Nach der AÜG-Reform: Definiere (und umgehe) den Equal Pay
„Equal Pay nach spätestens 9 Monaten: Die zweite wichtige Änderung betrifft den gesetzlichen Grundsatz des Equal Pay (gleicher Lohn für gleiche Arbeit). Anders als bisher ist eine Abweichung durch die Tarifverträge der Zeitarbeit nicht mehr unbegrenzt möglich. Es gilt eine Grenze von 9 Monaten bzw. 15 Monaten (§ 8 AÜG-RefE). Bisher war es den Zeitarbeitsunternehmen möglich, über ihre Tarifverträge der Zeitarbeit (iGZ bzw. BAP – DGB) dauerhaft weniger Geld zu zahlen. Die Tarifverträge der Zeitarbeit hatten stets Vorrang vor dem gesetzlichen Equal-Pay-Grundsatz. Die Möglichkeit zur Tarifabweichung wird jetzt auf 9 Monate bzw. 15 Monate begrenzt. (…) Werden die Leiharbeitnehmer bereits nach einem Branchenzuschlagstarifvertrag vergütet, gilt die Pflicht zum Equal Pay nicht. Spätestens nach 15 Monaten muss mit den Branchenzuschlägen allerdings ein Entgelt erreicht werden, das mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer der Einsatzbranche „gleichwertig“ ist. Die „Gleichwertigkeit“ wird durch die Tarifparteien der Zeitarbeitsbranche festgelegt…“ (Quelle: Das AÜG nach der Gesetzesnovelle: Die wichtigsten Fragen und Antworten bei RA Templin & Thieß ). Diese „Gleichwertigkeit“ ist umstritten und nicht mit einer Gleichstellung zu verwechseln (in der EU-Richtlinie Leiharbeit von 2008 heißt der Artikel 5 übrigens „Grundsatz der Gleichbehandlung“). Wir dokumentieren einige Aspekte der Debatte, so u.a. einen Brief der Betriebsräte aus der Leiharbeit an die Arbeitsministerin zu Equal Pay sowie unseren Wissenstand zum Zusammenhang von „Equal Pay“, Überlassungsdauer und Branchenzuschlägen (aufgrund der Gesetzesänderung muss z.B. die IG Metall im 1. Halbjahr 2017 die Tarifverträge zur Regelung der Überlassungen und den Branchenzuschlägen mit der IGZ /BAP und den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie neu verhandeln). Und wir bitten (als juristische Dilettanten) um Korrekturen wie Ergänzungen und v.a. um Informationen zum Stand der Diskussion in den Bezirken der IG Metall zu den TV BZ (Branchenzuschläge) und TV Leih-Z (Uberlassungsdauer)! (mail an Mag Wompel)
Nach der AÜG-Reform: Definiere (und umgehe) den Equal Pay
Betriebsräte aus der Leiharbeit zu Equal Pay
„Sehr geehrte Frau Nahles, wir, die Betriebsräte der Zeitarbeit-Firmen TUJA Zeitarbeit GmbH, Randstad Deutschland GmbH & Co. KG, Adecco Personaldienstleistungen GmbH, euro eggineering AG, Manpower GmbH & Co KG Personaldienstleistungen, Orizon GmbH, PEAG Unternehmensgruppe und Technicum GmbH weisen auf einen, für uns sehr wichtigen Punkt in der geplanten Änderung des AÜG hin. Wir vertreten die Arbeitnehmerinteressen eines Großteils der in der Arbeitsnehmerüberlassung beschäftigten Kolleginnen und Kollegen. (…) Aus unserer Sicht müssen zusätzlich zum reinen Stundenlohn des vergleichbaren Stammmitarbeiters folgende Bestandteile, welche er zu seinem Einkommen zählt, in der Equal Pay Definition Berücksichtigung finden:
Jahressonderzahlungen, wie z.B. Urlaub und Weihnachtsgeld
- Akkord- und Leistungszulagen
- Gewinnbeteiligung
- Zuschlagsregelungen (Schichtzulagen etc.)
- Altersvorsorgeregelung
- Provision
- Sachbezüge (Tankgutscheine, Kindergartengebühren, Betriebskindergärten, Mitarbeiterrabatte, Fahrtkostenregelungen etc.)
Um einem Missbrauch zulasten unserer Kolleginnen und Kollegen hinsichtlich der Einmalzahlungen entgegenzuwirken, darf keine Regelung fehlen, welche das Thema Nachwirkungsfrist bei kurzen Unterbrechungen oder sogar dem Ende der Überlassung regelt. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass Arbeitgeber sehr werfinderisch werden, wenn es darum geht fewhlende Regelungen in Gesetzen zu ihren Gunsten zu nutzen…“ Schreiben vom 26.9.2016 an Andrea Nahles, dokumentiert als Grafik-Datei auf der Startseite von ZOOM und bei uns als pdf
Es wird daraus nicht nur sehr deutlich, wie ungenau und umstritten die Equal Pay-Definition ist, sondern andersherum, wie gross die Benachteiligung der LeiharbeitsnehmerInnen ist – über die am 7. November 2016 vermeldete durchschnittlich 40prozentige Lohnlücke hinaus!
Equal Pay, Überlassungsdauer und Branchenzuschläge
Das AÜG (Seite 2) schreibt nach der Gesetzesnovelle vor: „…Längere Abweichungen sind künftig nur möglich, wenn durch (Branchen-)Zuschlagstarifverträge sichergestellt wird, dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer stufenweise an ein Arbeitsentgelt herangeführt werden, das von den Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der Einsatzbranche festgelegt ist. Dieses gleichwertige Arbeitsentgelt muss nach spätestens 15 Monaten Einsatzdauer erreicht werden„.
Aufgrund der Gesetzesänderung mit dem Stichtag 1. April 2017 müssen aufgrund der 6monatigen Kündigungsfrist im 1. Halbjahr 2017 alle Tarifverträge mit der IGZ /BAP und den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie durch die IG Metall neu verhandelt werden: TV-Leih-Z (Regelung der Überlassungen) und den TV Branchenzuschläge. Nach unseren Informationen aus den berühmten gut informierten Kreisen der IG Metall ist diese u.U. bereit, höhere Branchenzuschläge gegen eine Verlägerung der Überlassungsdauer auf 48 Monate (!) einzutauschen. Dafür spricht:
- „Inzwischen ist mir bekannt, dass eine 6. Stufe mit 65% bei den Verhandlungen zu den Branchenzuschlägen in der Diskussion ist. Diese Diskussion findet aber nur beim Vorstand der IGM statt. Der führt ja auch die Verhandlungen zum TV BZ mit den Leiharbeitsverbänden. Die TK Leiharbeit der IGM ist da vollkommen außen vor. Die werden dazu erst gar nicht gefragt. Anscheinend ist unser Vorstand die TK für den TV BZ und setzt dazu ein paar Experten aus der Tarifabteilung ein.“ karla am 06.11.2016 in der ZOOM-Debatte „Equal Pay nach 9 Monaten?“
- „… Verlängerung gegen mehr Geld
Am 1. April 2017 soll zudem das neue Gesetz zur Leiharbeit in Kraft treten. Darin soll eine Mindestüberlassungsdauer von 18 Monaten festgeschrieben werden. Fakt sei aber, dass danach nicht plötzlich alle Leiharbeiter fest übernommen werden. Viele Zeitarbeitnehmer würden dann wahrscheinlich abgemeldet und durch andere ersetzt. Mit der Gewerkschaft IG Metall spreche man vor diesem Hintergrund über Öffnungsklauseln. In einem Tarifvertrag werde wohl voraussichtlich die Möglichkeit einer Verlängerung auf bis zu 48 Monate – unter der Voraussetzung weiterer Einkommensverbesserungen in der Zeitarbeit – festgeschrieben, so Zierer [BMW-Betriebsratschef in Regensburg] …“ Aus dem Artikel von Bernhard Fleischmann und Christine Hochreiter vom 03. November 2016 bei der Mittelbayerischen Zeitung online : Zündstoff rund um Leiharbeit bei BMW: Die IG Metall bemängelt die hohe Zahl an Zeitarbeitern und gerät bei diesem Thema selbst ins Visier von Kritikern - Die IG Metall agiert dabei auf der Grundlage der Bestimmung von Equal Pay, wie sie 2012 in dem TV BZ ME vereinbart wurde: „Der Branchenzuschlag ist auf die Differenz zum laufenden regelmäßig gezahlten Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Kundenbetriebs beschränkt.“ Das laufende regelmäßig gezahlte Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers ist aber nicht equal-pay und schon gar nicht equal-treatment nach der EU-Richtlinie Leiharbeit von 2008… Siehe oben den Brief der Betriebsräte aus der Leiharbeit an die Arbeitsministerin zu Equal Pay…
Siehe zum Hintergrund das Dossier: Gesetz zur Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen 2016 und unsere Kampagne: Offener Brief: Equal Pay für LeiharbeiterInnen, diskriminierende Tarifverträge ersatzlos kündigen!