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Streik im Ausnahmezustand: S-Bahn in Izmir steht seit einer Woche still

Streik bei Izmirs İZBAN - hier: mit Solidaritätsbesuch von MSC/MEDLOG-Arbeiter*innen (November 2016, sendika.org)Zwar geht es „nur“ um normale Lohnverhandlungen – Beschäftigte im vergleichbaren Kokurrenzunternehmen erhalten 33 Prozent mehr Geld – aber es gibt sie noch, die Arbeitskämpfe in der Türkei. Am 25. Oktober hatte die Türkische Eisenbahnergewerkschaft Demiryol-İş beschlossen, das S-Bahn-System in Izmir, das die Vororte mit der Metropole Izmir verbindet, ab dem 8. November 2016 zu bestreiken – wenn die İZBAN den Lohnforderungen nicht weiter nachgibt (das Angebot von Arbeitgeberseite liegt bei 11% – also nahe Null, rechnet man die Inflation dagegen). Da die Situation auch am 7. November keine andere war, wurde der Streikbeschluss bekräftigt und wird seit dem 8. November umgesetzt – so auch am heutigen 14. November, dem 7. Streiktag. Die Arbeitgeberseite fährt alle Arbeitgebergeschütze auf: Auf den ausfallenden Linien werden vermehrt Busse eingesetzt, um den Streik zu brechen. Es wären ansonsten bezogen auf die Transportzahlen im İZBAN-System (je nach Quelle) 150.000 bis 350.000 Menschen pro Tag vom Streik betroffen. Und öffentlich wird argumentiert, die Lohnforderungen seien unangemessen hoch. Gewerkschaftsvertreter stellen dagegen fest, dass die Löhne bei der İZBAN derzeit bei maximal 1.500 bis 1.600 Lira liegen (etwa 450 Euro). 105 der 340 Mitarbeiter*innen der İZBAN erhalten lediglich den Mindestlohn (der, zum Vergleich, bei 1.332 Lira liegt). Siehe drei Beiträge dazu – und einen zur aktuellen Lage der Gewerkschaften in der Türkei:

  • Grev bize gücümüzü ve dayanışmanın önemini öğretti
    „Der Streik lehrt uns Kraft – und die Bedeutung von Solidarität“ – Beitrag vom 14. November 2016 bei Evrensel externer Link über die Fortsetzung des Streiks auch am 7. Streiktag – und über die Lehren, die den Arbeiter*innen jetzt schon klar werden, und die jede und jeder eben nur im eigenen Kampf lernen kann. Denn, so heißt es hier: Es geht eben nicht nur um die 200 Lira.
  • Strike wave in western Turkey
    Beitrag vom 10. November 2016 bei soL externer Link, der von Streikentscheidung und Streik der 340 İZBAN-Arbeiter*innen berichtet – und von der Arbeitgeberstrategie von Streikbruch und öffentlicher Diffamierung der Forderungen der Arbeiter*innen (die, in Zahlen, bei 24% liegen). Erwähnt wird außerdem, dass der Streik  in Izmir nicht der einzige in der aktuellen Türkei ist. Bestreikt wird z.B. auch Ferrero in Manisa – und das bereits seit einem Monat.
  • Workers go on strike at İzmir’s main suburban rail company
    Meldung der Doğan News Agency vom 8. November externer Link (dokumentiert bei den Daily News) über die Umsetzung der Streikankündigung – hier mit der Information, dass bei der Metro in Izmir die Löhne um 33 Prozent höher liegen als bei der S-Bahn, weshalb die S-Bahn-Arbeiter*innen sich mit einem bloßen Inflationsausgleich nicht zufrieden geben wollen.
  • »Wir werden sehen, wer sich anpasst«
    Auch Arbeitsrechte stehen in der Türkei zur Disposition. Für kämpferische Gewerkschaften wird es schwerer… Interview von Florian Wilde mit Eyup Ozer in der jungen Welt vom 10.November 2016 externer Link. Dort heißt es u.a.: „… Was können deutsche Gewerkschafter tun, um ihre Kollegen in der Türkei zu unterstützen?
    Die Gesetzgebung erschwert die Gewerkschaftsarbeit. Daher ist es für uns schwierig, Konflikte mit multinationalen Konzernen ohne Unterstützung aus dem Ausland zu gewinnen. Deutschland ist einer der ganz großen Investoren in der Türkei. Wir haben Fabriken von vielen deutschen Konzernen – im Metallbereich etwa MAN, Mercedes, Bosch. Wenn wir in diesen Fabriken organisieren, ist es wichtig für uns, Kontakt zu unseren Kollegen in Deutschland zu haben. Sie können uns helfen, die Anerkennung von Gewerkschaften in den Betrieben und die Einhaltung von sozialen Mindeststandards gegenüber dem Konzern durchzusetzen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=107041
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