BVerfG zum Mobbing: Wer vor Gericht stänkert, der fliegt

Mobbing„Wer sich während einer Mobbing-Verhandlung schlecht über seinen Arbeitgeber äußert und diesem Verleumdung vorwirft, muss damit rechnen, dass ihm die Kündigung ins Haus flattert. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat klargestellt, dass derlei Worte zwar unter die Meinungsfreiheit fallen, allerdings eine »negative Prognose« für die weitere Zusammenarbeit begründen können… (…) Bei der Prüfung, ob eine weitere Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien zu erwarten ist, dürften zum Nachteil des Arbeitnehmers auch Äußerungen aus dem laufenden Gerichtsprozess berücksichtigt werden, so die Karlsruher Richter. Grundsätzlich seien allerdings auch wertende Äußerungen im Prozess durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt und, soweit sie im Hinblick auf die konkrete Prozesssituation zur Rechtsdurchsetzung geeignet und erforderlich erscheinen, gleichzeitig durch Art. 103 Abs. 1 GG. (…) Verfahrensbeteiligte dürfen daher in gerichtlichen Auseinandersetzungen auch starke, eindringliche Ausdrücke und Schlagworte benutzen, um die eigene Rechtsposition zu unterstreichen (…). Diese Maßgaben sind gerade dann zu beachten, wenn ein Anspruch wegen Mobbings geltend gemacht wird, da Beschäftigte in diesem Zusammenhang unerlaubte Handlungen des Arbeitgebers darlegen und beweisen müssen und sich zwangsläufig negativ über den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder auch Kolleginnen und Kollegen äußern, so das BVerfG. Dies habe das Landesarbeitsgericht beachtet. Die Äußerungen im Prozess dienen bei der Prognose als Beleg für eine verfestigte negative Einstellung des Beschwerdeführers zu seiner Arbeitgeberin, seinen Vorgesetzten und seinen Kollegen, die auch an zahlreichen anderen Stellen zum Ausdruck gekommen sei…“ Beitrag vom 20. Januar 2017 von der Fachredaktion des Bund-Verlags bei Nachrichten für Betriebsräte – siehe den Beschluss und unseren Kommentar dazu:

  • KOMMENTAR: Wie immer die konkrete Sachlage auch zu bewerten ist, vom verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 GG) fördert das BVerfG mit dieser Entscheidung die rechtliche Schlechterstellung des mutmaßlichen Opfers von Mobbing und Bossing gegenüber den Tätern auf Kapitalseite. Der Schutz der Meinungsfreiheit nutzt wenig, wenn der Täterseite die verfassungsrechtliche Möglichkeit eröffnet wird, heimliche Angriffe auf die Persönlichkeit des Mobbingopfers als für eine weitere Zusammenarbeit nicht dienlich rechtsverbindlich durchzusetzen, falls dieser Umstand (z.B. das Verbreiten von Lügen) offen angesprochen wird. So wird das gerichtliche Vorgehen gegen Bossing und Mobbing selbst zu einem Mittel von Bossing und Mobbing, weil die Entfernung des abhängig Beschäftigten in der Regel genau das eigentliche Ziel der „ganzen Übung“ ist. Es handelt sich um eine verfassungswidrige Klassenjustiz, wenn die AG-Seite Beschäftigte mit konstruierten Kündigungsgründen ohne rechtlich Nachteile schikanieren kann, die Beschäftigten jedoch umgekehrt allein durch die Rechtswahrnehmung bei Mobbingverdacht ihre Existenz nachhaltig gefährden können.
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