkschaften erstritten werden, die im Klassenkampf eindeutig auf der Seite Lohnabhängigen steht.“ Beitrag von FloWo vom 27. Juli 2017 bei Diaspora
- Ein Blick ins Wahlprogramm: Die AfD ist keine Partei für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
„Auf dem Bundesparteitag Ende April in Köln hat die AfD ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl beschlossen. Herausgekommen ist eine krude Mischung, die sich in Teilbereichen zumindest formal an Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und sozial Benachteiligte wendet. (…) Was aber hat die Partei für eben diese „kleinen Leute“ programmatisch tatsächlich zu bieten? Mit welchen politischen Vorhaben möchte sie die ArbeitnehmerInnen-Interessen vertreten? Bietet sie inhaltliche Alternativen für abhängig Beschäftigte, für Arbeitslose und RuheständlerInnen an, auch und gerade, wenn diese materiell schlechter gestellt sind? Was können sich diese Menschen von der AfD erhoffen? Ein sozial- und wirtschaftspolitischer Blick in ihr Bundestags-Wahlprogramm…“, der u.a. enthüllt: „Ganz offensichtlich folgt die AfD hier den Versuchen anderer rechter bzw. rechtspopulistischer Parteien, die „soziale Frage“ zwar zu stellen, um eine konservative Arbeitnehmerschaft und sozial Benachteiligte anzusprechen, sie zugleich aber völkisch-nationalistisch umzudeuten. (…) Die soziale Polarisierung der Gesellschaft gilt ihr nicht als eine Frage des „Oben“ und „Unten“, sondern als eine des „Innen“ und „Außen“…“ Analyse von Markus Krüsemann und Patrick Schreiner vom 14. Juni 2017 bei annotazioni
- Wacht auf, Gewerkschaften im Lande!
„Was unterscheidet den DGB von der AfD? Das ist keine Scherzfrage, und es sollen auch nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Ein Unterschied besteht unter anderem darin, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund sechs Millionen Mitglieder hat und die Alternative für Deutschland 26.000. Trotzdem macht die AfD fast jeden Tag von sich reden, während der DGB beziehungsweise die Gewerkschaften in den Medien kaum eine Rolle spielen, es sei denn bei Tarifverhandlungen oder am »Tag der Arbeit«. Haben sie sonst nichts zu sagen? Für den diesjährigen 1. Mai hatte sich der DGB-Vorstand das Motto ausgedacht: »Wir sind viele. Wir sind eins.« Warum hat er nicht gesagt: Wir sind sechs Millionen. Wir lassen nicht zu, dass die einen immer reicher und die anderen immer ärmer werden und dass mit dem Schicksal der Menschheit va banque gespielt wird. (…) Im »Superwahljahr 2017«, so die Botschaft zum diesjährigen 1. Mai, wollen die Gewerkschaften die Themen setzen, die die Politik unbedingt angehen muss, um Deutschland »sozialer und gerechter zu machen«. Das hört sich gut an. Außerdem positioniert sich der DGB nach eigenem Bekunden »klar gegen rechts«. Auch gut. Da fangen die Gewerkschaften am besten bei sich selbst an. Reiner Hoffmann nannte es erschreckend, dass bei Landtagswahlen Gewerkschaftsmitglieder überproportional oft AfD gewählt haben. Nach einer Analyse von infratest-dimap ist der Arbeiteranteil unter den AfD-Wählern mit 33 Prozent so hoch wie bei keiner anderen Partei. Politische Schlafmützigkeit zahlt sich für die Gewerkschaften nicht aus. Wie heißt es doch bei Matthäus im Kapitel 4: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.« „ Aufsatz zum Kommentieren von Conrad Taler aus Ossietzky 10/2017
- Wirtschaft und IG Metall warnen vor der AfD
„Arbeitgeber und IG Metall geben vor dem 14. Mai keine Wahlempfehlungen ab, machen aber in einem ungewöhnlichen Schritt gemeinsam Front gegen die AfD. Im WAZ-Interview warnten IG-Metall-Bezirksleiter Knut Giesler und Arndt Kirchhoff, Präsident der Unternehmensverbände NRW, einhellig vor der „Alternative für Deutschland“, die Umfragen zufolge gute Chancen hat, erstmals in den Düsseldorfer Landtag einzuziehen. (…) Beide kritisierten das Menschenbild der AfD, Kirchhoff nannte es „rassistisch und nationalistisch“. Er wünsche sich für die künftige Regierung „eindeutige, nicht zu große Mehrheiten aus demokratischen Parteien“. Die Unternehmer wollten „weder kommunistische Kombinate noch Rechtsradikale“.“ Beitrag von Stefan Schulte und Tobias Blasius vom 5. Mai 2017 bei der WAZ online
- Gewerkschaften gegen Rechtspopulismus: „Wir laden keine Repräsentanten der AfD ein“
„Auch den Gewerkschaften macht der Rechtspopulismus zu schaffen. IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban spricht im Interview über rechte Denkmuster bei Arbeitnehmern und die Mittel dagegen…“ Interview von Stephan Hebel vom 27.4.2017 bei der Frankfurter Rundschau online
- Konferenz „Arbeiterbewegung von rechts?“
„die DFG-Kollegforscher_Innengruppe Postwachstumsgesellschaften von der FSU Jena veranstaltet zusammen mit der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen vom 22.-24.06.2017 die Tagung: „Arbeiterbewegung von rechts?“ in Jena. (…) Im Mittelpunkt der Diskussion stehen die Fragen: Wie ist die hohe Akzeptanz der völkischen Rechten bei – auch gewerkschaftlich organisierten – Arbeitern zu erklären? Haben wir es mit Arbeiterbewegungen von rechts zu tun? Kann die rechtspopulistische Revolte in den Parlamenten entzaubert werden, oder ebnet sie den Weg für einen autoritären Kapitalismus? Wie kann dem Rechtspopulismus begegnet werden? Benötigen wir eine neue gewerkschaftliche Politik von unten? Diese Fragen wollen wir mit Wissenschaftler_Innen aus den USA und Europa, aber auch mit Praktikern aus Politik und Gewerkschaften diskutieren…“ Siehe die Infos beim Kolleg
- AfD: Das neue Rot der Arbeiter ist blau?
„Was steckt hinter AVA und AidA? Die Arbeitnehmer-Flügel der AfD wollen das Arbeitslosengeld I ein bisschen verlängern und innerbetriebliches Mobbing gegen selbstbewusste Betriebsräte legalisieren (…) Während der DGB im Jahr 2016 reichlich spät eine Kampagne “Stop Union Busting!” eröffnete, die sich – leider sehr halbherzig – gegen die systematische Zermürbung von Betriebsräten richtet, fordert AidA das genaue Gegenteil: Die Stärkung von gelben Mobs aus der Belegschaft, die vom Management und von Union Busting-Beratern dazu angeleitet und angestachelt werden, während der Arbeitszeit Unterschriften gegen demokratisch gewählte Betriebsräte zu sammeln und Stimmung gegen eine allzu selbstbewusste und konfliktbereite Politik ihrer InteressenvertreterInnen zu machen. (…) AidA will Unterschriften-Sammlungen zur Absetzung eines amtierenden Betriebsrats nun gesetzlichen Status verleihen (…) Eine solche Veränderung des BetrVG würde die Institutionalisierung gewerkschaftsfeindlicher Mobs zur Spaltung der Belegschaft bedeuten. Widerstand ist dringend geboten!…“ Beitrag von Elmar Wigand vom 19. April 2017 bei arbeitsunrecht in deutschland
- DGB in Sorge: AfD auf Stimmenfang im Betrieb
„… Bei den Landtagswahlen im Saarland hatten gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen überdurchschnittlich die Rechtsaußen-Partei AfD gewählt. Das ist kein Ausnahmebefund. Die Gewerkschaften sehen derweil mit wachsender Sorge, wie die AfD unter Beschäftigten Fuß zu fassen sucht – unter anderem mit Gruppen wie den »Arbeitnehmern in der AfD« oder der »Alternativen Vereinigung der Arbeitnehmer«. Man betrachte »die sogenannten Arbeitnehmergruppen innerhalb der AfD mit außerordentlich großer Skepsis und Distanz«, wird jetzt der Leiter der Ver.di-Grundsatzabteilung, Christoph Schmitz, von der »Rheinischen Post« zitiert. Schmitz verweist auf den im Kern nicht nur nationalistischen, sondern auch neoliberalen Kurs der AfD. »Aussagen von Frauke Petry zur Anhebung des Rentenalters und zur weiteren Kürzung der Renten oder von Jörg Meuthen zur Abschaffung der gesetzlichen Rente und zur Privatisierung der Alterssicherung stehen in völligem Gegensatz zu sozialpolitischen Forderungen der Gewerkschaften«, so Schmitz…“ Beitrag bei neues Deutschland vom 4. April 2017
- Rechtspopulismus wird sozial: Deutsche Arbeiter hart umworben
„… Es ist eine Kampfansage an die Gewerkschaften: Die „Arbeitnehmer in der AfD“ wollen am 1. Mai in Hamburg auf die Straße gehen. Die Interessensgemeinschaft in der Partei plant am Tag der Arbeit auf dem Hamburger Gänsemarkt von 13 bis 16 Uhr eine Kundgebung und erwartet angeblich bis zu 2.000 Teilnehmern. In Hamburg kam es in den vergangen Jahren im Zuge „revolutionärer“ Maidemos zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und linksradikalen Autonomen. Die Anmeldung der AfD an diesem Tag spiegele ihr „gestiegene Selbstbewusstsein wider“, sagte Mark Haarfeld von „Mach meinen Kumpel nicht an“, einer bundesweiten gewerkschaftlichen Initiative, die sich seit 30 Jahren gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagiert. Es sei die erste öffentliche Veranstaltung der „Arbeitnehmer in der AfD“ an der Elbe, so Haarfeld. (…) In den Gewerkschaften gibt es die Befürchtung, dass die AfD auch jenseits von Maikundgebungen in die Betriebe dränge, sagte Kai Venohr, stellvertretender Vorsitzender bei „Mach meinen Kumpel nicht an“. Betriebsräte seien besorgt, dass bei den nächsten Betriebsratswahlen 2018 auch Kandidaturen von AfD-VertreterInnen erfolgen könnten (…) Den Gewerkschaften sei bewusst, dass bei Landtagswahlen auch viele Gewerkschaftsmitglieder die AfD wählen. Aus dem Grund bereite sich der DGB nun auf diese politische Konfrontation vor, sagte Venohr. Für den 1. Mai wird Gegenprotest erwartet…“ Artikel von Andreas Speit vom 21. März 2017 bei der taz online
- Olaf Kappelt – ver.di Landesbezirksvorstandsmitglied in Berlin Brandenburg – organisiert für die AFD Beschäftigte!!!
- Berliner AfD will bei Beschäftigten punkten
„Im Wahlkampf war die Berliner AfD noch gegen den Mindestlohn, jetzt gründet sich eine AfD-Arbeitnehmergruppe in Berlin. Zum Auftakt kommt ein Ex-SPD-Mann aus dem Ruhrpott.
Lange hatten sie innerhalb der Berliner AfD darüber gestritten, aber im Programm zur Abgeordnetenhauswahl stand es schließlich schwarz auf weiß: „Keine Lohnfestsetzung durch den Staat in der privaten Wirtschaft“. Eine Absage an den Mindestlohn. Das wurde der Partei im Wahlkampf vorgehalten, wenn es darum ging, was sie eigentlich wirklich für den „kleinen Mann“ tue. Doch damit soll nun Schluss sein. Zumindest, wenn es nach denen geht, die am Freitagabend eine Arbeitnehmerorganisation in der Berliner AfD gründen wollen. „Unser Programm ist im Hinblick auf Arbeitnehmerrechte nicht hundertprozentig ausgereift“, formuliert es Gunnar Lindemann, Mitglied im Abgeordnetenhaus, vorsichtig. Er ist für eine Erhöhung des Mindestlohns, keine Abschaffung. Lindemann ist als Direktkandidat aus Marzahn-Hellersdorf ins Landesparlament eingezogen. (…) Lindemann weiß, dass seine Forderungen im Bezirk gut ankommen werden. Gemeinsam mit Olaf Kappelt, Mitglied im Ver.di-Landesbezirksvorstand, organisierten Lindemann und die Abgeordnete Jeannette Auricht die Gründungsveranstaltung. Etwa 30 AfD-Mitglieder haben sich angekündigt…“ Artikel von Maria Fiedler vom 16.02.2017 beim Tagesspiegel online - Lt. Wikipedia : Olaf Kappelt gehört dem Vorstand des ver.di-Landesbezirks Berlin-Brandenburg und der Landesbildungskommission an, außerdem ist er Mitglied der ver.di-Bundeskommission Selbstständige (BKS). Politisch engagiert sich Olaf Kappelt für eine Arbeitnehmerorganisation in der Berliner AfD, deren Gründung er Anfang 2017 zusammen mit Berliner AfD-Abgeordneten organisierte
- Berliner AfD will bei Beschäftigten punkten
- 21 Gründe, warum Gewerkschaften Rechtspopulisten wie AfD, Pegida und Co. ablehnen
„Die folgenden Zitate und Gegenpositionen wurden auch als Argumentationskarten zum Download veröffentlicht. Im April veröffentlichten wir eine erste Box mit Argumentationskarten gegen Rechtspopulisten. Inzwischen hat der Landesparteitag der sogenannten Alternative für Deutschland in Nordrhein-Westfalen stattgefunden. In dem dort verabschiedeten Leitantrag finden sich zahlreiche Aussagen, die wir nicht unkommentiert lassen wollten. Und noch einen Grund gibt es für eine überarbeitete Fassung: Im Bundesprogramm, den Landesprogrammen, Medien und sozialen Netzwerken gibt es so viele haarsträubende Zitate von AfD-Politikern, dass wir uns entschieden haben, uns in unseren Argumentationskarten auf eine Auseinandersetzung mit dieser einen Partei zu beschränken und andere rechtspopulistische Bewegungen außen vor zu lassen. Wir stellen den Positionen und Forderungen der Rechtspopulisten gewerkschaftliche Positionen und Argumente entgegen.“ Info zur aktualisierten Fassung vom 06.10.2016 beim DGB NRW und alle Argumente zum Download
- Arbeiter für Deutschland. Immer mehr Gewerkschaftsmitglieder machen ihr Kreuzchen bei der »Alternative für Deutschland«. Der Gewerkschafter und ehemalige Essener SPD-Stadtrat Guido Reil soll die Partei für Arbeitnehmer noch attraktiver machen.
„So hatte sich das der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sicher nicht vorgestellt. Angesichts sinkender Wahlbeteiligung rufen die Gewerkschaften seit Jahren ihre Mitglieder dazu auf, wählen zu gehen. Lange verhallten diese Rufe des DGB wie auch zahlreicher anderer Organisationen und Institutionen, ohne viel Gehör zu finden. Das hat sich nun geändert. Sowohl bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin im September, als auch bei den Abstimmungen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, die im März stattfanden, stieg die Wahlbeteiligung signifikant. Gewinnerin dieser Entwicklung ist jedoch vor allem die AfD. Obwohl die DGB-Gewerkschaften die AfD als rassistisch und arbeitnehmerfeindlich kritisieren und davor warnen, für die Partei zu stimmen, gewinnt sie auch unter Gewerkschaftsmitgliedern an Zuspruch. (…) Gemeinsam mit der »Interessengemeinschaft Arbeitnehmer in der AfD« (AidA) soll die AVA die Arbeitnehmer in der AfD repräsentieren. Doch bislang galten beide eher als Kunstprodukt ohne tatsächliche Verankerung in der Arbeiterschaft. So sind zwei der drei Bundesvorstandsmitglieder der AidA bezeichnenderweise keine Arbeitnehmer, sondern selbständige Unternehmer. Bundessprecher Christian Waldheim ist Geschäftsführer seiner Consultingfirma EBS Consulting. Sein Stellvertreter Sascha Walther ist Geschäftsführer und Gesellschafter eines Sicherheitsunternehmens. Ebenso wie AidA blieb auch die 2015 in Dortmund gegründete AVA bisher vollkommen bedeutungslos. Bekannte betriebliche Interessenvertreter oder Gewerkschafter suchte man dort vergebens. Geht es nach dem AVA-Bundesvorsitzenden Uwe Witt, soll sich das nun ändern – dank des profilierten Gewerkschafters und ehemaligen Sozialdemokraten Reil. Mit dem Bergmann, der als Steiger im letzten Steinkohlebergwerk Nordrhein-Westfalens arbeitet, will die AfD auch aktive Gewerkschafter, Betriebs- und Personalräte für sich gewinnen. Reil sitzt nämlich nicht nur weiterhin im Essener Stadtrat – für die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) ist er Mitglied im Betriebsrat der RAG-Aktiengesellschaft (vormals Ruhrkohle AG). Die IG BCE tut sich schwer im Umgang mit dem Übertritt ihres Mitglieds zur AfD. Auf Bundesebene hat sie sich klar gegen die AfD positioniert. Ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis rät den Mitgliedern, der neoliberalen Politik der AfD aktiv entgegenzutreten. »Die AfD ist unser Gegner«, so Vassiliadis. Auch Kurt Hay, Vorsitzender des IG-BCE-Landesbezirks Westfalen, bedauerte gegenüber dem Journalistennetzwerk »Correctiv« den Eintritt Reils in die AfD. Das sei aber dessen Privatsache, so Hay. Er machte damit deutlich, dass ein Ausschluss Reils aus der Gewerkschaft derzeit nicht in Frage kommt. (…) »Angesichts der gewerkschaftsfeindlichen Grundhaltung der AfD« bleibe für viele Gewerkschaftsfunktionäre die Zustimmung von Arbeitnehmern und Gewerkschaftsmitgliedern für diese Partei »wenig nachvollziehbar«, heißt es in einer Stellungnahme des DGB zum Wahlausgang in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Erklärung dafür, dass so viele Gewerkschafter entgegen ihren eigenen ökonomischen Interessen wählen, gibt es aber durchaus: Auch bei vielen Gewerkschaftern ist rassistisches und nationalistisches Denken so ausgeprägt, dass sie ihrer Ablehnung gegenüber allen Fremden sogar dann Ausdruck verleihen müssen, wenn sie selbst dabei ökonomischen Schaden nehmen…“ Artikel von Stefan Dietl in der Jungle World vom 29. September 2016
- Der Arbeiterpakt in der AfD. Der Essener Bergmann Guido Reil soll für die AfD im Arbeitermilieu Stimmen einfangen
„Der frühere SPD-Mann Guido Reil wird nach seinem Übertritt zur AfD deren Arbeitnehmerlandesverband aufbauen. Reil rechnet mit weiteren Übertritten von Gewerkschaftern und Betriebsräten in die rechtspopulistische Partei. Die AfD hat einen Arbeitnehmerflügel. Das ist für viele neu. Dieser Arbeitnehmerflügel nennt sich Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer (AVA) in der AfD. Und diese Vereinigung setzt in NRW nun auf den Essener Bergmann Guido Reil. Der Gewerkschafter und ehemalige Sozialdemokrat soll in NRW den Landesverband der AVA aufbauen. (…) Reil, der auch Mitglied der Bergbaugewerkschaft IGBCE ist, hatte sich Ende letzten Jahres mit der Parteiführung der SPD in Essen und NRW überworfen. Er hatte kritisiert, dass vor allem in den verarmten Norden der Ruhrgebietsstadt die Flüchtlingsheime kämen. Nun will Reil die AfD für die Arbeiter öffnen. Weitere Gewerkschafter und auch Betriebsräte hätten ihn kontaktiert, sagt Reil gegenüber correctiv.org. „Sie wollen in die AfD“ (…) Die Forderungen nach einer Grundsicherung im Alter, nach einer verlängerten Bezugsdauer des Arbeitslosengelds und der Begrenzung von Werkverträgen seien auf Druck der AVA in das Landesprogramm der AfD von NRW aufgenommen worden. Nur bei der Begrenzung der Leiharbeit hätten sich die Arbeitnehmervertreter in NRW nicht durchsetzen können. „Da war die Lobby der Leiharbeitsfirmen zu stark“, sagte Witt. Witt selbst hat früher bei Thyssen gearbeitet, wurde dann Personalchef bei einem mittelständischen Unternehmen und ist heute in der Behindertenbetreuung aktiv. Der AfD-Mann war auch früher Mitglied der IG-Metall…“ Artikel von Marcus Bensmann vom 11. September 2016 bei Correctiv
Siehe dazu auch im LabourNet Germany:
- Brauner 1. Mai 2017 – Keine Homezone für Nazis: In Dortmund und weiteren Städten mit einigen Terminen auch der AVA und AidA
- Siehe frühe Studien zu Gewerkschaften und Rechtsextremismus (v.a. von Bodo Zeuner) im LabourNet-Archiv in der Rubrik „Gewerkschaften und die neuen alten Rechten„